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Kategorien: Restrukturierung und Insolvenz, Blog
Die unsichere Weltlage, steigende Zinsen, Inflation und Lieferketteprobleme fordern viele Unternehmen heraus. Das Restructuring & Insolvency-Team von VISCHER zeigt in dieser Blogserie, wie sich Unternehmen durch diese Herausforderungen navigieren können. Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Pflichten des Verwaltungsrats in krisengeprägten Zeiten.
Nein, aber der Verwaltungsrat muss seine Führungsrolle aktiv wahrnehmen. Zwar darf ein Verwaltungsrat die Leitung der Gesellschaft weitestgehend an das Management delegieren. Der Verwaltungsrat nimmt als Leitung der Gesellschaft eine Führungsrolle ein. Obwohl er die Geschäftstätigkeit weitestgehend an das Management delegieren kann, verbleiben gewisse Aufgaben bei ihm und sind unentziehbar und unübertragbar, wie insbesondere die strategische und finanzielle Oberleitung der Gesellschaft. Der Verwaltungsrat nimmt diese Verantwortung wahr, indem er in einem regelmässigen Führungszyklus strategisch plant und das Management instruiert, das Management überwacht und kontrolliert und bei Bedarf Einfluss nimmt. Für diese Tätigkeit reichen normalerweise periodische (beispielweise quartalsweise) Sitzungen. Eine Krise zwingt jedoch den Verwaltungsrat in aller Regel, seinen Führungsrhythmus anzupassen. Der Verwaltungsrat muss sich häufiger informieren und Verwaltungsratssitzungen haben ausserplanmässig und in kürzerem Abstand stattzufinden. Welche Anpassungen notwendig sind, hängt davon ab, wie stark das Unternehmen von der Krise betroffen ist. Während sich der Verwaltungsrat innerhalb des Unternehmens trotz seiner wichtigen Rolle eher an Konstanz und Ruhe gewohnt ist, muss er plötzlich schnell und flexibel erreichbar sein und agieren können. Die Initiative zur Anpassung des Führungsrhythmus sollte vom Präsidenten des Verwaltungsrats ausgehen. Bleibt dieser untätig, empfiehlt es sich für jedes Mitglied des Verwaltungsrats Informationen und Sitzungen beim Präsidenten umgehend einzufordern.
Im Fokus steht die Liquiditätsplanung. Krisen führen in vielen Unternehmen insbesondere zu einem Umsatzeinbruch bei oft unveränderten Kosten. Ohne Massnahmen würden plötzliche Strapazen wie Lieferengpässe aufgrund von politischen Unruhen oder rasant und exponentiell ansteigender Inflation angesichts des massiven Cash-Drains in kurzer Zeit zur Insolvenz führen. Entsprechend muss der Verwaltungsrat regelmässig prüfen, ob die Liquiditätsplanung des Managements und die zu treffenden Massnahmen zur Steuerung der Liquidität geeignet sind. Der Verwaltungsrat hat alle sich anbietenden Massnahmen kritisch und ergebnisoffen zu prüfen und für eine rasche Umsetzung der beschlossenen Massnahmen zu sorgen. Wo das Management stark gefordert oder gar überfordert scheint, darf sich der Verwaltungsrat nicht auf die Delegation der Geschäftsführung verlassen, sondern muss selber aktiv werden, indem beispielsweise der Präsident des Verwaltungsrats oder ein anderes vom Verwaltungsrat bezeichnetes Mitglied des Verwaltungsrats eine aktive Rolle übernimmt. Krisenbedingte Liquiditätsproblemen müssen durch geeignete Massnahmen bekämpft werden wie z.B. Vereinbarungen mit bestehenden Gläubigern und die Beschaffung von Notkrediten. Erst nachgelagert folgen Bilanzprobleme und Überschuldung.
Bei unmittelbar drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hat der Verwaltungsrat umgehend zu handeln.
Droht die Gesellschaft trotz ergriffener Massnahmen zahlungsunfähig zu werden, ist nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung einzureichen. Wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht, muss der Verwaltungsrat eine geprüfte Zwischenbilanz erstellen lassen. Zeigt die Zwischenbilanz eine Überschuldung, muss der Verwaltungsrat umgehend Sanierungsmassnahmen ergreifen oder Konkurs anmelden.
Stehen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unmittelbar bevor, muss der Verwaltungsrat energisch und agil handeln. Es sind verschiedene Optionen in kurzer Zeit zu prüfen, es ist mit zahlreichen Parteien zu verhandeln und die gewählte Lösung zügig umzusetzen. Das ist eine grosse Herausforderung und hohe Belastung für den Verwaltungsrat. Um dies abzufedern empfiehlt es sich je nach finanzieller Situation des Unternehmens schon frühzeitig, im Sinne einer Eventualplanung mögliche Szenarien und Sanierungsmassnahmen zu evaluieren.
In der Regel nicht.
Meist begründen nicht Fehlentscheidungen des Verwaltungsrats die Haftung, sondern die Untätigkeit in den entscheidenden Phasen. Darum sollte der Verwaltungsrat nicht zurücktreten, sondern Informationen beschaffen, handeln und führen. Ohnehin bleibt ein Verwaltungsrat für die Zeit bis zum Austritt weiter verantwortlich. Entsprechend können Versäumnisse durch einen Rücktritt nicht korrigiert werden, sondern nur durch aktives Handeln. Ausserdem ist ein Rücktritt in Krisenzeiten, wenn der Verwaltungsrat gefordert ist, illoyal gegenüber den anderen Mitgliedern des Verwaltungsrats und sendet daher ein schlechtes Signal aus.
Der Verwaltungsrat haftet bei Verletzung seiner Pflichten.
Die Mitglieder des Verwaltungsrats und alle mit der Geschäftsführung befassten Personen sind gemeinsam für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Gewisse Pflichtverletzungen können zudem strafrechtliche Konsequenzen haben.
Zur Haftung führen vor allem Nichtstun, mangelndes Engagement oder Interessenkonflikte. Wenn ein Verwaltungsrat aktiv ist und vertretbare Entscheide in einem sauberen Entscheidfindungsprozess aufgrund einer angemessenen Informationsbasis fällt, kann ihm ein Gericht kaum etwas vorwerfen.
In der Krise empfiehlt sich für jeden Verwaltungsrat aktiv zu werden. Unter Umständen sind heikle Entscheide zu treffen – der Verwaltungsrat muss aber gerade in Krisen Führungsqualitäten an den Tag legen und nicht wegschrecken, wenn es brenzlig wird.
Bei weiteren Fragen, ebenso wie für eine vertiefte Beratung, stehen Ihnen Ihre Ansprechpartner bei VISCHER und das Restrukturierung und Insolvenz-Team wie immer gerne zur Verfügung.
Autoren: Benedict F. Christ, Dorothea Wirth, Alexander Rom, Flavio Langenegger
Rechtsanwalt
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