
Ausgangslage und Voraussetzungen
Mit der Streitverkündungsklage kann eine beklagte Partei Ansprüche, die sie im Falle des Unterliegens gegen einen Dritten zu haben glaubt, klageweise gegen diesen geltend machen (Art. 81 Abs. 1 ZPO). Somit kann die beklagte Partei die betreffenden Folgeansprüche noch während des laufenden Hauptprozesses gegen den Dritten klageweise geltend machen. Zulässig ist die Streitverkündungsklage aber nur, wenn ein sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der Streitverkündungsklage und dem mit der Hauptklage verfolgten Anspruch besteht. Fehlt es am sachlichen Zusammenhang, so ist die Streitverkündungsklage nicht zuzulassen und entsprechend nicht darauf einzutreten.
Das Bundesgericht hat in Bezug auf den sachlichen Zusammenhang ausgeführt, dass es reiche, wenn der Anspruch der streitverkündenden Partei (also der beklagten Partei im Hauptprozess) nach ihrer Darstellung vom Ausgang des Hauptklageverfahrens abhängig sei und damit ein potentielles Regressinteresse aufgezeigt sei (BGE 139 III 67, E 2.4.3). Die Tatbestandsvoraussetzungen des mit der Streitverkündungsklage geltend gemachten Anspruchs müssten nicht glaubhaft gemacht werden. Auch habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Anspruch materiell begründet sei (E 2.4.3).
Das Bundesgericht setzte damit die Anforderungen an den Nachweis des sachlichen Zusammenhangs tief an. Genügt es aber, einfach eine Abhängigkeit zu behaupten? Und darf das Gericht nicht zumindest eine Plausibilitätsprüfung vornehmen?
Diese Fragen stellten sich in einem Fall, in dem gegen eine Klientin von VISCHER eine Streitverkündungsklage vor dem Handelsgericht Aargau eingereicht wurde.
Entscheid des Handelsgerichts Aargau
Die Klientin hatte Waren in Deutschland bei einem Unternehmen bestellt. Mit dem Transport der Waren wurde ein deutsches Transportunternehmen beauftragt. Dieses zog für die Abwicklung der Zollformalitäten eine Zolldeklaratin bei. In der Folge wurden die Waren nicht richtig verzollt und es kam zu einer substantiellen zollrechtlichen Nachforderung, welche die eidgenössische Zollverwaltung gestützt auf die in Art. 70 Abs. 3 Zollgesetz vorgesehene gesetzliche Solidarität vollumfänglich bei der Zolldeklarantin einzog.
Die Zolldeklarantin (als Klägerin im Hauptprozess) verlangte daraufhin vom deutschen Transportunternehmen (die Beklagte im Hauptprozess und gleichzeitig Streitverkündungsklägerin) schadlos gehalten zu werden und klagte sie vor dem Handelsgericht Aargau ein. Mit ihrer Klageantwort erhob die Beklagte Streitverkündungsklage gegenüber der Klientin. Sie behauptete, ihr würde ein Regressrecht gegenüber der Klientin zustehen, wenn sie aufgrund ihrer vertraglichen Beziehung mit der Hauptklägerin im Hauptprozess zur Bezahlung eines über ihren internen Anteil liegenden Betrags verurteilt würde. Ihren Regressanspruch begründete sie mit der im Zollgesetz vorgesehen Solidarität (Art. 148 Abs. 2 OR).
Die Klientin beantragte die Nichtzulassung der Streitverkündungsklage. Sie argumentierte, dass es offensichtlich von vornherein an einem Regressanspruch der Streitverkündungsklägerin gegenüber der Klientin fehle. Ein Regressanspruch gemäss Art. 148 Abs. 2 OR stehe nur demjenigen Solidarschuldner zu, der im Aussenverhältnis vom Gläubiger in Anspruch genommen worden sei. Allen anderen Solidarschuldnern stehe im Innenverhältnis gegenüber den anderen Solidarschuldnern kein solcher Regressanspruch zu.
Die Tatsache, dass die Streitverkündungsklägerin von ihrer Vertragspartnerin haftbar gehalten wurde, begründe für sich keinen Regressanspruch gegenüber der Klientin, welche nie in einem vertraglichen Verhältnis zur Streitverkündungsklägerin stand. Es mangle daher an der für die Zulassung der Streitverkündungsklage erforderlichen Abhängigkeit von der Forderung des Hauptprozesses.
Das Handelsgericht folgte der Argumentation der Klientin und kam zum Schluss, dass vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich sei, worauf die Streitverkündungsklägerin ihre behaupteten Regressansprüche gegen die Klientin stützen wolle. Ein Regressanspruch gemäss Art. 148 Abs. 2 OR würde nach Darstellung der Streitverkündungsklägerin einzig der Hauptklägerin zustehen. Die Streitverkündungsklage wurde daher nicht zugelassen.
Konsequenzen und praktische Hinweise
Der Entscheid des Handelsgerichts ist zu begrüssen. Es sollte nicht genügen, lediglich Regressansprüche zu behaupten. Andernfalls würde Hand dazu geboten, das Instrument der Streitverkündungsklage missbräuchlich zu verwenden, um Vergleichsdruck beim Dritten zu schaffen, der sich mit nicht unerheblichen Aufwendungen für die Abwehr der Streitverkündungsklage konfrontiert sieht. Vorliegend war dies der Tenor der aussergerichtlichen Kommunikation gewesen. Die Gerichte sollten daher eine Plausibilitätsprüfung durchführen und die Streitverkündungsklage nicht zulassen, wenn es offensichtlich an einer Rechtsgrundlage für die behaupteten Regressansprüche fehlt bzw. der Streitverkündungskläger nicht in der Lage ist, eine solche zu benennen.
Autor: Daniele Favalli