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10. Januar 2017 Werbeblocker: Gibt es ein Recht auf ­werbelosen Medienkonsum?

Digital Business Law Bites # 13

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Werbeblocker erfreuen sich bei Nutzern immer grös­serer Beliebtheit. Damit stellen sie Medienanbieter sowie die Werbeindustrie vor grosse Herausforderungen. In Rechtsprechung und Praxis stellen sich Fragen nach dem Umgang mit dem sogenannten «Adblocking». Eine Schweizer Rechtsprechung dazu gibt es bisher nicht, jedoch haben deutsche Gerichte entschieden, dass Werbeblocker grundsätzlich rechtmässig sind. Ein deutsches Landes­gericht hat sich allerdings dieses Jahr gegen die «Whitelist»-Funktion ausgesprochen, mittels derer sich Unternehmen vom Adblocking freikaufen können. Es bleibt abzuwarten, ob hierzulande bald ähnliche Urteile fallen oder ob sich die Schweizer Gerichte «werbefreundlicher» zeigen.

Was sind Werbeblocker?

Werbeblocker sind ein immer weiter verbreitetes Phänomen mit grossen Auswirkungen auf die ­Werbeindustrie. Es handelt sich dabei um im Hintergrund ablaufende Filterprogramme, mit denen auf Webseiten enthaltene Werbeanzeigen ausgefiltert werden, sodass sie für den Nutzer nicht mehr sichtbar sind. Neben Webseiten werden Werbe­blocker auch bei Fernsehern eingesetzt. Einerseits gibt es Werbeblocker, die für die Dauer der Werbepause auf ein anderes (von Werbung freies) Programm umschalten oder aber den Fernseher ganz abschalten, andererseits gibt es solche, die bei der Video-Aufzeichnung Werbeanzeigen herausfiltern.

Werbeblocker filtern inzwischen nicht mehr jegliche Werbung heraus, sondern erstellen sogenannte weisse Listen für Werbeeinblendungen, die als unaufdringlich bewertet werden («acceptable ads»), auf die sich Webseiten teilweise kostenpflichtig eintragen lassen können, wenn sie Krite­rien wie Platzierung oder Grösse erfüllen. In der Folge werden Werbeeinblendungen auf diesen Webseiten nicht blockiert. Der deutsche Online-Werbeblocker «Adblock Plus» geht inzwischen sogar noch einen Schritt weiter und zeigt dort, wo der Webseiten-Betreiber vorher Werbung eingeblendet hat, ersatzweise Anzeigen, an denen Adblock Plus sich selber einen Werbeerlös sichert.

Übersicht über die bisherige Rechtsprechung zu Werbeblockern

In der Schweiz fehlen bisher einschlägige (publizierte) Urteile zur Zulässigkeit von Werbeblockern. Verschiedene deutsche Gerichte haben jedoch bereits Entscheide zum Thema gefällt, die sich zwar nicht direkt auf die Schweiz übertragen lassen, denen aber für die Schweizer Praxis Anhaltspunkte entnommen werden können.

Sowohl der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) als auch verschiedene deutsche Landgerichte haben bereits zugunsten von TV- sowie Online-Werbeblockern entschieden, dass die Bewerbung und der Vertrieb von Werbeblockern nicht als wettbewerbswidriges Verhalten i.S. des deutschen UWG anzusehen sei (Urteil des BHG v. 24.06.2004, Az.: I ZR 26/02). Grundlage der Klagen war jeweils das deutsche UWG und die daraus abgeleiteten Verbote der produktbezogenen Behinderung, der Werbebehinderung sowie der unzulässigen allgemeinen Marktbehinderung. Nach Ansicht der Gerichte besteht zwischen einem Fernsehunternehmen bzw. einer Webseite und einem Werbeblocker zwar ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, jedoch stelle der Werbeblocker lediglich eine technische Hilfe zur Verfügung und die Entscheidung zur «Umgehung» liege bei den Nutzern. Die Werbung erreiche nur diejenigen Nutzer nicht, die sich bewusst dafür entschieden hätten, keine Werbung sehen zu wollen und die geschäftliche Tätigkeit der Unternehmen sei durch die Werbeblocker nicht existenziell bedroht. Es liege auch keine gezielte Behinderung i. S. einer Verdrängungsabsicht vor.
Das Oberlandesgericht Köln entschied im Juni diesen Jahres, dass Adblocking zwar rechtmässig sei, da letztlich der Nutzer über das Blockieren von Werbung entscheide, nicht jedoch die Whitelist-Funktion (Urteil des OLG Köln v. 24.06.2016, Az.: 6 U 149/15). Diese sei wettbewerbswidrig, weil die Werbung beim Betrieb des Werbeblockers nur bei der Einhaltung vorgegebener Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt werde, denn es handle sich dabei um eine «aggressive geschäftliche Handlung […], die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte». Adblock Plus darf in Deutschland kein Entgelt mehr für die Aufnahme von «acceptable ads» auf die Whitelist erheben, sofern dies Webseiten der Klägerin Axel Springer AG betrifft. Das Urteil wurde an den BGH weitergezogen.

