
Die meisten Personen, die regelmässig mit digitalen Geräten arbeiten, haben KI-Anwendungen bereits genutzt, um Output - etwa einen Titel für einen Blogbeitrag – zu generieren. Damit die KI-Anwendung das kann, muss das zugrundeliegende Modell vorab mit grossen Datenmengen - darunter oft auch urheberrechtlich geschützte Inhalte – trainiert werden. In diesem Beitrag Nr. 10 unserer KI-Blog-Serie gehen wir der Frage nach, ob urheberrechtlich geschützte Werke für das Training von KI-Modellen genutzt werden dürfen, welche Konsequenzen es hat, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk im von einer KI-Anwendung generierten Output noch erkennbar ist und bei wem – dem Anbieter oder dem Nutzer – die Verantwortung liegt.
Die aktuelle Debatte um KI und Urheberrecht
KI-Anwendungen generieren viele neue Inhalte, benötigen dafür aber auch eine enorme Menge an Inhalten. Aus urheberrechtlicher Sicht stellen sich die folgenden zentralen Fragen:
- Dürfen urheberrechtlich geschützte Werke ohne ausdrückliche Zustimmung des Rechteinhabers für das Training von KI-Modellen und die Generierung von Output verwendet werden?
- Wie ist damit umzugehen, wenn in einem von einer KI-Anwendung generierten Werk ein bereits bestehendes, urheberrechtlich geschütztes Werk erkennbar ist?
Weil sich in diesem Kontext neue Rechtsfragen stellen und der vertragliche und technische Setup vielschichtig sein kann, ist eine pauschale Antwort auf diese Fragen oft nicht möglich. Es gilt somit in der Praxis zu beurteilen, welche Akteure welches urheberrechtliche Risiko im Umgang mit KI-Anwendungen tragen. Dazu sind die Rollen und Verantwortlichkeiten der involvierten Parteien zu erkennen und abzugrenzen. Sind diese definiert, sind die entsprechenden Handlungen in den urheberrechtlichen Kontext zu stellen. Bei unserer Analyse beschränken wir uns auf das Schweizer Recht.
Das Wichtigste in Kürze
- Es gilt zwischen der Verantwortlichkeit der Anbieter und der Nutzer von KI-Anwendungen zu unterscheiden.
- Anbieter dürfen für das Training von KI-Modellen urheberrechtlich geschützte Inhalte von Dritten nur dann verwenden, wenn sie dafür eine (implizite) Lizenz haben oder sich auf eine Schrankenbestimmung des Urheberrechts stützen können. Die Schranke des betrieblichen Eigengebrauchs kann insbesondere dann hilfreich sein, wenn nicht im Handel erhältliche Werkexemplare verwendet werden, wie dies bei vielen Inhalten, die frei im Internet verfügbar sind, der Fall ist. Die Wissenschaftsschranke kann im Rahmen der akademischen und der kommerziellen Forschung die Nutzung ohne Zustimmung des Urhebers erlauben.
- Die Verwendung von öffentlich zugänglich gemachten Inhalten kann von einer impliziten Zustimmung des Rechteinhabers gedeckt sein, wenn dieser keine einschränkenden Hinweise (z.B. Nutzungsbedingungen, etc.) macht und aus dem Kontext nicht ersichtlich ist, dass die Nutzung auf den reinen Konsum des Inhalts beschränkt ist. Auf diese implizite Zustimmung kann nur solange zurückgegriffen werden, bis der Inhaber der Rechte diesbezüglich eine explizite Aussage trifft (z.B. eine Abmahnung).
- Für Trainings ausländischer Anbieter, die ihre KI-Modelle im Ausland trainieren, findet das Urheberrecht der Schweiz grundsätzlich keine Anwendung – ausser, wenn der vom Nutzer provozierte Output nach Schweizer Recht das Urheberrecht eines Dritten verletzt. Ein "Copyright Shopping" für das Training von KI-Modellen ist somit grundsätzlich möglich. Die EU schiebt dem mit dem AI Act einen Riegel vor; unter diesem sind die Regeln des EU-Urheberrechts auch dann einzuhalten, wenn das Training ausserhalb der EU erfolgt.
