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1. Dezember 2016

Zum Moralmodul in selbstfahrenden Autos

Digital Business Law Bites # 4

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Gegenwärtig wird häufig von ethischen Herausforderungen für selbstfahrende Autos gesprochen und ein Moralmodul für Autos gefordert.

Trolley-Problem

Hintergrund ist ein Fallbeispiel folgender Art, auch als Trolley-Problem bekannt. Ein Auto ist unterwegs. Völlig überraschend befindet sich eine Gruppe von Kindern auf der Fahrbahn. Der Lenker hat nur noch die Möglichkeit, in die Kinder zu rasen oder die Kindergruppe zu schonen, indem er sein Auto auf das Trottoir lenkt, wo er einen Greis überfahren wird.

Anders als ein Mensch könnte die Steuerung (bzw. das Moralmodul) eines selbstfahrenden Autos für eine solche Entscheidung in Zukunft sogar jede Menge Informationen zu den Beteiligten abrufen. Sie könnte zum Beispiel die kumulierten Lebenserwartungen der beiden Gruppen und vieles mehr gegeneinander abwägen, bevor eine Gruppe geopfert wird. Wohl angesichts dieser neuen Möglichkeiten wird das Trolley-Problem im Zusammenhang mit selbstfahrenden Autos häufig aufgegriffen. Dabei wird etwa diskutiert, ob es wünschbar sei, einen solchen Entscheid einem Rechner zu überlassen, wie ein solcher Entscheid zu fällen sei und ob der Gesetzgeber zunächst Regeln dazu aufstellen sollte.

Die Fragestellung ist zwar intellektuell spannend und reizvoll, hat aber wenig praktische oder rechtliche Relevanz.

Akademische Fragestellung

Zunächst scheint das Beispiel an den Haaren herbeigezogen. Nur ein extrem kleiner Bruchteil der korrekt fahrenden Lenker dürfte je in diese Situation gelangen. Korrekt fahren heisst unter anderem, gegenüber Kindern, Gebrechlichen, alten Leuten und anderen Personen, bei denen Anzeichen von inkorrektem Verhalten bestehen, besondere Vorsicht walten zu lassen. Dazu gehört insbesondere, die Geschwindigkeit anzupassen. Entsprechend kann der Lenker in solchen Situationen rechtzeitig bremsen. Selbst wenn die Situation des Trolley-Problems einträte, hätte ein Mensch kaum Zeit, Güterabwägungen zu treffen.

Das selbstfahrende Auto wird programmiert sein, die Verkehrsregeln ständig einzuhalten. Wäre dies nicht der Fall, wäre es als Produkt nicht sicher und dürfte gar nicht in Verkehr gebracht werden. Das selbstfahrende Auto muss also vorsichtig und angepasst fahren. Überdies verfügt es über eine Vielzahl von Sensoren, die das Umfeld des Wagens gleichzeitig überwachen. Ein Mensch seinerseits kann immer nur einen Punkt gleichzeitig beobachten. Somit wird das selbstfahrende Auto also sehr viel besser und oft früher erkennen, ob Grund besteht, die Geschwindigkeit anzupassen. Auch braucht es, anders als der Mensch, praktisch keine Reaktionszeit. Bei Überraschungen ist also sein Bremsweg deutlich kürzer. Damit wird das selbstfahrende Auto wesentlich zur Verkehrssicherheit beitragen. Das Trolley-Problem wird sich somit, wenn überhaupt, in Zukunft noch viel weniger stellen.

Menschenwürde ist unantastbar

Rechtlich ist das Trolley-Problem in der Schweiz weder für Menschen noch selbstfahrende Autos ein Dilemma. Sowohl gemäss Schweizerischer Bundesverfassung als auch Europäischer Menschenrechtskonvention ist die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Die Menschenwürde verbietet es unter anderem, einem individuellen Menschen einen Wert zu geben oder Menschen gegeneinander aufzurechnen.

Hauptbeteiligte im Trolley-Problem sind auf der einen Seite der Autolenker und auf der anderen Seite die Kindergruppe, die unbedacht, mithin unter Verletzung der Strassenverkehrsregeln, die Strasse betritt. Der Greis ist hingegen völlig unbeteiligt und nur zufällig zugegen. Wer das Überfahren des Greises rechtfertigen will, muss von höherwertigen und minderwertigen Menschen ausgehen. Dieses Konzept gibt es beim Notstand, bei dem zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts (etwa des Lebens) in ein nachrangiges (etwa Eigentum) eingegriffen werden darf. Allerdings darf dieses Konzept nicht auf den Menschen übertragen werden. Jeder Mensch ist gleich viel wert und die Rettung eines Menschen rechtfertigt nicht die Tötung eines unbeteiligten Dritten. Darum darf der Lenker sein Auto nicht in den unbeteiligten Greis lenken.

Diese Regel gilt für Autosteuerungen ebenso wie einen menschlichen Lenker. Entsprechend einfach ist die Antwort auf die Frage, ob ein selbstfahrendes Auto ein Moralmodul benötigt. Ein Moralmodul ist nicht erforderlich, es reichen starke Bremsen.

Autor: Benedict F. Christ

Kategorien: Digital Business Law Bites, Blog

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