Close
Wonach suchen Sie?
Site search
12. August 2021 Treu sein auch in der Freizeit?

Zurzeit sind viele Arbeitnehmer in ihrem wohlverdienten Sommerurlaub. Der Sommer lässt die Arbeit und Politik etwas in den Hintergrund rücken. Die Corona-Krise wiederum hat die Gestaltung von Arbeit und Freizeit sowie das Politisieren generell vermehrt in den Vordergrund gestellt. Eine interessante Schnittstelle liegt in der Frage, wie es um die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern in ihrer Freizeit steht, zum Beispiel, wenn diese gerne politisch aktiv sind. Bei einer eigentlichen Treuepflichtverletzung können vielfältige rechtliche Konsequenzen wie Schadensersatz oder Kündigung drohen. 

Wie weit geht die Treuepflicht dem Arbeitgeber gegenüber? Inwieweit kann der Arbeitgeber auch hinsichtlich der Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers mitreden? Der folgende Beitrag wirft einen näheren Blick auf die Freiheit in der Freizeit und ihre arbeitsrechtlichen Grenzen samt den möglichen rechtlichen Folgen.

Treuepflicht zum Arbeitgeber

Die Besonderheit des Arbeitsvertrags ist die gegenseitige persönliche Bindung. Anstoss dieser Bindung ist die Treuepflicht. So hat der Arbeitnehmer gemäss OR 321a die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Dabei ist die Stellung des Arbeitsnehmers insofern von Relevanz, als je höher diese ist, desto stärker auch die Treuepflicht ins Gewicht fällt. Diese Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers ist keine absolute, sondern geht nur so weit, als es die Verwirklichung des Arbeitserfolgs betrifft. Die Treuepflicht ist also zweckgebunden. Sie umfasst auch eine Pflicht, den Arbeitgeber über entscheidende Tatsachen zu informieren. 

Persönlichkeitsentfaltung des Arbeitnehmers

Als Pendant zur Treuepflicht seitens des Arbeitnehmers hat dieser Anspruch auf Schutz seiner Persönlichkeit (OR 328, ZGB 28). Zu dieser Persönlichkeitsentfaltung gehört grundsätzlich auch die Freiheit, seine Freizeit beliebig zu gestalten. Diese stellt im Allgemeinen eine Privatsache des Arbeitnehmers dar und zwar von der Bewerbung bis hin zur Kündigung. 

Individuelle Freizeitgestaltung, Nebenbeschäftigungen sowie politische Betätigungen sind also im Allgemeinen unbenommen möglich. Dieser Grundsatz gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Arbeitnehmer sich klassischerweise zu Arbeit verpflichtet und nicht zum Verzicht auf andere Beschäftigungen oder Arbeiten. 

Einschränkungen in der Freizeitgestaltung

Die anderweitige Aktivität darf aber keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben. Grenzen bilden die pflichtgemässe Einsatzbereitschaft und Arbeitserledigung sowie das Vertrauen allgemein. Es gibt also Einschränkungen quantitativer wie qualitativer Natur. Dabei gilt es mit Blick auf die Treuepflicht auch die Verhältnismässigkeit in ihrer Gänze zu betrachten – bin ich beispielsweise politisch aktiv gegen meinen Arbeitgeber (oder dessen Interessen) oder politisiere ich ganz allgemein und ohne direkten Bezug zu diesem.

Eine eigentliche Nebenbeschäftigung kann auch unentgeltlich sein. Zeitintensive Hobbies, gemeinnützige Aktivitäten oder ehrenamtliches Politisieren sind somit ebenfalls erfasst. Eine Nebenbeschäftigung darf in aller Regel auch nicht konkurrenzierend sein. Die Beschäftigung darf auch nicht zu einer Aushebelung der gesetzlich vorgesehenen Ruhe- und Erholungsphasen führen bzw. die diesbezügliche Leistungsmöglichkeit des Arbeitnehmers beeinträchtigen.