- Nutzer können normalerweise kein Urheberrecht an mit Hilfe von KI-Anwendungen generierten Inhalten ("Outputs") beanspruchen.
- Dieser Output kann das Urheberrecht von Dritten verletzen. Solange der Nutzer den Output nur intern verwendet (interner Eigengebrauch), liegt oft keine Urheberrechtsverletzung vor. Macht der Nutzer den Output, der in den Schutzbereich eines urheberrechtlich geschützten Werkes fällt, aber Dritten zugänglich, so ist von einer Urheberrechtsverletzung auszugehen – auch wenn der Nutzer keine Kenntnis von der Verletzung hat.
- Solange der Nutzer von der Urheberrechtsverletzung keine Kenntnis hat und diese auch nicht erkennen müsste, besteht sein Risiko primär darin, dass ein Urheber von ihm verlangen kann, die Nutzung einzustellen (negatorische Ansprüche). Schadenersatzansprüche kommen erst bei einem Verschulden in Frage, also wenn der Nutzer mindestens wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass durch seinen Output oder dessen konkrete Nutzung das Urheberrecht eines Dritten verletzt wird.
Rollen bei der Nutzung von KI-Anwendungen
Die meisten Personen, die regelmässig mit digitalen Geräten arbeiten, haben KI bereits genutzt, bspw. zum Verfassen von E-Mails oder anderen Texten, als Übersetzer, zum Erstellen von Bildern oder Filmen oder gar eines Musikstücks. Mittels eines geschriebenen Befehls (sog. Prompt) wird der KI-Anwendung mitgeteilt, was sie tun soll, z.B. "Erstelle einen kurzen, prägnanten Titel zum Thema KI und Urheberrecht". Das Ergebnis, sofern passend, wird vom Nutzenden dann als Titel für einen Blogbeitrag genutzt.
Damit KI-Anwendungen solche Outputs überhaupt generieren können, muss das zugrundeliegende Modell vorab trainiert werden. Dies geschieht in den meisten Fällen mit einer Vielzahl von Trainingsdaten, in denen das KI-Modell Muster erkennt. Gestützt auf diese Muster und den Prompts generiert die KI-Anwendung dann einen Output. Im abstrakten Sinne sind also zwei Rollen zu unterscheiden: Die des Nutzers, welcher eine KI-Anwendung für seine Zwecke nutzt und die des Anbieters, welcher das KI-Modell trainiert und die KI-Anwendung betreibt, also letztlich dem Nutzer zur Verfügung stellt.
Für den vorliegenden Blogbeitrag fasst der Begriff des Anbieters diejenige Seite zusammen, die über die Funktionsweise und den Input bzw. die Art des Input-Sammelns entscheidet, exklusive der vom Nutzer verwendeten Prompts. Vom Begriff des Anbieters sind für die Zwecke dieses Beitrags damit all diejenigen, die das KI-Modell entwickeln, trainieren und die KI-Anwendung zur Nutzung bereitstellen quasi in Personalunion erfasst. Demgegenüber gilt als Nutzer jede Person, die die bereits funktionierende und von einem Dritten (dem Anbieter) zur Verfügung gestellte KI-Anwendung für eigene Zwecke nutzt und durch Prompts Outputs von der KI-Anwendung provoziert.
Schon aus dieser Abgrenzung wird deutlich, dass in der Praxis weitere Differenzierungen notwendig sein werden, um im konkreten Fall die Verantwortlichkeiten zu eruieren: Entwicklung und Training des KI-Modells sowie Betrieb und Angebot der KI-Anwendung werden regelmässig nicht durch ein und dieselbe juristische oder natürliche Person erfolgen. Auch auf Seiten des Nutzers kann die Rolle auf mehrere Stationen verteilt sein, bspw. wenn ein Unternehmen ein KI-Modell für die eigene Nutzung einkauft und Mitarbeitenden eine KI-Anwendung zur Verfügung stellt. Denkbar ist auch, dass Angebot und Nutzung durch die selbe Person erfolgt, z.B. wenn eine KI-Anwendung für interne Prozessoptimierung entwickelt und eingesetzt wird.
