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18. August 2022 Arrest gestützt auf aufgehobenes Schiedsurteil?

Update Letter Nr. 136

Bei Arrestverfahren gestützt auf ausländische Schiedsgerichtsurteile sind die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit solcher Urteile gestützt auf Art. 194 IPRG gemäss dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen, NYÜ) zu prüfen (BGE 144 III 411). Das Kantonsgericht (KG) Graubünden hat sich in einem Entscheid vom 25. Mai 2022, der in Rechtskraft erwachsen ist, im Rahmen der Arrestprosequierung (Rechtsöffnung) ausführlich mit der Frage befasst, ob ein russisches Schiedsurteil in der Schweiz als vollstreckbar erklärt werden könne, wenn das Schiedsurteil im Ursprungsstaat (Russland) in der Zwischenzeit durch ein staatliches Gericht wieder aufgehoben wurde. Das KG Graubünden hat (wie die Vorinstanz) die Vollstreckbarkeit zu Recht verneint und die vom Beschwerdegegner vorgebrachte Argumentation weitgehend übernommen.

Das KG Graubünden hat im sorgfältig begründeten und richtigen Entscheid vom 25. Mai 2022 ausgeführt:

1.  Zentrale Frage ist diejenige, ob der Wortlaut von Art. V Ziff. 1 lit. (e) NYÜ Recognition and enforcement of the award may be refused, at the request of the party against whom it is invoked, only if … the award … has been set aside … by a competent authority of the country in which … that award was made eine "Kann"- oder "Muss"-Vorschrift ist (KG GR Ziffer 8.3.1);

2.  Das NYÜ ist nach den Vorschriften des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge auszulegen. Es wird vom territorial approach (ein Schiedsurteil ist mit der Rechtsordnung des Ursprungsstaates derart verwurzelt, dass es mit der Aufhebung durch ein staatliches Gericht seine rechtliche Existenz verliert) und vom delocalised approach (eine Aufhebung des Schiedsurteils durch ein staatliches Gericht ist für die Vollstreckung irrelevant) gesprochen. Das KG Graubünden verweist auf die Rechtsprechung in verschiedenen Ländern (KR GR Ziffer 8.3.1) und auf die Lehrmeinungen in der Schweiz (KG GR Ziffer 8.3.2.);

3.  Das KG Graubünden kommt zum Schluss, dass dem Schweizer Anerkennungs- und Vollstreckungsgericht kein Ermessensspielraum und damit keine inhaltliche Überprüfung des ausländischen Aufhebungsentscheides zusteht (KG GR Ziffer 8.3.3.), und dass es dem Rechtsöffnungsrichter generell nicht zusteht, den Aufhebungsentscheid auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen, sondern es allein darauf ankommt, ob der Schiedsspruch am Sitz des Schiedsgerichtes verbindlich ist (unter Vorbehalt eines offenkundigen, fremdstaatlichen Rechtsmissbrauchs bzw. "aussergewöhnlicher" Umstände, KG GR Ziffer 8.3.4.);

4.  Das KG Graubünden hat in der Folge auch einen Ordre public Verstoss verworfen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung im Ausland geprüft, z.B. die Urteile im Zusammenhang mit der Enteignung des russischen Ölkonzerns Yukos (KG GR Ziffer 8.4.1.1.). Auch ein Rechtsmissbrauch wurde verneint (KG GR Ziffer 8.4.2.1.).

Der Entscheid KG GR 25.05.2022 kann hier abgerufen werden.

Zitiervorschlag: Felix C. Meier-Dieterle, www.arrestpraxis.ch - update 136 / 18.08.2022

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