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26. Januar 2021
Liegt ein vollstreckbares Urteil oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde vor, kann in der Schweiz nicht direkt vollstreckt werden, insbesondere können nicht direkt Vermögenswerte des Schuldners, z.B. Lohnansprüche, Bankkonti oder Grundstücke, gepfändet werden. Bevor es zur eigentlichen Vollstreckung kommt, muss zuerst das (innerschweizerische) Vollstreckungsverfahren durchlaufen werden. Wehrt sich der Schuldner in diesem Verfahren, kann es nach Erhalt eines vollstreckbaren Titels bis zur Pfändung ohne weiteres Monate dauern.
Nachfolgend wird vorab die "normale" Zwangsvollstreckung dargestellt. Anschliessend wird aufgezeigt, wie als eine Sicherungsmassnahme vor der "normalen" Zwangsvollstreckung Vermögenswerte des Schuldners mit einem Arrest gesichert werden können.
2.1 Zahlungsbefehl
Die Zwangsvollstreckung in der Schweiz beginnt mit der Ausstellung eines Zahlungsbefehls durch das Betreibungsamt (Vollstreckungsamt). Der Gläubiger beantragt die Ausstellung eines Zahlungsbefehls mit schriftlichem Gesuch an das Betreibungsamt. Ein Zahlungsbefehl enthält den Namen und Wohnort des Gläubigers und des Schuldners, die Forderungssumme in Schweizer Währung mit der Höhe der Zinsen und dem Beginn des Zinsenlaufes sowie die Forderungsurkunde oder in Ermangelung einer solchen den Grund der Forderung.
Die Ausstellung eines Zahlungsbefehls kann voraussetzungslos beantragt werden. Das Betreibungsamt verlangt nur die erwähnten Angaben. Entsprechend kann sich der Schuldner auch sehr einfach gegen den Zahlungsbefehl wehren. Er kann innert 10 Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag (Widerspruch) erheben. Dafür braucht es keine Begründung, es genügt ein einziges Wort. Unterlässt er dies, kann der Gläubiger innert 20 Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls das Fortsetzungsbegehren (Pfändungsbegehren) stellen, das letztlich in die Verwertung mündet.
2.2 Rechtsöffnungsverfahren gestützt auf einen Schweizer Titel
Hat der Schuldner Rechtsvorschlag erhoben, muss der Gläubiger zur Weiterführung der Vollstreckung den Rechtsvorschlag beseitigen. Dafür muss er ein Gerichtsverfahren, das Rechtsöffnungsverfahren, einleiten. In diesem Verfahren wird entschieden, ob und in welchem Umfang eine Zwangsvollstreckung weitergeführt werden kann. Im Dispositiv (Tenor) des Urteiles heisst es dann, "... in der Betreibung Nr. ... wird für CHF ... Rechtsöffnung erteilt". Die Einwendungen des Schuldners sind limitiert (Urkundenbeweis der Tilgung oder Stundung, Einrede der Verjährung).
2.3 Rechtsöffnungsverfahren gestützt auf einen europäischen Titel
Liegt dem Rechtsöffnungsgesuch ein vollstreckbares Urteil oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde zugrunde, muss vorab entschieden werden, ob der ausländische Titel in der Schweiz vollstreckbar ist. Im europäischen Raum entscheidet sich diese Frage nach dem Lugano-Übereinkommen, das im Wesentlichen der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen entspricht (EuGVVO). Im Rechtsöffnungsverfahren muss die Vollstreckbarerklärung (Exequatur) nicht explizit verlangt und im Dispositiv entschieden werden, es genügt, dass das Rechtsöffnungsgericht vorfrageweise über die Vollstreckbarerklärung entscheidet.
Wird die Vollstreckbarerklärung bejaht, bedeutet dies, dass die Wirkungen des ausländischen Urteils auch für die Schweiz gelten. Entsprechend muss das Rechtsöffnungsgericht (wie bei innenschweizerischen Titeln) prüfen, ob der Schuldner mit Urkunden beweisen kann, dass die Forderung getilgt oder gestundet ist, oder ob er zu Recht die Verjährung anruft.
2.4 Rechtsmittel
Gegen Rechtsöffnungsentscheide ist das ausserordentliche Rechtsmittel der Beschwerde an die obere kantonale Instanz gegeben. Diese hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung und Noven sind nicht zulässig.