Urheberrechtlicher Rahmen für Anbieter von KI-Anwendungen
Anbieter von KI-Anwendungen müssen das ihr zugrundeliegende Modell trainieren, damit bei einem Prompt des Nutzers das erwartete Ergebnis generiert werden kann. Qualität und Quantität der Trainingsdaten sind dabei von entscheidender Bedeutung. Nicht selten wird dabei auf im Internet vorhandenes Text- oder Bildmaterial zurückgegriffen. Um an möglichst grosse Datenmengen zu gelangen, wird oft sog. Scraping- oder Crawling-Software eingesetzt, die Inhalte aus dem Web automatisiert zusammenträgt. Aber auch Daten aus anderen Quellen, die ursprünglich nicht für den Zweck des Trainings von KI-Modellen erstellt wurden (z.B. ein Dokumentenmanagementsystem eines Unternehmens) können für das Training von KI sehr interessant sein. Sind diese Inhalte urheberrechtlich geschützt, stellt sich die Frage, ob deren Nutzung für das Training von KI-Anwendungen zulässig ist (zu dieser Frage ausführlich auch der kürzlich erschienene Aufsatz von Sandra Marmy-Brändli und Isabelle Oehri, "Das Training künstlicher Intelligenz", in der sic! 2023).
Die Vorgaben des Urheberrechts sind diesbezüglich relativ strikt: Dem Urheber steht das ausschliessliche Recht zu, zu bestimmen ob, wann und wie das Werk verwendet wird (Art. 10 Abs. 1 URG; sog. "Ausschliesslichkeitsrecht"). Dazu gehört insbesondere auch das Vervielfältigungsrecht (Art. 10 Abs. 2 lit. a URG). Dies umfasst die Erstellung von physischen und digitalen Kopien.
Für das Training von KI-Modellen werden die gesammelten Trainingsdaten in der Regel abgespeichert und das Werk somit vervielfältigt. Will der Anbieter also geschützte Inhalte rechtmässig für das Training seines KI-Modells nutzen und gilt dies – wie mehrheitlich vertreten – nicht als "Werkgenuss", muss er sich auf eine gesetzliche Ausnahme oder die Zustimmung des Rechteinhabers stützen können (sog. Lizenz).
Das Schweizer Urheberrecht beschränkt das Ausschliesslichkeitsrecht in gewissen Bereichen durch sog. Schrankenbestimmungen, um den Interessen der Allgemeinheit Rechnung zu tragen, bspw. besteht ein übergeordnetes Interesse daran, Werke für die Wissenschaft und Bildung nutzen zu können, oder daran, dass Werke zum persönlichen Gebrauch verwendet werden dürfen. Deswegen steht es z.B. jedem frei, für den privaten Eigengebrauch Buchkapitel oder ganze Bücher zu kopieren.
Die Schranken sind unterschiedlich ausgestaltet, haben aber alle gemein, dass sie die Nutzung ohne Zustimmung des Urhebers zulassen. Gewisse Schranken erlauben dem Nutzer die – im Rahmen der Schranke – freie und kostenlose Verfügung über das Werk (so bspw. der gerade erwähnte private Eigengebrauch). Andere erlauben die Nutzung ohne Zustimmung des Urhebers, aber nicht ohne Entgelt (gesetzliche Lizenz), beschränken nur die Ausübung der Rechte, nicht aber den eigentlichen Inhalt des Urheberrechts (kollektive Verwertung) oder verpflichten den Rechteinhaber quasi zum Einräumen einer Lizenz (Zwangslizenz).
Im Kontext des Trainings von KI-Modellen kommen unseres Erachtens insbesondere die folgenden Schranken in Frage: (i) die Schranke für den betriebsinternen Gebrauch, (ii) die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen und (iii) die Wissenschaftsschranke.
Die Schranke des betriebsinternen Gebrauchs (Art. 19 Abs. 1 lit. c URG) erlaubt das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben für die interne Information oder Dokumentation, wobei diese Vervielfältigungen auch durch Dritte vorgenommen werden dürfen (sog. "gesetzliche Lizenz"). Das Vervielfältigungsrecht erfährt allerdings bedeutende Einschränkungen, so deckt die Schranke bspw. nicht die (weitgehend) vollständige Vervielfältigung von im Handel erhältlichen Werkexemplaren (Art. 19 Abs. 3 lit. c URG). Ferner ist die Vervielfältigung im beschriebenen Rahmen zwar erlaubt, untersteht aber einer Vergütungspflicht nach dem GT 8 (Vergütung für das gesetzliche Verbreiten und Zugänglichmachen von Werken in Verwaltungen und Unternehmen).
