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Am 1. Januar 2025 trat der neue Art. 3 Abs. 1 lit. x im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG. SR 241) mit folgendem Wortlaut in Kraft:
"Unlauter handelt insbesondere, wer Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können."
Damit wurde der ohnehin schon stattliche Katalog zur Umschreibung unlauterer Werbe- und Verkaufsmethoden um einen weiteren Buchstaben ergänzt. Art. 3 Abs. 1 UWG zählt damit inzwischen nicht weniger als 23 Konkretisierungen für unlautere Verhaltensweisen.
Entstehungsgeschichte der neuen "Green Marketing" Regulierung
Bevor die neue "Green Marketing" Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. x ihren Eingang ins UWG fand, wurden auf Bundesebene schon mehrfach entsprechende Ideen diskutiert:
- 2021: Die parlamentarische Initiative 21.457 "Stopp dem Greenwashing" forderte im Juni 2021 eine Verschärfung von Art. 3 Abs. 1 lit. i UWG. Die Bestimmung sollte dahingehend ergänzt werden, dass (auch) unlauter handelt, wer über "die CO2-Bilanz oder -Neutralität des Produkts […] oder die Auswirkungen auf das Klima täuscht;". Die Kommission für Rechtsfragen lehnte diese Verschärfung am 2. Februar 2022 ab (s. Kommissionsbericht).
- 2022: Die Interpellation 22.4162 "Gegen irreführende Umweltangaben vorgehen" vom 29. September 2022 wollte vom Bundesrat wissen, wie dieser das UWG angesichts der Greenwashing-Problematik anzupassen gedenke. Der Bundesrat teilte am 16. November 2022 mit, dass das UWG bereits in allgemeiner Weise unrichtige oder irreführende Angaben verbiete. Die Interpellation wurde am 27. September 2024 abgeschrieben.
- 2024: Die Motion 24.3198 "Durch einheitliche Standards irreführende Werbung mit Umweltbezug verhindern" vom 14. März 2024 wollte, dass umweltbezogene Werbeversprechen ('nachhaltig', 'umweltverträglich', 'klimaverträglich', 'ökologisch' etc.) inskünftig nur noch nach staatlich anerkannten Standards verwendet werden dürfen. Der Bundesrat verwies in seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2024 darauf, dass das UWG unrichtige oder irreführende Werbung bereits heute verbiete und bei der Revision des CO2-Gesetzes Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG geschaffen werde.
- 2024: Die Interpellation 24.3315 "Was unternimmt der Bund bei unlauterer Werbung und Greenwashing im Rahmen der Absatzförderung" vom 15. März 2024 forderte vom Bundesrat eine Erklärung, welche Massnahmen gegen Greenwashing bestünden bzw. wann er gedenke solche zu treffen. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort vom 8. Mai 2024 auf den zwischenzeitlich verabschiedeten nArt. 3 Abs. 1 lit. x UWG und nannte keine weiteren Massnahmen, die er zu ergreifen gedenke. Eine weitere Diskussion des Geschäfts wurde verschoben.
Die "Green Marketing" Regulierung in Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG wurde letztlich im Zuge der Revision des CO2-Gesetzes (Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen, SR 641.71) per 1. Januar 2025 eingeführt. Als der Bundesrat am 16. September 2022 seine Botschaft zur Revision des CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2024 präsentierte, enthielt der Gesetzesentwurf allerdings noch keinen Hinweis auf eine Änderung des UWG respektive keinen Vorschlag zur Ergänzung von Art. 3 Abs. 1 UWG mit einem neuen lit. x. Erst im Verlauf der parlamentarischen Debatte zum CO2-Gesetz (22.061) schlug die ständerätliche Kommission am 28. September 2023 eine zusätzliche Änderung des UWG vor und beantragte, Art. 3 Abs. 1 UWG um einen lit. x zu ergänzen (AB 2023 S 1010 f.). Die Formulierung, welche die Kommission vorschlug, entsprach dabei bereits dem späteren Text der Schlussabstimmung vom 15. März 2024.
