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24. April 2024

Arrest auf Krypto-Vermögenswerten / vollstreckungsrechtliche Belegenheit

Update Nr. 156

Das Obergericht Zürich hat sich in einem Urteil vom 23. November 2023 mit der Frage der vollstreckungsrechtlichen Belegenheit von Kryptowährungen (Zahlungs-Token) befasst. Das Urteil betrifft ein Verfahren auf Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets gemäss Art. 167 IPRG. Die Ausführungen sind aber für Arrestverfahren analog anwendbar.

Im Urteil heisst es:

1.
Nach dem Gesagten stellen Zahlungs-Token Vermögenswerte dar, die eher mit Sachen als mit Forderungen zu vergleichen sind. Mit Bezug auf die Frage, wo Zahlungs-Token im Sinne von Art. 167 Abs. 1 IPRG belegen sind, ist den Beschwerdeführern folglich darin zuzustimmen, dass eine analoge Anwendung der Bestimmung über die Belegenheit von Forderungen (Art. 167 Abs. 3 IPRG) nicht sachgemäss erscheint (E. 4.3.).

2.
Unkörperliche Vermögenswerte, wie Forderungen oder eben Zahlungs-Token, können nicht real, sondern nur normativ – im Sinne einer Fiktion – lokalisiert werden. … Für die Belegenheit von Zahlungs-Token ist deshalb ... auf die faktische Zugriffsmöglichkeit abzustellen. Diese wird denn auch in verwandten Konstellationen des internationalen Zwangsvollstreckungsrechts als massgebliches Anknüpfungskriterium für die Lokalisierung von unkörperlichen Vermögenswerten – insbesondere Forderungen – herangezogen (E. 4.5.).

3.
Nach dem Gesagten hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, wer wie auf einen Zahlungs-Token zugreifen kann, wobei Distributed Ledger-Systeme einer laufenden wirtschaftlich-technischen Entwicklung unterworfen sind. Vor diesem Hintergrund ist von einer abschliessenden Aufzählung der zuständigkeitsbegründenden Anknüpfungspunkte abzusehen, also von einer Konkretisierung dessen, wie die faktische Zugriffsmöglichkeit auf einen Zahlungs-Token genau ausgestaltet sein muss, um einen Belegenheitsort im Sinne von Art. 167 Abs. 1 IPRG zu begründen. Eine derartige Konkretisierung liefe Gefahr, lückenhaft zu sein oder aufgrund technischen Fortschritts zu werden und so negative Zuständigkeitskonflikte zu verursachen. Solche Zuständigkeitskonflikte gilt es indessen zu vermeiden (E. 4.7.).

4.
Folglich ist eine zuständigkeitsbegründende Belegenheit von Zahlungs-Token im Kontext von Art. 167 Abs. 1 IPRG immer dann zu bejahen, wenn am Schweizer Gerichtsorts in irgendeiner Form – sei es mittels Anweisung des dort ansässigen Private Key-Inhabers, des Admin Key-Inhabers oder anderweitig – eine faktische Zugriffsmöglichkeit auf sie besteht (E. 4.7.). 

Kommentar:

5.
Diese Ausführungen des Obergerichtes Zürich zu Verfahren auf Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets lassen sich direkt auf Arrestverfahren übertragen, beide Verfahren werden summarisch geführt, die Begründung der Belegenheit der Vermögenswerte ist identisch.

6.
Das Obergericht Zürich betont angesichts der zwangsvollstreckungs-rechtlich schwierig zu bezeichnenden Belegenheit der Krypto-Vermögenswerte bzw. des Zugangs zu derartigen Vermögenswerten zu Recht, dass die "faktische Zugriffsmöglichkeit" auf Zahlungs-Token relevant ist. Im Zwangsvollstreckungsrecht wird z.B. auch bei der Belegenheit von Forderungen eines Schuldners im Ausland im Sinne einer Fiktion auf den Sitz des Drittschuldners abgestellt (BGE 140 III 512 E. 3.5.1.)

7.
Der Arrestgläubiger ist gefordert, im Arrestgesuch diese Zugriffsmöglichkeit glaubhaft zu machen und entsprechend auch das Rechtsbegehren zu formulieren, damit das Gericht dem Betreibungsamt konkrete Anweisungen für den Arrestvollzug erteilen kann.

Das Urteil kann abgerufen werden:

Urteil Obergericht Zürich vom 23.11.2023 (ZR 2024 Nr. 16)

Urteile zu arrestierbaren Vermögenswerten
Urteile zur örtlichen Zuständigkeit 

 

Zitiervorschlag: Felix C. Meier-Dieterle, www.arrestpraxis.ch - update 156 / 24.4.2024

Kategorien: Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Restrukturierung und Insolvenz, Blog

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