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17. November 2025 Entwurf eines Raumfahrtgesetzes für die Schweiz: Ein erster Schritt!

Der Bundesrat veröffentlichte Anfang 2025 den Vorentwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Raumfahrt ("VE-RFG"). In dem neuen Gesetz beabsichtigt der Bundesrat folgende Punkte zu regeln:

  • Schaffung eines nationalen Rechtsrahmens für die Raumfahrtindustrie, insbesondere um die Haftung für Raumfahrtaktivitäten zu regeln.
  • Einführung einer Bewilligungs- und Aufsichtspflicht für die zivile Raumfahrt in der Schweiz.
  • Der möglichst nachhaltige Umgang mit "Weltraumschrott".

Elias Mühlemann und Joel Drittenbass von VISCHER haben diesen Vorentwurf aus der Optik der Rechtsanwendenden analysiert. Dabei haben sie diverse Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert (vgl. Vernehmlassungsantwort).

Dieser initiale Blogbeitrag zum künftigen Raumfahrtgesetz erklärt die Regulierungsabsicht des Bundesrats und zeigt auf, wie das künftige Raumfahrgesetz klarer und innovationsfreundlicher ausgestaltet werden könnte. Im Rahmen einer Blog-Reihe werden wir weitere konkrete Aspekte des Entwurfs vorstellen.

1. Weshalb braucht es ein Raumfahrgesetz in der Schweiz?

Das internationale Völkerrecht sieht vor, dass Staaten für Raumfahrtaktivitäten in ihrem Land verantwortlich sind und dies unabhängig davon, ob diese Aktivitäten vom Staat selbst durchgeführt werden oder durch andere, insbesondere zivile Akteure (SR 0.790, Art. VI). Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es nur vereinzelte zivile Raumfahrtaktivitäten, weshalb kein Regulierungsdruck bestand. Das hat sich durch den technologischen Fortschritt in den letzten Jahren stark geändert. Faktisch über Online-Shops können nun Transporte in den Weltraum "gebucht" werden (vgl. Link) und auch Youtuber senden ihre eigenen Minisatelliten ins All (Link).

Der Bundesrat sieht deshalb Handlungsbedarf. Einerseits soll ein Haftungsregime eingeführt werden. So kann die Schweizerische Eidgenossenschaft die völkerrechtliche Haftung auf die jeweiligen Akteure abwälzen. Zudem soll ein nationales Register für Weltraumgegenstände eingeführt werden; auch diese Verpflichtung ergibt sich aus eigentlich bereits länger bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz (SR 0.790.2, Art. II). Durch die Einführung einer Aufsichts- und Bewilligungspflicht soll ein klarer Rechtsrahmen geschaffen und so die Attraktivität der Schweiz für die zivile Raumfahrt gefördert werden (Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zum RFG vom 29. Januar 2025, S. 9).

2. Für welche Aktivitäten soll das Raumfahrtgesetz gelten?

Ein zentrales Element von jedem Gesetz ist die Frage, für welche Aktivitäten ein Gesetz effektiv Anwendung findet. Der Bundesrat nutzt im Vorentwurf des Raumfahrtgesetzes vier zentrale Definitionen, welche den Anwendungsbereich des künftigen RFG primär umschreiben sollen: Der "Weltraumgegenstand", die "Weltraumaktivität", die "Raumfahrtaktivität" und die "Betreiberin":

Als Weltraumgegenstand soll gemäss Art. 3 lit. b VE-RFG (i) ein Gegenstand gelten, "der in den Weltraum gestartet wurde oder gestartet werden soll und in eine Erdumlaufbahn, in eine Umlaufbahn um andere Himmelskörper oder in eine Flugbahn für das Erreichen von Zielen im ferneren Weltraum gelangt oder gelangen soll oder der sich auf einem Himmelskörper befindet" und (ii) ein "Trägerfahrzeug, mit dem ein Satellit oder ein anderer Gegenstand von der Erde oder vom Luftraum aus in den Weltraum befördert wird". Auf diesen Weltraumgegenständen soll das sog. Flaggenprinzip gelten. Das heisst, auf Weltraumgegenständen, die gemäss VE-RFG im Weltraumregister eingetragen sind, gilt Schweizer Recht (Art. 6 VE-RFG).

