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Kategorien: Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Restrukturierung und Insolvenz, Blog
Wenn Organe ihrer Gesellschaft, ihren Aktionären oder ihren Gläubigern einen Schaden verursacht haben, stellt sich regelmässig die Frage, welche Klagen der geschädigten Partei zur Verfügung stehen, und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Können verschiedenen Klagen gleichzeitig oder nur in einer bestimmten Reihenfolge erhoben werden? Der Beklagte wird oftmals einwenden, die gegen ihn erhobene Klage sei subsidiär, und der Kläger habe zuerst gegen einen Dritten vorzugehen bzw. eine andere Klage zu erheben.
Gemäss der Praxis des Bundesgerichts steht die gegen Beschlüsse der Generalversammlung gerichtete Anfechtungsklage nicht zur Verfügung, wenn sie sich auf einen Sachverhalt stützt, der Gegenstand einer Verantwortlichkeitsklage bilden kann. Die Gerichte möchten sich nicht zweimal mit demselben Sachverhalt beschäftigen müssen. Es ist aus denselben Gründen davon auszugehen, dass das Bundesgericht auch die Nichtigkeitsklage als nachrangig beurteilen würde.
Beim Verhältnis der Verantwortlichkeitsklage
sind ebenfalls zahlreiche Einzelheiten zu berücksichtigen. Die Aktivlegitimation (klageberechtigte Person), die Passivlegitimation (Beklagter), der relevante Schaden, die Rechtsfolge und weitere Aspekte können sich bei diesen Klagen unterschiedlich darstellen. So kann z.B. die Rückerstattung nur an die Gesellschaft verlangt werden. Die paulianische Anfechtungsklage kann erst nach Konkurseröffnung erhoben werden und wirkt zugunsten der klagenden Konkursverwaltung bzw. des klagenden Konkursgläubigers. Die Verantwortlichkeitsklage kann auch ausserhalb eines Konkurses erhoben werden, dann aber nicht von Gläubigern der Gesellschaft. Die Auflösungsklage richtet sich gegen die Gesellschaft, hat aber nicht (direkt) eine Geldleistung zum Gegenstand.
Das prozessuale Vorgehen muss daher – gleich wie die damit angestrebten Ziele – sehr sorgfältig analysiert werden. Auch taktische Überlegungen und die Bonität des Beklagten (und eine allenfalls bestehende Haftpflichtversicherung des Beklagten) können selbstverständlich eine Rolle dabei spielen, zu welchen Klagen gegriffen wird.
Abwehrmöglichkeiten Business Judgment Rule Wer als Verwaltungsrat oder Geschäftsführer mit einer Verantwortlichkeitsklage konfrontiert ist, hat verschiedene Abwehrmöglichkeiten. Zur Abwehr von Verantwortlichkeitsansprüchen wird immer häufiger die sog. Business Judgment Rule angerufen. Geschäftsentscheide, die aufgrund eines einwandfreien Entscheidprozesses, auf angemessener Informationsbasis und frei von Interessenkonflikten getroffen wurden, dürfen vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden. Tatsächlich auferlegen sich die Schweizer Gerichte bei der nachträglichen Überprüfung von Geschäftsentscheiden grosse Zurückhaltung. Beurteilt wird nur die Vertretbarkeit von Entscheidungen, nicht ihre Fehlerhaftigkeit oder Angemessenheit. Geschäftsentscheide werden ex ante und nicht aufgrund der erst später gewonnenen Erkenntnisse beurteilt. Der Gesamtzusammenhang (inkl. finanzielle Basis) und die Chancen, die mit dem Geschäft ver-knüpft waren, werden ebenso berücksichtigt wie das Gesellschaftsinteresse.
Auch das Konzerninteresse kann grundsätzlich berücksichtigt werden, doch kann die Kenntnis der Organe einer Konzerngesellschaft über die Verhältnisse bei anderen Konzerngesellschaften auch haftungserhöhend wirken. Eine solche Kenntnis wird bei bestimmten paulianischen Anfechtungsklagen mit Bezug auf Konzernverhältnisse gar vom Gesetz als gegeben vermutet (Beweislastumkehr).
Die Praxis zeigt allerdings, dass die Anrufung der Business Judgment Rule kein Garant für eine erfolgreiche Abwehr von Verantwortlichkeitsansprüchen ist. An den Nachweis der genannten Voraussetzungen der Business Judgment Rule werden hohe Anforderungen gestellt. Es ist daher wichtig, dass Entscheidprozesse korrekt durchgeführt und genau dokumentiert werden. Insbesondere bei allfälligen Interessenkonflikten muss auf marktgerechte Konditionen und eine umfassende Dokumentation geachtet werden. Diskussionen und Abklärungen zum Geschäftsentscheid im Sinne einer Chancen-Risiko-Abwägung sind ebenfalls detailliert schriftlich festzuhalten.