Vorbestehende Mechanismen zur Regulierung von "Green Marketing"
Der neue Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG qualifiziert nicht belegte bzw. belegbare Angaben in Bezug auf die verursachte Klimabelastung als unlauter. Irreführendes oder täuschendes Marktverhalten untersagt das UWG in seinem Kern schon seit jeher. Das ergibt sich bereits aus der Generalklausel und wird in verschiedensten Tatbeständen weiter konkretisiert.
So handelt beispielsweise unlauter, wer:
- über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke oder Leistungen, deren Preise, die vorrätige Menge, die Art der Verkaufsveranstaltung oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG);
- die Beschaffenheit, die Menge, den Verwendungszweck, den Nutzen oder die Gefährlichkeit von Waren, Werken oder Leistungen verschleiert und dadurch den Kunden täuscht (Art. 3 Abs. 1 lit. i UWG).
- Als unlauter gilt ferner jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst, ist unlauter und widerrechtlich (Art. 2 UWG).
Das UWG bot und bietet damit unabhängig von lit. x diverse Instrumente, um gegen falsche oder täuschende (klimabezogene) Aussagen vorzugehen, sofern diese mindestens objektiv geeignet sind, sich auf den Wettbewerb auszuwirken (vgl. Art. 1 UWG, da andernfalls das UWG gar nicht anwendbar wäre).
Die schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) als Selbstregulierungsorgan der Werbebranche hat sich bereits mehrfach mit klimabezogener Werbung befasst. Die SLK stützt sich bei Ihren Entscheiden auf die von ihr verfassten "Grundsätze, Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation". Im Jahr 2023 veröffentlichte die SLK eine Richtlinie zum Thema Werbung mit Umwelt- oder Klimabezug. Diese Richtlinie kodifiziert die bisherige SLK-"Rechtsprechung". Laut SLK sind umweltbezogene Aussagen "mittels plausibler, nachvollziehbarer und allgemein akzeptierter und anerkannter Methoden" zu beweisen. Sind die Aussagen vage oder unspezifisch, so dass sie verschiedene Bedeutungen haben könnten, müssen diese für jede vernünftigerweise mögliche Bedeutung zutreffend sein.
Von einer Anpassung der Grundsätze nach Einführung von Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG sah die SLK mit der Begründung ab, dass "die bestehenden Rechtsgrundlagen ausreichen, um die Lauterkeit von kommerziellen Kommunikationen mit Umweltbezug prüfen zu können ".
Die Entscheide der SLK sind rechtlich zwar nicht bindend, finden in der Werbe- und Kommunikationsbranche aber Beachtung und werden auch von Gerichten nicht selten berücksichtigt. Während sich die schweizerischen Gerichte soweit ersichtlich bis heute nicht mit lauterkeitsrechtlichen Fragen rund um "Green Marketing" und Greenwashing befassten (obwohl das UWG schon seit jeher Grundlagen für entsprechende Klagen bieten würde, s. dazu oben), erliess die SLK bereits mehrere Entscheide zu dieser Thematik. Es ist davon auszugehen, dass diese Entscheide der SLK auch für die Auslegung des neuen Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG beigezogen werden, weshalb hier kurz auf diese eingegangen werden soll:
"FIFA-Entscheid" (SLK 188/22 vom 10.05.2023)
- Die FIFA bezeichnete die WM in Katar u.a. als "neutre en carbone" und schrieb weiter: "La xxxxxxxx, xxxxxxxx compenseront intégralement les émissions associées à la Coupe du Monde de la xxxxxxxx. Cette compensation inclut également les émissions correspondant aux déplacements, à l’hébergement, à la restauration et aux boissons des détenteurs de billets. Il s’agira donc de la première Coupe du Monde de la xxxxxxxx neutre en carbone"
- Dagegen erhoben verschiedene Parteien aus mehreren Ländern Beschwerde, unter anderem mit der Begründung, die Aussagen seien falsch oder irreführend, auch weil es schwierig bis unmöglich sei, den Einfluss einer Weltmeisterschaft auf die Umwelt zuverlässig festzustellen, erst recht im Voraus. Dem hielt die FIFA entgegen, dass das Geschriebene die tatsächlichen Bemühungen wiedergebe und dass ein ex-post-Report ihre Statements verifizieren werde.