3.1 Arrestgesuch
Um zu verhindern, dass ein Schuldner Vermögenswerte beiseite schafft, können Vermögenswerte des Schuldners mit einem Arrest gesichert werden. Beim Arrest handelt es sich um eine superprovisorische Sicherungs-Massnahme ohne Anhörung des Schuldners. Der Gläubiger muss dafür ein Gerichtsverfahren einleiten und die Voraussetzungen für eine Arrestbewilligung darlegen. Das Arrestgericht bewilligt einen Arrest, falls der Gläubiger seine Forderung (aus dem Titel), einen Arrestgrund (ebenfalls der Titel) und Vermögenswerte des Schuldners glaubhaft nachweisen kann. Alles was pfändbar ist, ist auch arrestierbar: Forderungen gegenüber Dritten (Bankguthaben, Darlehensrückzahlungen, Lohnansprüche etc.), Grundstücke, Kunst, Schmuck, Fahrzeuge, Aktien etc.
Örtlich zuständig für ein Arrestgesuch ist das Gericht am ordentlichen Betreibungsort des Schuldners (Wohnsitz, Aufenthalt) oder am Ort der Vermögensgegenstände. Letzterer ist insbesondere massgebend, falls der Schuldner in der Schweiz keinen Wohnsitz hat (z.B. Forderungen des ausländischen Schuldners gegenüber der Bank in der Schweiz).
Nach einer (unglücklichen) Rechtsprechung des Bundesgerichtes muss bei einem Arrestgesuch das Arrestgericht vorab und explizit im Dispositiv über die Vollstreckbarerklärung entschieden werden. Dies gilt für Urteile und vollstreckbare öffentliche Urkunden, die nach dem 1. Januar 2011 erlassen wurden. Gewisse Gerichte verlangen aber explizite Vollstreckbarerklärungen auch für Titel, die vor dem 1. Januar 2011 datieren.
3.2 Arresteinsprache / Arrestprosequierung
Der Schuldner kann sich gegen den Arrestbefehl wehren und Arresteinsprache erheben. In diesem Gerichtsverfahren entscheidet das Arrestgericht nochmals aber nach Anhörung des Schuldners darüber, ob die Voraussetzungen für die Arrestbewilligung gegeben sind. Möchte sich der Schuldner gegen die Vollstreckbarerklärung wehren, muss er direkt Beschwerde an das obere kantonale Gericht erheben. Der Gläubiger muss den Arrest rechtzeitig prosequieren, d.h. innert jeweils kurzer 10-Tagesfristen in die "normale" Zwangsvollstreckung überführen (vgl. Ziffer 2).
3.3 Vorteile für den Arrestgläubiger
Das Gesetz gewährt dem Arrestgläubiger bei der Verteilung der Vermögenswerte mit Ausnahme der ihm entstandenen Gerichts- und Betreibungskosten keine Vorrechte. Er muss daher damit rechnen, dass er für andere Gläubiger in der gleichen Pfändungsgruppe oder für alle Gläubiger bei der Eröffnung des Konkurses (Insolvenz) über den Schuldner Vermögenswerte des Schuldners gesichert hat.
3.4 Rechtsmittel
Gegen Arresteinspracheentscheide ist das ausserordentliche Rechtsmittel der Beschwerde an die obere kantonale Instanz mit einigen Spezialbestimmungen gegeben. Die Beschwerde hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung und Noven sind zulässig.
4.1 Betreibungsamt, Gerichtskosten
Die Kosten für die Ausstellung des Zahlungsbefehls und die Durchführung der Vollstreckung sowie die Kosten für Gerichtsverfahren (Rechtsöffnung, Arrest) richten sich nach der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Die Kosten für eine explizite Vollstreckbarerklärung nach Art. 52 LugÜ.
4.2 Prozessentschädigung an Gegenpartei
Die im Rechtsöffnungs- und Arresteinspracheverfahren obsiegende Partei hat Anspruch auf eine Entschädigung. Bei anwaltlicher Vertretung richtet sich diese nach der kantonalen Gebührenverordnung.
4.3 Eigene Anwaltskosten
Die eigenen Anwaltskosten richten sich nach der Abmachung mit dem Mandanten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die eigenen Anwaltskosten im Falle des Obsiegens vollständig von der Parteientschädigung der Gegenpartei gedeckt werden.
Autor: Felix C. Meier-Dieterle
Kategorien: Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Blog
Rechtsanwalt
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