Close
Wonach suchen Sie?

6. September 2022

„Achmea“-Schiedsgerichtsurteil nicht vollstreckbar

Update Letter Nr. 137

Alarmstufe rot für alle Arbitration-AnwältInnen!

Am 2. Mai 2018 hat der Ständige Schiedsgerichtshof PCA mit Sitz in Genf ein Schiedsurteil in einem Investitionsschiedsverfahren zwischen zwei Investoren und der Tschechischen Republik gefällt. In diesem Entscheid wurden die beiden Investoren (Claimants) verpflichtet, Prozessentschädigungen in der Höhe von ca. USD 1.75 Mio. und ca. GBP 178’000 zu bezahlen. Wörtlich hiess es im Schiedsurteil:

465. The Claimant’s claims are dismissed.
466. The Claimants shall pay to the Respondent within 28 days of delivery of this award the sum of USD ___ and GPB ___.

Im Schiedsurteil fehlte die sonst übliche Formulierung der solidarischen Haftung bei zwei Schuldnern: jointly and severally"

Die Gläubigerin hat in der Schweiz erfolgreich verschiedene Arrestverfahren geführt. Die Bezirksgerichte in den verschiedenen Arresteinsprache- und Rechtsöffnungsverfahren bejahten die Vollstreckbarkeit der Ziffer 465 des Schiedsurteiles, nicht aber das Obergericht Thurgau im Rechtsöffnungsverfahren. Das Bundesgericht bestätigte mit Entscheid vom 19. Juli 2022, 5A_335/2021, dass das Schiedsurteil bzgl. Parteientschädigung nicht vollstreckbar ist, weil im Schiedsurteil keine solidarische Verpflichtung festgestellt worden sei. Es hat ausgeführt:

1)   Eine solidarische Haftung lasse sich weder aus dem Urteil, noch aus der UNCITRAL-Schiedsordnung oder aus dem 12. Kapital des IPRG herleiten. Das Bundesgericht hat als Vergleich auch andere Verfahrensordnungen geprüft, z.B. Art. 66 Abs. 5 und Art. 68 Abs. 4 BGG, Art. 106 Abs. 3 ZPO.

2)   Das Rechtsöffnungsgericht hat das als Rechtsöffnungstitel vorgelegte Urteil eben gerade nicht auszulegen und erst recht nicht gemäss einer angeblichen Übung zu ergänzen. Vielmehr hat es einzig zu prüfen, ob die Zahlungspflicht in klarer Weise aus dem als Rechtsöffnungstitel vorgelegten Urteil hervorgeht. An dieser eingeschränkten Kompetenz des Rechtsöffnungsgerichts ändert der Einwand der Beschwerdeführerin nichts, dass es faktisch unmöglich wäre, das Schiedsurteil zu vollstrecken, wenn keine solidarische Haftung der Kläger angenommen würde. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsöffnungsgerichts, dem Gläubiger zu einem Vollstreckungstitel zu verhelfen, sondern bloss, zu überprüfen, ob ein solcher vorliegt. 

Der Entscheid BGer 5A_335/2021 kann hier abgerufen werden.

Zitiervorschlag: Felix C. Meier-Dieterle, www.arrestpraxis.ch - update 137 / 06.09.2022

Kategorien: Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Restrukturierung und Insolvenz, Blog

Autor