- Die SLK liess das nicht gelten und hielt fest, dass umweltbezogene Aussagen jeweils aktuell zu sein haben. Unklare Aussagen müssten ferner für alle möglichen Interpretationen Gültigkeit haben; alternativ sollte auf solche Aussagen verzichtet werden oder sie seien so zu konkretisieren, dass keine Missverständnisse entstehen können. Die Kernaussage der FIFA, die WM sei CO2-neutral könne nur so stehen gelassen werden, wenn diese gestützt auf anerkannte Messmethoden belegt werden könne, was vorliegend nicht der Fall sei. An dieser Einschätzung vermochte auch ein "ex-ante Report" mit Schätzungen zum CO2-Verbrauch sowie die Zusicherung der FIFA, auch einen allfälligen höheren, nachträglich festgestellten Verbrauch zu kompensieren, nichts zu ändern und die SLK gab den Beschwerden statt.
Green Marketing – Claim "xxxxxxxx Heizöl ist klimaneutral" (SLK 168/23 vom 6.9.2023)
- Das betroffene Unternehmen begründete seinen Claim damit, dass sie durch eigene und externe Umweltschutzprojekte CO2-Emissionen überkompensiere; allerdings ohne hierzu konkrete Angaben zu liefern.
- Das Unternehmen hielt fest, dass die Aussage mit Blick auf das Unternehmen korrekt sei, denn dieses verfüge über das Label "Certified CO2 Neutral by Swiss Climate". Jedes Jahr würden Daten zur CO2-Bilanz erhoben und dann durch eine externe Revisionsstelle überprüft.
- Nach Auffassung der SLK war im vorliegenden Fall für den Durchschnittsadressaten nicht klar, ob bei der Werbeaussage "xxxxxxxx Heizöl ist klimaneutral" das Produkt ("Heizöl") oder die Unternehmung ("xxxxxxxx Heizöl AG") gemeint ist, wobei Klimaneutralität in Bezug auf das Produkt nicht den Tatsachen entspreche.
- Dazu hielt die SLK fest, dass "vage oder unspezifische, für die Umwelt vorteilhafte Aussagen, die für Verbraucher verschiedene Bedeutungen haben können, nur getätigt werden dürfen, wenn sie, ohne Einschränkung, bei jeder vernünftigerweise vorhersehbaren Sachlage gelten". Sei von "klimaneutral" die Rede, so umfasse dies "nach dem Verständnis der Durchschnittsadressaten die Neutralität aller Einflüsse eines Produkts oder einer Unternehmung auf den Klimawandel"; eine blosse CO2-Neutralität, welche die Beschwerdegegnerin geltend machte, reiche hierfür nicht. Die SLK hiess die Beschwerde unter expliziten Hinweis darauf, dass dies selbst dann gelten würde, wenn der Durchschnittsadressat die Aussage auf das Unternehmen beziehen würde, gut.
Green Marketing – Claim "Unsere Gläschen sind klimapositiv" (SLK 169/23 vom 6.9.2024)
- Das betroffene Unternehmen begründete seine Werbeaussage damit, dass durch eigene und externe Umweltschutzprojekte CO2-Emissionen überkompensiert würden (ohne hierzu konkrete Angaben zu liefern).