Tendenzbetriebe und Staatsstellen

Eine Abstufung der Treuepflicht nach verschiedenen Arten von Arbeitgebern findet sich im Obligationenrecht zwar nicht. Gemäss Lehre und Rechtsprechung besteht bei Betrieben mit rein oder vorwiegend ideellem Zweck jedoch eine höhere Treuepflicht (sogenannte Tendenzbetriebe). Dies äussert sich dergestalt, als dass nicht nur der Arbeitgeber selbst, sondern auch die von diesem vertretenen Werte dem Grundsatz nach zu achten sind. Das Interesse solcher Arbeitgeber geht insofern weiter, als dass unter die Treuepflicht auch die Treue zu den ideellen Zielen und Werten des Arbeitgebers gehört. 

Eine erhöhte Treuepflicht besteht im Übrigen auch bei staatlichen Arbeitsverhältnissen. Dies ergibt sich unter anderem aus den öffentlichen Interessen, welche diese zu vertreten haben. Oftmals haben solche Mitarbeitenden überdies autoritative Befugnisse. Bei Tendenzbetrieben und staatlichen Stellen dürfte sich der Arbeitgeber unter bestimmten Umständen bereits im Bewerbungsprozess nach der Freizeitgestaltung erkundigen. Dies hätte unter einer sorgfältigen Abwägung der Grundrechtsausübung und dem Erfordernis dieser Informationen für das Arbeitsverhältnis zu erfolgen.

Rechtliche Konsequenzen bei Verletzung der Treuepflicht

Bei Verletzung der Treuepflicht können verschiedene rechtliche Konsequenzen drohen. Erfährt der Arbeitgeber von treuwidrigem Verhalten, könnte er Unterlassungs-Weisungen erteilen, Klage nach OR 321e samt möglicher Schadenersatzforderungen erheben oder um Erlass vorsorglicher richterlicher Verfügungen ersuchen. Die Weisungen gehen dabei über das Geschäftsleben betreffende, betriebsintern angedachte Weisungsrecht nach OR 321d hinaus, da sie auch das Privatleben anvisieren. In Betracht kommen auch die Klagen des Persönlichkeitsschutzes nach ZGB 28 ff. bei einem Verstoss gegen die Persönlichkeit des Arbeitgebers. Kürzungen oder das Streichen von Gratifikationen und freiwilligen Vergütungselementen sind ebenfalls möglich. Ist das Vertrauensverhältnis erschüttert, kann auch eine Kündigung ausgesprochen werden. In schweren Fällen könnte eine solche auch fristlos erfolgen.

Entscheidend ist im Übrigen nicht der tatsächlich erwachsene Nachteil für den Arbeitgeber, sondern das Gewicht der Treulosigkeit, was von Fall zu Fall individuell angesichts der konkreten Umstände zu beurteilen ist. 

Empfehlungen

Eine klare Grenzziehung zu treulosem Verhalten gestaltet sich oftmals schwierig. Wir empfehlen Arbeitnehmern daher, im Hinblick auf die Treuepflicht darauf zu achten, ob die gewählte Freizeitbeschäftigung einen Einfluss auf das Vertrauen des spezifischen Arbeitgebers und die Leistungsbereitschaft haben könnte. Falls ja, sollte offen darüber kommuniziert oder eine solche Tätigkeit unterlassen werden. Eigentliche Nebenbeschäftigungen sowie Freizeitaktivitäten innerhalb der formellen Arbeitszeit sollten dem Arbeitgeber jeweils mitgeteilt bzw. beantragt werden. Bei transparentem Informationsfluss kann der Arbeitgeber auch besser prüfen, ob er Risiken für das Vertrauen oder die Einsatzfähigkeit sieht. Auf überflüssige Angaben aus dem reinen Privatbereich ohne Bezug zu Arbeit, Arbeitgeber und Leistung kann ganz im Interesse von Freiheit und Freizeit verzichtet werden.

Autoren: Marc Ph. Prinz, Nicolai Bleskie

Autor