  • Die Weltraumaktivitäten sollen die zweckgerichtete Nutzung bzw. Verwendung von Weltraumgegenständen umfassen (z.B. Informations-/Datenübertragung, Forschung, Erdbeobachtung, Meteorologie; vgl. Art. 3 lit. c VE-RFG).
  • Die Raumfahrtaktivität soll sich auf den Start, die Positionierung, den Betrieb, die Steuerung sowie die Kontrolle von Weltraumgegenständen, insb. Satelliten, beziehen (vgl. Art. 3 lit. a VE-RFG). Gemeint sind damit raumfahrtspezifische Aspekte von Weltraumaktivitäten.
  • Als Betreiberin soll ein Unternehmen gelten, das aufgrund einer Bewilligung Raumfahrtaktivitäten durchführt, indem es ein Trägerflugzeug oder ein Weltraumgegenstand in eigener Verantwortung startet und steuert.

Einer Bewilligungspflicht sollen grundsätzlich nur Raumfahrtaktivitäten unterstehen (vgl. Art. 8 VE-RFG); allerdings soll die Bewilligung der Raumfahrtaktivitäten jeweils für bestimmte Weltraumaktivitäten erfolgen. Damit würden die Weltraumaktivitäten faktisch auch einer Bewilligungspflicht unterstehen (mehr dazu sogleich).

3. Weltraumaktivität vs. Raumfahrtaktivität: Begriffliche Schärfung notwendig

Die Unterscheidung zwischen Raumfahrtaktivität und Weltraumaktivität ist unglücklich gewählt: Damit mithilfe eines Weltraumgegenstandes Forschung betrieben werden kann oder Fernmeldedienste erbracht werden können, müssen diese Weltraumgegenstände betrieben, gesteuert und kontrolliert werden. Es droht deshalb die Gefahr, dass eigentliche Weltraumaktivitäten auch unter die Definition der Raumfahrtaktivität fallen, was offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann.

Eine Konkretisierung der vom Bundesrat eingefügten Definition könnte relativ einfach vorgenommen werden. In der Vernehmlassung Mühlemann/Drittenbass formulierten diese folgenden alternativen Vorschlag für die Definition der Weltraumaktivität: "Aktivität auf einem Weltraumgegenstand im Weltraum, die durch eine Raumfahrtaktivität im Sinne von Art. 3 lit. a. unterstützt oder ermöglicht wird".

Weiter ist die Definition der "Betreiberin" dahingehend zu schärfen, dass als Betreiberin gilt, wer über die Raumfahrtaktivitäten eines Weltraumgegenstands unabhängig und in eigener Verantwortung bestimmt – dies unabhängig davon, ob eine Bewilligung vorliegt oder nicht.

Durch die angepassten Definitionen würde klar, dass die Verantwortung zur Kontrolle und Steuerung eines Weltraumgegenstands ausschliesslich bei der Betreiberin eines Weltraumgegenstandes bleibt – aber auch nur diese der Bewilligungspflicht i.S.v. Art. 8 ff. VE-RFG unterliegt. Eine Weltraumaktivität ist also die Nutzung eines Weltraumgegenstands im Weltraum, sofern die Definition der Raumfahrtaktivität nicht erfüllt ist. Alle Aktivitäten im Weltraum, die keine Raumfahrtaktivitäten darstellen, sind demnach Weltraumaktivitäten und bedürfen keiner Bewilligung unter dem künftigen Raumfahrtgesetz.

4. Wie geht es weiter?

Die Vernehmlassung endete am 6. Mai 2025. Die Stellungnahmen werden nun von der Bundesverwaltung analysiert und anschliessend soll der Entwurf in die parlamentarische Phase überführt werden. Weil nach der Publikation des Vorentwurfs vom Raumfahrtgesetz nun auch ein Entwurf des EU Space Acts vorliegt (Link), ist davon auszugehen, dass der Bundesrat auch noch eine Angleichung an die Regelungsstruktur vornehmen wird. Der Bundesrat geht davon aus, dass das Raumfahrtgesetz "nicht vor 2028" in Kraft treten wird (Link).

Autor: Elias Mühlemann

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