Die Schranke des betrieblichen Eigengebrauchs deckt dann das Training von KI-Modellen nicht mehr ab, wenn das Training und damit die Vervielfältigung der Inhalte nicht (nur) der internen Information oder Dokumentation dient (damit ist die Sammlung und Aufbewahrung sowie die Weitergabe von Wissen innerhalb derselben Organisation gemeint). Wie weit dieser interne Zweck geht, ist nicht abschliessend geklärt. Nach einer strengen Lesart ist dieser interne Zweck bereits dann überschritten, wenn das Training des KI-Modells mit der Absicht erfolgt, die Anwendung ausserhalb der eigenen Organisation zur Nutzung anzubieten, weil dadurch der kommerzielle Aspekt in den Vordergrund rückt. Dem ist entgegen zu halten, dass auch jede betriebsinterne Nutzung einen gewissen kommerziellen Zweck erfüllt. Selbst wenn Inhalte vorderhand zur Information und Weiterbildung der Angestellten verwendet werden, wird damit regelmässig (mindestens) ein positiver Einfluss auf Geschäftsbetrieb bezweckt. Wird den Mitarbeitenden einer Anwaltskanzlei relevantes Fachwissen in Gestalt von Auszügen aus wissenschaftlicher Literatur zur Verfügung gestellt, geschieht dies i.d.R. nicht zum privaten Vergnügen oder zu Ablagezwecken, sondern um die Mitarbeitenden auf dem neusten Stand zu halten und so eine kompetente und schnelle Beratung von Klienten zu ermöglichen. Die Mitarbeitenden analysieren und verarbeiten die erhaltene Information, um einen entsprechenden Output zu generieren. Ähnlich, wie dies die KI tut.
Die Schranke des betriebsinternen Gebrauchs ist sicher spätestens dort nicht mehr anwendbar, wo sich das zu Trainingszwecken kopierte Werk sich aus irgendwelchen Gründen im Output der KI-Anwendung wiederfindet und dieser Output und damit das Werk Personen ausserhalb der Organisation zur Verfügung gestellt wird – also von Personen ausserhalb der Organisation als solches wahrgenommen werden kann. In diesem Fall dient der urheberrechtlich relevante Vervielfältigungsvorgang klar nicht mehr der internen Information und Dokumentation, sondern dient ganz direkt der Leistung an einen Dritten.
Damit Werke in digitaler Form überhaupt genutzt werden können, ist häufig eine (Zwischen-)Speicherung erforderlich, bspw. im Arbeitsspeicher. Um dies ohne Zustimmung des Urhebers zu ermöglichen, wurde die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen (Art. 24a URG) eingeführt. Dieser erlaubt (i) eine flüchtige oder begleitende Vervielfältigung, wenn sie (ii) einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellt (iii) ausschliesslich der Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder einer rechtmässigen Nutzung dient; und (iv) keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat.
Die Speicherung der gesammelten Trainingsdaten erfolgt in der Regel weder flüchtig noch begleitend. Auch wird die Speicherung regelmässig nicht ausschliesslich der Übertragung dienen. Die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung ist bei der Verwendung zum Training von KI-Anwendungen spätestens dann gegeben, wenn durch das Anbieten der KI-Anwendungen und damit die Ermöglichung eines bestimmten Outputs die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Werkes beeinträchtigt wird.
Nach unserer Einschätzung erlaubt Art. 24a URG in seiner aktuellen Fassung in vielen Fällen keine Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken zu Trainingszwecken.
