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27. März 2020 Wie wirkt sich der Coronavirus auf Verträge aus?

Was gilt, wenn aufgrund der Corona-Situation vertragliche Leistungen nicht mehr erfüllt werden können oder nutzlos werden? Ist COVID-19 force majeure oder höhere Gewalt? Darf ich meine Verträge jetzt anpassen?

Hier finden Sie die Antworten auf die neun wichtigsten Fragen zur Auswirkung des Coronavirus auf Verträge:

Was gilt, wenn aufgrund eines behördlichen Verbots eine vertragliche Leistung nicht mehr erbracht werden darf?

Die entsprechenden Verträge fallen dahin.

Verschiedene Branchen wie Retailgeschäfte, Gastronomiebetriebe, Reiseveranstalter sowie die meisten Unternehmen im Kanton Tessin sind unmittelbar von den behördlichen Verboten betroffen und dürfen ihre Leistungen nicht mehr erbringen. Deshalb ist die Erfüllung der entsprechenden Verträge während der Dauer des COVID-19 bedingten Lock Downs objektiv unmöglich. Bei einer solchen objektiven Unmöglichkeit muss die betroffene Vertragspartei ihre Leistung nicht erbringen. Sie wird auch nicht schadenersatzpflichtig, weil sie die Unmöglichkeit nicht zu verantworten hat. Umgekehrt hat aber die Gegenpartei Anspruch auf Erstattung schon erbrachter Leistungen. Allfällige Vorauszahlungen müssen also zurückerstattet werden.

Objektiv unmöglich werden nur Leistungen, die aufgrund ihrer Natur zwingend während des behördlichen Verbots zu erbringen sind. Bei Leistungen, die auch nach Wegfall der Verbote noch erbracht werden könnten, gelten die Regeln zum Verzug (siehe unten).

Objektiv unmöglich sind nur diejenigen Leistungen, die während der Pandemie unmittelbar verboten sind (etwa im Fitness-Center die Geräte zur Verfügung zu stellen) oder aufgrund des Verbots nicht mehr erbracht werden können (Instruktion von Nutzern an den Geräten). Hingegen können die meisten Zulieferer ihre Leistungen grundsätzlich weiterhin erbringen (Vermietung von Räumen für das Fitness-Center oder Anlieferung von Artikeln für den Shop im Fitness-Center). Bei diesen noch möglichen, aber für den Bezüger nutzlosen Leistungen ist zu prüfen, ob die Verträge angepasst werden können (siehe unten).

Was gilt, wenn eine Vertragspartei vertragliche Leistungen aufgrund von Coronavirus bedingten Schwierigkeiten nicht erbringen kann?

Die entsprechenden Verträge fallen grundsätzlich nicht dahin.

Zwar kann auch ohne behördliches Verbot eine Vertragspartei daran gehindert sein, ihre Verträge vereinbarungsgemäss zu erfüllen; etwa, wenn wegen der Corona-Epidemie notwendige Zulieferteile nicht rechtzeitig eintreffen oder Arbeitnehmer ausfallen. Diese Umstände reichen aber nicht, um Verträge wegfallen zu lassen, weil objektiv gesehen, die Vertragsleistung weiterhin möglich ist. Hingegen können diese Umstände Grundlage sein, um den Vertrag anzupassen (siehe unten) oder die Lieferfristen zu verlängern (siehe unten). Auch wird eine solche Vertragspartei nicht schadenersatzpflichtig, wenn das Lieferhindernis ohne ihr Verschulden eingetreten ist.

Was gilt, wenn sich vertragliche Leistungen aufgrund von Coronavirus bedingten Schwierigkeiten verzögern?

Es hängt vom Vertrag ab, bei unverschuldeter Verzögerung gibt es aber keine Haftung.

Wer nicht rechtzeitig (bei Fälligkeit) liefert, ist normalerweise im Verzug und haftet grundsätzlich für die Verspätung. Keine Haftung besteht allerdings bei unverschuldetem Verzug. In vielen Fällen dürfte die Situation unverschuldet sein. Diesfalls wird eine Vertragspartei nicht schadenersatzpflichtig, wenn sich ihre Leistung aufgrund von Corona bedingten Schwierigkeiten zwar verzögert, aber weiterhin möglich ist. Die Einstufung, ob die Schwierigkeiten verschuldet oder unverschuldet sind, hängt stark vom Einzelfall ab. Unverschuldet sind die Schwierigkeiten nur, wenn es nicht möglich war, diese durch rechtzeitige Vorsorge zu vermeiden (wie etwa frühzeitiger Beizug von alternativen Lieferanten).

Unabhängig davon, ob Schadenersatz geschuldet ist, stellt sich die Frage, ob die Leistung trotz Verzögerung noch zu erbringen ist. Diesbezüglich gelten die normalen Verzugsregeln. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, was der Vertrag für den Verzug vorsieht.