Aufgabendelegation und Ausschüsse Auch eine Delegation von Aufgaben an die Geschäftsführung oder eine Arbeitsteilung innerhalb des Verwaltungsrats kann die Verantwortlichkeit des individuellen Organs einschränken.
Eine Pflichtendifferenzierung zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsführung ist jedoch nur bezüglich solcher Aufgaben zulässig, die nicht von Gesetzes wegen unübertragbar sind. Die Delegation bedarf zudem einer statutarischen Grundlage und eines Organisationsreglements. Die Delegationsempfänger müssen sorgfältig ausgewählt, instruiert und überwacht werden.
Eine Aufgabenteilung innerhalb des Verwaltungsrats (z.B. durch Bildung von Verwaltungsrats-ausschüssen) ist für eine Beschränkung der eigenen Verantwortlichkeit weniger geeignet, da die Entscheidungsbefugnisse beim Gesamtverwaltungsrat verbleiben. Keine Pflichtverletzung liegt immerhin vor, wenn Fehler anderer Verwaltungsratsmitglieder trotz sorgfältiger Ausübung des eigenen Mandats – wozu auch die Pflicht gehört, sachgerechte und kritische Fragen an die übrigen Verwaltungsratsmitglieder zu richten – nicht erkennbar waren.
Einwilligung des Geschädigten Die Einwilligung des Geschädigten kann in der Praxis ebenfalls zu einer Einschränkung der Verantwortlichkeit führen. Sie wirkt allerdings nur, soweit sie auf umfassender Informationsbasis erfolgte. In Frage kommt dabei in erster Linie die Zustimmung des umfassend informierten Alleinaktionärs. Eine Konsultativabstimmung der Generalversammlung mit Mehrheitsbeschluss dürfte dagegen eher selten zur Einschränkung der Haftung führen.
Streitverkündungsklage vs. einfache Streitverkündung Kläger und Beklagte stehen im Zusammenhang mit den oben dargestellten Klagen oftmals vor der Frage, ob sie für den Fall des Unterliegens beim Gericht, das mit der Hauptklage befasst ist, Streitverkündungsklage gegen einen Dritten erheben sollen. Insbesondere hinsichtlich allfälliger Regressforderungen der beklagten Revisionsstelle oder des beklagten Verwaltungsratsmitglieds gegen die (übrigen) Verwaltungsratsmitglieder wird diese Frage aktuell.
Mit der Erhebung der Streitverkündungsklage werden die Ansprüche der verschiedenen Parteien in einem einzigen Prozess gerichtlich zur Beurteilung gebracht. Der Prozess erweitert sich dadurch zu einem Gesamt- bzw. Mehrparteienverfahren. Die Situation kann daher unübersichtlich und aufwendig werden. Die Streitverkündungsklage kann nach unserer Erfahrung zudem dazu führen, dass die den Streit verkündende Partei scheinbar widersprüchlich argumentieren und auf diese Weise ihren eigenen Standpunkt schwächen muss.
Die Streitverkündungsklage ist grundsätzlich zu beziffern, was vor dem Entscheid des Hauptprozesses jedoch oftmals kaum möglich ist. Wird die Hauptklage abgewiesen, so fällt die Streitverkündungsklage zudem nicht einfach dahin, sondern wird ebenfalls abgewiesen, was wiederum Kosten- und Entschädigungsfolgen zeitigt.
In der Praxis erweist sich die einfache Streitverkündung daher oftmals als vorteilhafter. Der Streitberufene kann dem Hauptprozess unterstützend beitreten, ohne dass es dadurch zum Mehrparteienverfahren kommt. Ansonsten riskiert der Streitberufene, im gegen ihn gerichteten späteren Prozess mit dem Einwand nicht gehört zu werden, der Kläger habe den Hauptprozess nicht sorgfältig geführt.
Auch die Frage, ob eine Streitverkündungsklage oder eine einfache Streitverkündung vorteilhafter ist, kann jedoch nur nach einer eingehenden Analyse des konkreten Sachverhalts beantwortet werden.
Bei Fragen und für weiterführende Hinweise stehen das Prozessführungsteam, das Insolvenzrechtsteam und das Gesellschaftsrechtsteam gerne zur Verfügung.
Autor: Thomas Steiner-Krizaj
Rechtsanwalt
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