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1. April 2025

Das Bundesgericht hatte sich in dem Urteil 9C_305/2023 vom 10. Oktober 2024 mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Liegenschaft im Rahmen der Vermögenssteuer und der Liegenschaftssteuer beim Eigentümer der Liegenschaft oder doch beim Wohnrechtsberechtigten zu erheben sei. Es kam zum Schluss, dass die Zuweisung der Liegenschaft in das Vermögen des Wohnrechtsberechtigten gegen bundesrechtliche (kantonal harmonisierte) Normen verstösst. Das Urteil ist zur Publikation vorgesehen und hat deswegen eine Signalwirkung auch an andere Kantone.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer A hat ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht an einer Liegenschaft in der Gemeinde U in Genf. Die Kinder B und C sind Eigentümer des Grundstücks. Die kantonale Steuerverwaltung Genf rechnete den Wert der Liegenschaft zum Vermögen von A. Zusätzlich forderte die Steuerverwaltung von A die Zahlung einer Liegenschaftssteuer, welche für die von ihm bewohnte Liegenschaft geschuldet sei. Im kantonalen Rechtsmittelverfahren verlangte A vergebens die Erhebung der Vermögens- und der Liegenschaftssteuer bei den beiden Eigentümern B und C.

Erwägungen des Bundesgerichts

Aus dem vorinstanzlichen Verfahren

Das Bundesgericht hält zunächst fest, dass eine steuerliche Zuordnung von Vermögensteilen lediglich in Art. 13 Abs. 2 StHG vorgesehen ist, danach ist das Nutzniessungsvermögen dem Nutzniesser zuzurechnen. Es hält mit der zitierten Lehre fest, dass dieses Fehlen von weiteren spezifischen Zuweisungsnormen nur dahingehend verstanden werden kann, dass in diesen Fällen grundsätzlich auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse abgestellt werden muss. In der Lehre wird die Zuordnung von Art. 13 Abs. 2 StHG auch auf Verhältnisse angewendet, die mit einer Nutzniessung vergleichbar sind, wobei solche Verhältnisse nicht vorschnell angenommen werden dürfen.

Der Kanton Genf hat mit Blick auf die Nutzniessung eine dem StHG entsprechende Regelung für das kantonale Recht konstituiert. Die kantonalen Instanzen haben eine analoge Anwendung der Regel von Art. 13 Abs. 2 StHG aufgrund vergleichbarer Verhältnisse zwischen der Nutzniessung und des Wohnrechts angenommen. Die Vorinstanz begründet diese Gleichbehandlung im vorliegenden Fall unter anderem damit, dass bei einem unentgeltlichen Wohnrecht der Wohnrechtsberechtigte den Eigenmietwert versteuern muss. Daraus leitet sie auch die Besteuerung der Liegenschaft im Vermögen des Wohnrechtsberechtigten ab. Zudem sei die Gleichbehandlung von Nutzniessung und Wohnrecht vorzunehmen, weil ein Wohnrecht seinem Inhaber ein "unbegrenztes Nutzungsrecht" an der Liegenschaft einräume. Zuletzt verweist die Vorinstanz auf die Zürcher Praxis, wonach eine Immobilie für Zwecke der Vermögenssteuer dem Wohnrechtsberechtigten zugewiesen werde.

Schlussfolgerung: Wohnrecht und Nutzniessung sind nicht vergleichbar

Die Argumentation der Vorinstanz hält jedoch vor dem obersten Gericht der Schweiz nicht Stand. Das Bundesgericht hält zunächst fest, dass dem Legalitätsprinzip, wonach eine Besteuerung eine gesetzliche Grundlage benötigt, eine herausragende Rolle zukommt. Im harmonisierten Gesetz wird denn lediglich die Nutzniessung für die Zwecke der Vermögenssteuer zugeteilt. Die fehlende Erwähnung des Wohnrechts spreche gegen die Zuteilung der Liegenschaft an den Wohnrechtsberechtigten. Das Bundesgericht verwirft ebenfalls das Argument der Vergleichbarkeit zwischen Nutzniessung und Wohnrecht. Das Wohnrecht weist zwei wesentliche Unterschiede zur Nutzniessung auf: Es verschafft zum einen nur eine begrenzte Nutzung des Grundstücks, nämlich das Bewohnen der Liegenschaft. Insbesondere eine Weitervermietung ist im Rahmen des Wohnrechts nicht möglich. Zum anderen ist es aufgrund einer zwingenden Bestimmung unübertragbar und unvererblich (Art. 776 Abs. 2 ZGB). Aus all dem erhellt, dass dem Wohnrechtsberechtigten auch kein unbeschränktes Nutzungsrecht wie einem Eigentümer zusteht. Aus den analogen Überlegungen ist auch die Zuordnung der Liegenschaft im Rahmen der (kantonal geregelten) Liegenschaftssteuer nicht statthaft.

Fazit

Das Bundesgericht stellt für die Kantone verbindlich fest, dass eine Liegenschaft im Rahmen der Vermögensbesteuerung nicht beim Wohnrechtsberechtigten, sondern beim Eigentümer zu besteuern ist. Eine anderweitige Zuordnung wäre klar bundesrechtswidrig. Dies wird unweigerlich einen Einfluss auf die Praxen derjenigen Kantone haben, die bisher die gleiche Zuordnung wie der Kanton Genf vorgenommen haben (bspw. auch der Kanton Zürich, wobei gemäss kantonalem Merkblatt über die steuerliche Behandlung von Nutzniessungen, Wohnrechten, Dienstbarkeiten, Grundlasten und vorgemerkten persönlichen Rechten bis anhin das Grundstück [EFH oder StWE] lediglich bei Konsens der Parteien beim Wohnrechtsberechtigten besteuert wurde).

Unser Steuerteam von VISCHER steht Ihnen mit Rat und Tat bei Fragen zur Besteuerung von Liegenschaften und Grundstücken gerne zur Verfügung.

Autoren: Nadia Tarolli Schmidt, Diego Anzante

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