- Die SLK machte darauf aufmerksam, dass (klimabezogene) Aussagen wie "umweltfreundlich" oder "ökologisch sicher", "grün", "nachhaltig", "CO2-freundlich" etc. hohen Beweisanforderungen unterliegen. Solange keine definitiven, allgemein akzeptierten Methoden zur Messung der Nachhaltigkeit vorliegen, dürfe diese nicht behauptet werden. Das betroffene Unternehmen habe im vorliegenden Fall keine Beweise vorgelegt, welche ihre Aussage bestätigen würden.
- Ferner stellte die SLK erneut fest, dass zwischen "CO2-neutral", "Treibhausgas-neutral", "klimaneutral" oder gar "klimapositiv" unterschieden werden müsse. Sei von "klimaneutral" oder gar "klimapositiv" die Rede, so umfasse dies "nach dem Verständnis der Durchschnittsadressaten die Neutralität aller Einflüsse eines Produkts oder einer Unternehmung auf den Klimawandel bzw. bei "klimapositiv" ein Überschuss an Massnahmen, welche helfen, den Klimawandel zu verlangsamen". Eine blosse Kompensation reiche nicht aus.
Green Marketing – Klimaneutrale Helikopterflüge "Mit uns fliegen Sie 100% klimaneutral" (SLK 170/23 vom 22.11.2023)
- Erneut griff die SLK die Unterscheidung zwischen "CO2-Neutralität" und "Klimaneutralität" auf. Aus den Erklärungen zum Label auf der Webseite des betroffenen Unternehmens sowie aus den vorgelegten Beweismitteln (Kraftstoffverbrauchsrechnungen) ergab sich lediglich eine Berücksichtigung von CO2-Emissionen, aber keinen anderen Treibhausgasen.
- Die SLK erachtete die Werbeaussage daher als irreführend und unrichtig, da nicht vollständig bewiesen.
Green Marketing – "Klimapositiv" als unzulässige Werbeaussage (SLK 108/24 vom 30.04.2024):
- Zu beurteilen war einerseits der Ausdruck "klimapositiv" und andererseits der Slogan "Egal ob du bei Tante Emma Bio-Rüebli kaufst oder Business Class nach Thailand fliegst, deine CO2-Emissionen steigen fortlaufend"
- Die SLK führte aus, dass man unter "klimapositiv" verstehe, dass das konkrete Produkt keine negativen – sondern positive – Auswirkungen auf das Klima habe. Indem das werbende Unternehmen behaupte, es kompensiere durch das Pflanzen von Bäumen 300 kg CO2 pro Baum, liefere es keine "plausiblen und nachvollziehbaren, nach allgemein akzeptierten und anerkannten Methoden vorgenommene Berechnungen aller klimaschädlichen Effekte und deren Kompensationsmassnahmen". In Bezug auf den Begriff "klimapositiv" erachtete die SLK die Werbeaussage daher als problematisch.
- Die Aussage zu den "Biorüebli" fand die SLK dagegen unproblematisch. Sie war der Ansicht, dass mit dieser Aussage klar zum Ausdruck gebracht wird, dass jedes Produkt und jedes Konsumverhalten CO2 erzeugt. Es handle sich dabei nach dem Verständnis der Durchschnittsadressaten weder um einen Vergleich noch um eine Gleichsetzung der erwähnten Produkte.
Was ist neu? Kritische Würdigung von Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG
Während sich die Green Marketing Regulierung bislang lediglich, aber immerhin, aus den allgemeinen Tatbeständen des UWG ableiten liess, wurde mit Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG bewusst eine klimabezogene Bestimmung geschaffen. Unlauter handelt demnach, wer:
- Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen macht, die
- einen Bezug zur verursachten Klimabelastung aufweisen, ohne diese Angaben mittels
- objektiven und überprüfbaren Beleg beweisen zu können.