Die Wissenschaftsschranke (Art. 24d URG) erlaubt die Vervielfältigung von Werken zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung vergütungsfrei. Auch die Speicherung im Anschluss ist zu Sicherungs- und Archivierungszwecken zulässig. Weitere Verwendungen sind von der Schranke aber nicht gedeckt. Mit der Wissenschaftsschranke soll die automatisierte Datenauswertung erleichtert werden. Sie greift dann, wenn die Vervielfältigung durch die Anwendung eines technischen Verfahrens bedingt ist, d.h. wenn die Vervielfältigung erforderlich ist, um ein bestimmtes technisches Verfahren überhaupt durchführen zu können. Vorausgesetzt ist ferner, dass zu den entsprechenden Werken ein rechtmässiger Zugang entsteht. Dies ist bei Werken, die vom Inhaber im Internet frei zur Verfügung gestellt werden, genauso der Fall, wie bei ordnungsgemäss geliehenen oder gekauften Werken (sofern es sich dabei nicht um Raubkopien handelt). Hauptzweck der Vervielfältigung muss die wissenschaftliche Forschung sein. Darunter ist gemäss Botschaft zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 22. November 2017, S. 628 "die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen innerhalb verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und über deren Grenzen hinweg" gemeint. Auch kommerzielle Forschung ist von der Schranke erfasst.
Die Vervielfältigung im Rahmen des Trainings eines KI-Modells ist durch ein technisches Verfahren bedingt und auch ein rechtmässiger Zugang ist bei vielen Inhalten gegeben. Somit scheint grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass einzelne Anbieter von KI-Anwendungen sich auf diese Schranke stützen können, bspw. wenn das zugrundeliegende Modell die eingespeisten Daten automatisiert zu Forschungszwecken auswertet oder analysiert. Anders dürfte es sich aber verhalten, wenn die Inhalte nur fürs Training des KI-Modells gespeichert werden mit dem Ziel, die Performance der Anwendung zu verbessern oder für den Nutzer (primär kommerziell) nutzbaren Content zu generieren. Die Wissenschaftsschranke kann eine Vervielfältigung durch den Anbieter also in gewissen Fällen abdecken.
Die Schrankenbestimmungen ermöglichen die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training von KI-Modellen ohne Zustimmung des Urhebers also nur in bestimmten Fällen; sie gewähren also keinen urheberrechtlichen Blankocheck.
Kann sich ein Anbieter nicht auf eine Schrankenbestimmung berufen, ist er auf die Zustimmung des Urhebers angewiesen. In der Praxis erteilt ein Urheber die Zustimmung in die Nutzung seines Werks oft mittels eines schriftlichen Lizenzvertrages; zwingend ist das allerdings nicht. Das geltende Urheberrecht kennt in dieser Hinsicht keine Formvorschriften, d.h. der Urheber kann grundsätzlich auch konkludent oder implizit zustimmen.
Die implizite Zustimmung ist insbesondere für die Nutzung von im Internet frei zugänglichen Inhalten relevant. Wer Inhalte im Netz verfügbar macht, wird heute damit rechnen, dass diese durch Dritte konsumiert und in gewissem Rahmen auch genutzt werden.
Von einer impliziten Zustimmung kann dann ausgegangen werden, wenn der Urheber das Werk für die Verwendung (und nicht nur den blossen Konsum) online verfügbar macht, ohne dies aber ausdrücklich zu erwähnen. Sind dagegen Schutzrechtsvermerke angebracht oder findet sich in den AGB oder den Nutzungsbedingungen ein Verbot von Nutzungen über den Konsum hinaus, fällt eine implizite Zustimmung ausser Betracht.
Das Abstützen auf eine implizite Einwilligung des Urhebers kommt bspw. dann in Frage, wenn die KI-Anwendung, die mit diesen Werken trainiert wurde, den gleichen Zweck erfüllt, den auch die Veröffentlichung der Werke im Internet durch den Urheber erfüllen sollte. Bei Unterlagen, die generell der Information der Öffentlichkeit dienen, wie bspw. Informationsbroschüren von Ämtern oder NGOs, dürfte dies bspw. der Fall sein; die KI-Anwendung verschafft dieser Information lediglich eine grössere Reichweite – die Interessen von Rechteinhaber und Trainer des KI-Modells sind in diesem Fall gleichgerichtet. Das verhält sich anders, wenn der Urheber seine Werke mit dem Ziel öffentlich stellt, diese direkt oder in einem zweiten Schritt kommerziell so zu verwerten, wie es auch mit der KI-Anwendung beabsichtigt ist.