Was gilt, wenn der Bezug von bestellten Leistungen keinen Nutzen mehr hat?

Je nachdem kann der Vertrag angepasst werden.

Grundsätzlich sind im Schweizer Recht Verträge wie vereinbart zu erfüllen (pacta sunt servanda), unabhängig davon, ob der Vertrag für eine Partei noch nützlich oder lästig geworden ist. Allerdings ist ein Vertrag ausnahmsweise an veränderte Verhältnisse anzupassen, wenn sich die Umstände grundlegend geändert haben (Prinzip der clausula rebus sic stantibus). Die Änderung muss nach Vertragsabschluss eingetreten sein, darf für die Parteien nicht voraussehbar oder vermeidbar gewesen sein und muss ein offenbares Missverhältnis zur Folge haben.

Bei verschiedenen Verträgen dürften aufgrund der Corona-Epidemie die Voraussetzungen für eine Anpassung gegeben sein. Insbesondere Unternehmen, die aufgrund behördlicher Verbote ihre Leistungen nicht mehr erbringen dürfen, haben guten Grund, von ihren Zulieferern oder Vermietern Vertragsanpassungen zu verlangen.

Ob und wie die Verträge anzupassen sind, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Es muss eine Lösung gesucht werden, welche die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt. Die Anpassung darf nicht einseitig umgesetzt werden, sondern muss mit dem Vertragspartner verhandelt werden. Findet sich keine Lösung, müsste die Anpassung gerichtlich eingefordert werden.

Kann sich ein Unternehmen auf höhere Gewalt oder force majeure berufen, um den Vertrag anzupassen?

Es kommt darauf an.

Höhere Gewalt oder force majeure sind keine gesetzlichen Begriffe. Es gibt aber viele Verträge, die höhere Gewalt oder force majeure ausdrücklich regeln. Ob Epidemien oder Pandemien darunter fallen, muss für jeden Vertrag separat geprüft werden, da je nach Vertrag höhere Gewalt oder force majeure anders definiert ist. Auch, was die Rechte der Parteien im Fall von höherer Gewalt oder force majeure sind (etwa Stillstand von Leistungspflichten oder Recht zur fristlosen Kündigung), unterscheidet sich von Vertrag zu Vertrag.

Ob der Coronavirus höhere Gewalt oder force majeure ist und welche Auswirkungen die Epidemie oder Pandemie auf vertragliche Pflichten hat, muss also im konkreten Einzelfall aufgrund der Umstände durch Auslegung des jeweiligen Vertrags ermittelt werden.

Können Dauerverträge fristlos gekündigt werden?

Es gibt kein allgemeines fristloses Kündigungsrecht bei höherer Gewalt.

Nur bei objektiver Unmöglichkeit erlischt die Leistungspflicht (siehe oben). Weiter könnte ein fristloses Kündigungsrecht vertraglich vereinbart sein (siehe oben). Schliesslich kann ein Dauervertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn zum Beispiel dessen Weiterführung für eine Partei unzumutbar geworden ist. Die Corona-Epidemie mag unter gewissen Umständen ein solch wichtiger Grund sein. Vielfach dürfte aber die Corona-Situation über die ganze Laufzeit des Vertrags gesehen nur eine Episode sein, die bei einer Gesamtbetrachtung des Vertragsverhältnisses dessen Weiterführung nicht unzumutbar macht. Auch wenn eine fristlose Kündigung nicht möglich ist, sind für die Dauer der Episode unter Umständen die Voraussetzungen für eine Anpassung des Vertrags gegeben (siehe oben).

Was gilt bei Arbeitsverträgen?

Bereits erschienene Blog Posts: Grundsätzliche Informationen zu Arbeitsverträgen und COVID-19,  zu Kurzarbeit,  zu Schulschliessungen und zu Massenentlassungen.

Was gilt bei Mietverträgen?

Informationen zu den Auswirkungen von COVID-19 auf Mietverträge finden Sie in unserem Blog Post zum Thema.

Was gilt für Veranstaltungen, die aufgrund eines Verbots nicht durchgeführt werden dürfen?

Unser Blog Post zum Thema Veranstaltungsabsagen ist ein anschauliches Beispiel für das Zusammenwirken von Unmöglichkeit und Vertragsanpassung nach Coronavirus bedingten behördlichen Verboten.

Empfehlung

Es empfiehlt sich, mit der Gegenpartei eine einvernehmliche Lösung zu suchen, welche die ökonomischen Interessen beider Parteien ausgewogen berücksichtigt. Bei Fragen oder für eine vertiefte Beratung stehen Ihnen Ihre normalen Ansprechpartner bei VISCHER und das Gesellschafts- und Handelsrechtsteam von VISCHER gerne zur Verfügung.

Autoren: Benedict F. Christ, Michel Stübi

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