Während der ausdrücklich erwähnte Klimabezug als solches eine thematische Neuerung darstellt, fällt insbesondere auf, dass lit. x mit dem als unlauter qualifizierten Verhalten konzeptionell von den restlichen Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 UWG abweicht:
Anwendbarkeit und Zweck des UWG
Das UWG ist auf alle Wettbewerbshandlungen anwendbar. Wettbewerbshandlungen sind Handlungen, die objektiv dazu geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinflussen. Aus Sicht des UWG grundsätzlich irrelevant sind daher Aussagen, die nicht dazu führen (können), dass der Markt beeinflusst wird, wie etwa rein ideologische Aussagen (politische Werbung) oder Angaben, die mit Blick auf den Markt vollkommen irrelevant sind, beispielsweise weil diese im rein privaten Umfeld geäussert wurden. Nicht erforderlich ist hingegen ein Wille zu wirtschaftlicher Tätigkeit oder gar eine Absicht zur Beeinflussung des Wettbewerbs. So können auch am Markt nicht direkt beteiligte Dritte, wie z.B. Journalisten, gegen das UWG verstossen.
Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG steht dazu in einem gewissen Spannungsverhältnis. Im Allgemeinen erklärt das UWG "unrichtige oder irreführende" Angaben für unlauter, die bei gegebenem Marktbezug in der Regel als zur Beeinflussung des Wettbewerbs objektiv geeignet angesehen werden können, da sie bspw. die Nachfrage falsch lenken. Im neuen lit. x wird demgegenüber die "objektive und überprüfbare" Belegbarkeit der Angaben in den Fokus der Lauterkeitsbeurteilung gerückt. Der neue Gesetzesartikel suggeriert damit, dass klimabezogene Aussagen per se als unlauter gelten würden, solange ihre Richtigkeit nicht belegt wird. Das blosse Fehlen von Belegen reicht in aller Regel aber nicht aus, um daraus eine objektive Eignung zur Wettbewerbsbeeinflussung abzuleiten. Mit dieser Feststellung einher geht die Frage nach der Kompatibilität dieses neuen Absatzes mit dem Zweck des UWG, lauteren und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (Art. 1 UWG). Was damit genau gemeint ist, ist bis heute nicht abschliessend geklärt.
Während einige Lehrmeinungen (mindestens auch) auf die Geschäftsmoral abstellen (und damit etwas vereinfacht formuliert darauf, ob ein Verhalten "anständig" ist), sehen andere den Zweck des UWG (ausschliesslich) darin, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu schützen. Wahre, nüchterne und unmissverständliche Aussagen sind in aller Regel weder geschäftsmoralisch fragwürdig noch taugen sie dazu, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil tragen solche Aussagen zur Markttransparenz bei, die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich wünschenswert ist. Der neue lit. x bezeichnet nun aber Aussagen schon dann als unlauter, wenn sie sich nicht im geforderten Mass belegen lassen und qualifiziert damit auch Aussagen als unlauter, die grundsätzlich richtig sind (aber nicht ausreichend belegt werden können).
Umkehr der Beweislast?
Lit. x verlangt, dass klimabezogene Angaben gestützt auf eine "objektive und überprüfbare Grundlage" belegt werden können und fixiert damit für umweltbezogene Angaben faktisch eine Beweislastumkehr. Dem Wortlaut nach, muss nach lit. x nicht einmal plausibel gemacht werden, dass eine Aussage irreführend oder täuschend ist, um einen Beweis für die Richtigkeit der Aussage zu verlangen. Die Möglichkeit, im Einzelfall die Beweislast umzukehren und "vom Werbenden den Beweis für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen [zu] verlangen" sah das UWG vor der neusten Revision nur dann vor, wenn eine Interessenabwägung eine solche Beweislastumkehr angezeigt erscheinen liess (Art. 13a UWG). Diese Möglichkeit bestand bis anhin allerdings nur im Zivilverfahren; für lit. x scheint nun aber sogar im Strafverfahren eine Beweislastumkehr zu gelten. Nach Art. 23 Abs. 1 UWG kann nun mit einer Freiheits- oder Geldstrafe bestraft werden, wer vorsätzlich Angaben in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht und diese nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegen kann.