Von einer impliziten Zustimmung kann zudem immer nur solange ausgegangen werden, bis der Rechteinhaber diesbezüglich eine explizite Aussage tätigt. Wird gestützt auf eine implizite Einwilligung ein Werk genutzt und der Rechteinhaber stellt klar, dass er mit dieser Nutzung nicht einverstanden ist, hat diese zu unterbleiben.
Das Abstellen auf eine implizite Einwilligung des Urhebers ist somit aufgrund der grossen Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall kein Allheilmittel, wird aber in der Praxis gerade bei Inhalten ohne wesentlichen kommerziellen Wert an Relevanz zunehmen.
Stellt ein Urheber fest, dass sein Werk ohne seine Zustimmung für das Training vom KI-Modell verwendet wurde, so kann er zivilrechtlich gegen den Anbieter vorgehen. Er kann bspw. verlangen, dass die Verletzung nicht mehr andauert oder zukünftig nicht mehr stattfindet (sog. negatorische Ansprüche). Der Rechteinhaber kann völlig unabhängig vom Output die Entfernung seines Werkes aus dem Trainingsdatensatz verlangen (ob er auch die Löschung des Modells verlangen kann, ist eine andere Frage, weil hierfür gezeigt werden müsste, dass das Werk als solches im Modell noch enthalten ist und als solches verwendet wird). Erfolgte die Urheberrechtsverletzung fahrlässig oder vorsätzlich, können zusätzlich Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche gestellt werden (sog. reparatorische Ansprüche).
Bei Vorsatz sind auch strafrechtliche Konsequenzen möglich. Strafbar macht sich also nur, wer die Tat "mit Wissen und Willen" begeht. Erfolgt die Verletzung gewerbsmässig, werden die Urheberrechtsverletzungen nicht nur auf Antrag verfolgt, sondern von Amtes wegen. Anbieter von KI-Anwendungen tun also gut daran, nicht bewusst und systematisch Urheberrechte von Dritten zu verletzen. Dies kann z.B. durch Implementierung von angemessenen internen Richtlinien geschehen.
Urheberrechtlicher Schutz für Output von KI-Anwendungen?
Unabhängig der Frage, welche Werke für das Training von KI-Modellen durch den Anbieter verwendet werden dürfen, ist für Nutzer von KI-Anwendungen relevant, welche eigenen Rechte und Risiken sich aus urheberrechtlicher Sicht ergeben, wenn der Nutzer Inhalte durch KI-Anwendungen erstellen lässt. Es ist zunächst zu klären, ob der Nutzer Dritte von der Verwendung des Werks ausschliessen kann, er also ein Urheberrecht am Inhalt geltend machen kann.
Urheberrechtlichen Schutz geniessen geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. Am Kriterium der geistigen Schöpfung wird es bei durch KI geschaffenen Werken regelmässig fehlen, da die Inhalte nicht durch die Kreativität eines Menschen geschaffen werden, sondern durch ein analytisches, rein technisches Verfahren. Denkbar wäre eine Erfüllung dieses Kriteriums allenfalls dann, wenn eine KI-Anwendung als Hilfsmittel im Sinne eines Werkzeugs zur Erreichung des Ergebnisses verstanden wird, also nur der Umsetzung der vom Menschen gemachten Vorgaben dient, ähnlich einer Fotokamera. Eine solche Nutzung von KI-Anwendungen scheint zwar nicht absolut ausgeschlossen, wird aber nur sehr selten vorliegen. Damit der Output der Kreativität des Nutzers (und nicht der KI) zugeschrieben werden kann, muss der kreative Gehalt des Outputs im Prompt enthalten sein. Denkbar wäre eine solche Nutzung als blosses Werkzeug allenfalls bei Übersetzungstools, wenn der Nutzer einen selbst verfassten Text einspeist und diesen dann übersetzen lässt.
Der KI selbst das Urheberrecht zuzuschreiben erscheint aufgrund des Kriteriums der geistigen Schöpfung zumindest nach Schweizer Recht als ausgeschlossen. Auch jene Personen, welche die KI entwickelt haben, werden keinen derart konkreten Einfluss auf den Output haben, als ihnen die Urheberschaft am Output zugerechnet werden kann.