Reaktionen auf Werbeblocker in der Praxis

Von Werbeblockern betroffene Unternehmen haben unterschiedlich auf diese reagiert. Für grös­sere Unternehmen besteht die Möglichkeit, sich gegen eine Gebühr «freizukaufen», sodass als «akzeptabel» eingestufte Werbeanzeigen trotz aktiviertem Werbeblocker (in der Standardeinstellung) angezeigt werden. Google, Microsoft und Amazon haben entsprechende Abkommen mit Eyeo, dem Her­steller von Adblock Plus, abgeschlossen. Kleinere Unternehmen müssen kein Entgelt bezahlen für die Aufnahme in die Whitelist – welche Unternehmen dafür zahlen müssen und welche nicht, dazu äussert sich Eyeo aber nicht. Gemäss Eyeo muss allerdings jedes Unternehmen dieselben Kriterien hinsichtlich Werbung erfüllen, unabhängig davon ob zahlend oder nicht zahlend.

Facebook hat Anfang August diesen Jahres bekannt gegeben, dass es künftig selbstständig gegen das Unterdrücken von Werbeanzeigen vorgehen werde. Man werde auch denjenigen Nutzern, die einen Werbeblocker installiert haben, Werbeanzeigen zeigen. Eine weitere Möglichkeit besteht für Be­treiber von Webseiten darin, sogenannte «Anti-Ad­blocker» zu verwenden und damit Nutzer, die einen Adblocker installiert haben, zu sperren.

Kommentar und Fazit

Die deutsche Rechtsprechung bejaht die Frage, ob ein Recht auf werbelosen Medienkonsum bestehe. Es könne keine gezielte Behinderung der Provider festgestellt werden und es gebe auch kein faktisches Vertragsverhältnis, welches den Leser verpflichte, sich Werbung anzuschauen. Dem lässt sich entgegnen, dass Leser mit dem Konsum von ­Medien wie Webseiten eine kostenfreie Leistung beziehen, die sie mit Werbung, die ihnen auf Webseiten angezeigt wird, gewissermassen bezahlen. Werden die Werbeanzeigen ausgeblendet, so bedroht das die wirtschaftliche Existenz von Providern.

Benutzer-Umfragen zeigen, dass die Konsumenten keine Werbeeinblendungen sehen möchten, die für sie irrelevant sind oder die ihr Online-Erlebnis beeinträchtigen. Zudem möchten sie einen Einfluss darauf haben, welche Art von Werbung ihnen gezeigt wird. Die Betreiber können folglich mit der Art der Werbung, die sie ihren Nutzern zeigen, deren Erlebnis beim Konsum der Medien beeinflussen und sie können dafür sorgen, dass diese sich gar nicht veranlasst sehen, einen Werbeblocker einzusetzen. Eine weitere Möglichkeit bestände darin, eine «werbefreie Option» kostenpflichtig anzubieten.

Werbeblocker bieten den Benutzern eine Dienstleistung an, die diese erst deshalb beanspruchen, weil sie mit der Dienstleistung der Betreiber so nicht zufrieden sind. Diese haben es in der Hand, ihr Angebot entsprechend anzupassen.

Autorin: Katharina Henz