Das geforderte Beweismass wiederum wird vom Gesetzeswortlaut selbst nicht konkretisiert. Welche Belege für eine "objektive und überprüfbare" Grundlage ausreichen, konkretisiert das Gesetz nicht. Auch den Materialien lassen sich kaum sachdienliche Hinweise entnehmen, da lit. x ohne nennenswerte Diskussionen während der parlamentarischen Debatte hinzugefügt wurde. Fraglich ist somit beispielsweise, welchen wissenschaftlichen Meinungen und Einschätzungen die geforderte Objektivität und Überprüfbarkeit zugestanden werden kann und soll (und welchen nicht). Diese Frage wird spätestens dann von besonderer Relevanz sein, wenn in der Wissenschaft unterschiedliche Lehrmeinungen oder Berechnungsmodelle anzutreffen sind. In der Praxis dürfte insbesondere relevant sein, unter welchen Voraussetzungen Klimalabels das geforderte Beweismass zu erfüllen vermögen. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich dazu immerhin folgendes sagen: Zentral ist, dass sich die Qualifikationskriterien des Labels auf objektivierbare, wissenschaftliche Grundlagen stützen und diese sowie deren Einhaltung vom betroffenen Unternehmen auch bewiesen werden kann. Ferner darf das Label (auch in der konkreten Verwendung durch das Unternehmen) für den Durchschnittsabnehmer nicht irreführend oder missverständlich sein.
Spannungsverhältnis zu den Berichterstattungspflichten?
Im Zuge des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative sind grosse börsenkotierte Unternehmen nach Schweizer Recht seit dem Geschäftsjahr 2023 verpflichtet, im Rahmen ihrer Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange zu informieren (s. Art. 964a ff. OR). Die Berichterstattung umfasst auch Angaben über gewisse umweltrelevante Themen; so insbesondere über Klimabelange. Die Berichterstattung über Klimabelange wird in der Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange (KlimaVo, SR. 221.434) konkretisiert und verlangt von den betroffenen Unternehmen die Angabe diverser klimabezogener Kennzahlen (i.e. quantitative CO2-Ziele, Angabe sämtlicher Treibhausgasemissionen, Angabe über die unternehmenseigene Klimastrategie, das Risikomanagement und die Klima-Governance). Sind Schweizer Unternehmen im Europaraum tätig, können ähnliche Berichterstattungspflichten gestützt auf die europäische Corporate Sustainabiliy Reporting Directive (CSRD) Anwendung finden. Diese Pflicht zur Berichterstattung über klimabezogene Themen steht daher in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zu den Anforderungen und insbesondere dem hohen Beweismass von Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG. Wie beispielsweise soll die unternehmenseigene Klimastrategie "objektiv und überprüfbar" belegt werden? Wann gilt ein Risikomanagement als belegt? Welche wissenschaftliche Methode zu Bemessung der Treibhausgasemissionen genügt den gesetzlichen Anforderungen des UWG (und welche nicht)? Eine Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG auf sämtliche Aspekte der Berichterstattungspflichten über nichtfinanzielle Klimabelange ist daher kritisch zu beurteilen.
Konsequenzen eines Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG
Das UWG stellt zur Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften mehrere zivilrechtliche Instrumente zur Verfügung. Gleichzeitig schafft es die rechtliche Grundlage für verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen. Mit Aufnahme von lit. x in den Tatbestandskatalog von Art. 3 UWG sind – zumindest potentiell – erhebliche Konsequenzen für die Unternehmen verbunden, denn Verstösse können sowohl zivil- (Art. 9 ff. UWG), als auch strafrechtlich verfolgt werden (23 Abs. 1 UWG).
- Zivilrechtlich kann insbesondere auf Unterlassung, Beseitigung oder Feststellung der Widerrechtlichkeit eines unlauteren Verhaltens geklagt werden (Art. 9 Abs. 1 UWG). Darüber hinaus kann nach Massgabe des Obligationenrechts auch Schadenersatz, Genugtuung oder Gewinnherausgabe verlangt werden (Art. 9 Abs. 3 UWG). Die zivilrechtlichen Ansprüche stehen insbesondere Mitbewerbern (Art. 9 UWG) und Kunden sowie gegebenenfalls Berufs- und Wirtschaftsverbänden (Art. 10 UWG) zu.