Von KI generierte Inhalte sind also nach aktueller Rechtslage in der Schweiz urheberrechtlich nicht geschützt, ausser wenn der Output die geistige Schöpfung des Prompts des Nutzers wiederspiegelt. Somit haben Nutzer von KI-Anwendungen zumindest aus urheberrechtlicher Sicht keine Handhabe, um die Verwendung des gleichen Inhalts durch einen Dritten zu verhindern.
Können Nutzer von KI-Anwendungen Urheberrechte Dritter verletzen?
In der Praxis wichtiger als die Frage, ob der Output einer KI-Anwendung urheberrechtlich geschützt ist, ist jene, inwiefern durch die Generierung und Nutzung von KI-generierten Inhalten Urheberrechte Dritter verletzt werden.
Der Urheber eines Werks darf, unter Ausnahme der Schrankenbestimmungen, bestimmen ob, wann und wie das Werk verwendet werden darf. Der Urheber darf insbesondere die Schaffung eines Werks zweiter Hand verbieten. Als Werk zweiter Hand gilt ein Werk, in dem die Individualität des Erstwerks noch erkennbar ist.
Da durch die Nutzung einer KI-Anwendung die Trainingsdaten wohl nicht nochmals kopiert werden (da solche im Modell selbst nicht enthalten sind), limitiert sich das urheberrechtliche Risiko eines Nutzers primär auf den Fall, dass im Output der KI-Anwendung ein Erstwerk noch erkennbar ist. Dieses Risiko besteht aber ohnehin und unabhängig davon, ob das Werk von Menschen erstellt oder durch KI-Anwendungen generiert wurde. Allfällige Urheberrechtsverletzungen, die beim Training des KI-Modells begangen werden, können dem Nutzer hingegen nicht angerechnet werden.
Während bei der Verletzung des Urheberrechts durch das Training von KI-Modellen der Kreis der möglichen Verantwortlichen meist klar eingrenzbar ist (es ist der Anbieter), kommt bei der unzulässigen Verwendung von Output neben dem Nutzer (als Haupttäter) in gewissen Konstellationen auch der Anbieter als Mitverantwortlicher in Frage.
Für negatorische Ansprüche können jene Personen ins Recht gefasst werden, die die rechtsverletzende Handlung selbst vornehmen (der Nutzer als Haupttäter) und all jene, die diese Handlung zwar nicht selbst vornehmen, aber mit dem Haupttäter quasi bewusst zusammenwirken (sog. Teilnehmer). Für eine Teilnahme reicht aber nicht jeder noch so kleine Konnex zur Haupttat, vielmehr muss der Beitrag nahe genug an der Haupttat liegen, um noch als adäquat kausale Teilursache zu gelten (BGE 145 III 72 E. 2.3.1 f.). Eine Teilnahme des Anbieters kommt unseres Erachtens insbesondere dann in Betracht, wenn er das Erstwerk bereits rechtswidrig für das Training verwendet und der Output der KI-Anwendung dieses Werk widergibt.
Nutzer von KI müssen also damit rechnen, dass berechtigte Dritte ihnen die weitere Nutzung eines durch KI-Anwendungen generierten Inhalts gerichtlich verbieten.
Anbieter von KI müssen damit rechnen, dass Dritte ihnen untersagen, ein für das Training von KI-Modellen genutztes Werk erneut für das Training zu verwenden, also aus dem Trainingsdatensatz zu löschen (nicht aber ohne weiteres aus dem Modell)..
Für reparatorische Ansprüche (z.B. Schadenersatz) ist – neben den sonstigen Haftungsgrundlagen, wie dem Vorliegen eines Schadens, einem Kausalzusammenhang zwischen der widerrechtlichen Handlung und dem Schaden – ein Verschulden erforderlich. Das Verhalten muss dem Haupttäter und/oder dem Teilnehmer mit anderen Worten vorwerfbar sein, weil diese entweder vorsätzlich oder mindestens fahrlässig zur Urheberrechtsverletzung beigetragen haben. Dies ist dann der Fall, wenn die Verletzung gewollt oder bewusst in Kauf genommen wurde oder wenn die zu erwartende Sorgfalt nicht an den Tag gelegt wurde, um einer solchen Verletzung vorzubeugen. Welcher Sorgfaltsmassstab hier gilt, ist stark vom Einzelfall abhängig.