- Strafrechtlich drohen gemäss Art. 23 UWG bei unlauterem Verhalten eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe (laut Art. 34 StGB bis max. CHF 540'000). Es kann zusätzlich eine Verbindungsbusse bis CHF 10'000 verhängt werden (Art. 42 Abs. 4 i.V.m. Art. 106 StGB). Bedingung ist ein vorsätzlich unlauteres Wettbewerbsverhalten; Fahrlässigkeit ist nicht strafbar. Die Strafverfolgung erfolgt nicht von Amtes wegen, sondern ausschliesslich auf entsprechenden Strafantrag hin. Antragsberechtigt sind sämtliche Personen (i.e. Mitbewerber und Kunden, ggf. auch der Bund), denen auch die Zivilklagen nach Art. 9 UWG zur Verfügung stehen.
Fazit
Die Einführung des Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG hinterlässt derzeit noch viele offene Fragen, die letztlich die Gerichtspraxis klären muss. Wichtige Auslegungs- und Interpretationshilfe werden dabei auch weiterhin die Entscheide der SLK sein; darüber hinaus erstellt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine Vollzugshilfe (erwartet Sommer 2025, bisher allerdings nicht erschienen), die ebenfalls Orientierungshilfe geben soll.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die potentiell erheblichen Konsequenzen empfiehlt es sich jedenfalls, das Bewusstsein für die "Green Marketing" Vorschriften zu schärfen und geeignete Massnahmen zu ergreifen, um einem Verstoss vorzubeugen.
Will (oder muss) ein Unternehmen umweltbezogene Angaben zu sich oder seinen Produkten machen, sollte es sich insbesondere die folgenden Fragen stellen:
1. Sind Kommunikationstätigkeiten eines Unternehmens betroffen ("Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen")?
- Werbung und Marketingangaben
- (sachliche) Produktbeschreibungen inkl. Verwendung von (Klima-)Labels
- Angaben über das Unternehmen an sich (Homepage, Unternehmenskommunikation)
- Geschäftsberichte, insb. auch Nachhaltigkeitsberichterstattung (Art. 964a OR, CSRD etc.)
2. Werden darin umweltbezogenen Angaben gemacht? ("in Bezug auf die verursachte Klimabelastung")? Wenn ja, ist für den Durchschnittsadressaten klar, worauf sich eine Angabe (inkl. Klimalabel) konkret bezieht, d.h. auf welches Produkt, welchen Unternehmensteil etc.)? Kritisch sind mit Blick auf die Entscheide der SLK bspw. folgende Formulierungen:
- Nachhaltig
- CO2-neutral, -frei, -reduziert)
- Klimaneutral/klimapositiv
- Grün
3. Welcher Beleg besteht für die Angabe (belegt durch "objektive und überprüfbare Grundlage")?
- Gründen die Angaben auf einem (wissenschaftlichen) Beleg?
- Stützt sich der Beleg auf belastbare Fakten?
- Sind die Quellen verlässlich und die Resultate reproduzierbar?
- Gibt es auch Grundlagen oder Quellen, welche den vom Unternehmen gemachten Angaben widersprechen?
Sonderfall Klimalabels: Ein Klimalabel taugt nicht per se als ausreichender Beleg. Vielmehr gilt vor deren Nutzung zu prüfen,
- worauf es sich bezieht;
- ob der Durchschnittsadressat das Label richtig versteht;
- ob die Labelkriterien auf einer nachweisbaren (wissenschaftlichen) Grundlage erstellt und geprüft wurden und ob für deren Einhaltung ein Nachweis erbracht werden kann.
Autorinnen: Nicole Ritter, Barbara Meier