Wenn der Nutzer der KI-Anwendung einen Output verwendet, der in den Schutzbereich eines Dritten fällt, wird es auf Seiten des Nutzers regelmässig am Vorsatz fehlen, da es für den Nutzer weder vorhersehbar noch zu verhindern war, dass der Output die Rechte Dritter verletzt. Auch Fahrlässigkeit wird schwierig zu begründen sein, da es dem Nutzer vielfach nur schon an der Möglichkeit fehlt, der Verletzung durch geeignete Vorsichtsmassnahmen vorzubeugen.
Das Risiko für Nutzer zur Zahlung von Schadenersatz besteht somit nur dann, wenn (i) basierend auf dem Inhalt des Prompts bewusst eine Anlehnung provoziert wird, (ii) die Verletzung offensichtlich ist, oder (iii) der Rechteinhaber den Nutzer abgemahnt hat und dieser die Verwendung nicht eingestellt hat. Erfolgte die Verletzung vorsätzlich, sind auch strafrechtliche Konsequenzen möglich.
Beim Anbieter kann insbesondere dann ein Mitverschulden gesehen werden, wenn ein Erstwerk, in dessen Schutzbereich der Output der KI-Anwendung fällt, unzulässigerweise Bestandteil der Trainingsdaten war und die KI-Anwendung dieses Werk ohne weiteres reproduziert.
Internationales Urheberrecht – Copyright Shopping?
Wie dargelegt bestehen bezüglich die Zulässigkeit der Verwendung von geschützten Inhalten für das Training von KI-Modellen diverse Unsicherheiten. Insofern kann es für Anbieter von KI-Anwendungen interessant sein, das Training des zugrundeliegenden Modells so zu gestalten, dass dieses nicht dem Schweizer Urheberrecht untersteht.
Das Schweizer Recht erklärt das eigene materielle Recht als anwendbar, wenn der Schutz des Immaterialguts für das Schweizer Territorium beansprucht wird (sog. "Schutzlandprinzip"; Art. 110 Abs. 1 IPRG), also die Urheberrechtsverletzung in der Schweiz stattfindet. Wird das KI-Modell aber in den USA durch ein US-Unternehmen wie z.B. OpenAI trainiert, so ist die potentielle Verletzung materiell grundsätzlich nach US-amerikanischem Urheberrecht zu beurteilen. Jedes Land definiert für sich selber die Existenz und den Umfang von Immaterialgüterrechten.
Das Schutzlandprinzip ermöglicht es grundsätzlich den Anbietern von KI, durch ein "Copyright Shopping" das Training in jene Länder zu verlagern, welche ihnen eine möglichst umfangreiche Nutzung und/oder Rechtssicherheit für das Training erlaubt. Internationale Abkommen, insbesondere die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst ("RBÜ"; SR 0.231.14), definieren allerdings gewisse Minimalstandards. Im Hinblick auf die für das KI-Training relevanten Schrankenbestimmungen besagt z.B. Art. 9 Abs. 2 RBÜ, dass die Vervielfältigung von Werken ohne Zustimmung des Rechteinhabers in gewissen Sonderfällen ermöglicht werden darf, wenn damit weder die "normale Auswertung des Werks" noch die "berechtigten Interessen des Urhebers" unzumutbar verletzt werden. Inwieweit das KI-Training die normale Auswertung von Werken effektiv beeinträchtigt, wird sich erst noch weisen. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn sich der Handel von Inhalten für das Training von KI weiter etabliert hat.
Das urheberrechtliche Schutzlandprinzip kann jedoch durch spezifische KI-Regulierung durchbrochen werden. So hält z.B. der AI Act der EU fest, dass Anbieter von generativer KI das Urheberrecht der EU befolgen müssen, wenn das Training ausserhalb der EU erfolgt. Wer sich also als Anbieter von KI-Anwendungen in der EU positionieren will, kann sich beim Training nicht auf das "Copyright Shopping" verlassen.
Die Antwort auf die Frage, was Unternehmen nun konkret tun können um ihr Risiko einer Urheberrechtsverletzung zu reduzieren und wie gross dieses Risiko ist, werden wir noch in einem separaten Beitrag unserer KI-Blog-Serie behandeln.
Elias Mühlemann und Nicole Ritter
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