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12. März 2024 Teil 9: KI im Marketing: 4 wettbewerbsrechtliche Fallstricke

Künstliche Intelligenz kann Unternehmen helfen, ihre Marketingprozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Mehr noch: Es lässt sich damit auch das Kundenerlebnis online verbessern. Beispiele hierfür sind Chatbots als digitale Verkaufsberater und personalisierte Werbung. Doch beim Einsatz von KI im Marketing sind verschiedene wettbewerbsrechtliche Fallstricke zu beachten. Eine Einordnung unter Schweizer Recht mit besonderem Fokus auf Chatbots als Teil 9 unserer KI-Serie.

Künstliche Intelligenz (KI) hat es längst auch in die Marketingabteilungen von Unternehmen geschafft. Es geht dabei um mehr als die effizienzsteigernde Automatisierung von Prozessen. Forbes zufolge soll die Vorhersageanalyse (predictive analytics) und die Nutzung der resultierenden Trends und Muster, um Marketingstrategien zu optimieren, auch in diesem Jahr wichtig bleiben. Zunehmend an Bedeutung gewinne dabei aber das Zusammenspiel zwischen Mensch und KI: die Entscheidungsträger in Unternehmen müssten vermeiden, bloss auf "set it and forget it" Automatisierungsstrategien zu setzen und stattdessen einen kollaborativeren Ansatz verfolgen.

Mittels KI-gestützter Datenanalyse (Tools zur Zielgruppenanalyse wie z.B. Medienbeobachtung oder Social Listening) lässt sich das Kundenverhalten besser verstehen und antizipieren. Solche Systeme schaffen die Grundlage, um Kunden im E-Commerce vollautomatisch personalisierte Werbung und Preise anzuzeigen. Schliesslich gibt es auch KI-gestützte Tools zur Analyse von Leistungskennzahlen (KPIs), mit denen sich der Erfolg von Werbekampagnen messen lässt.

Der Einsatzbereich von KI im Marketing geht aber über die Datenanalyse hinaus. Auch die Kundenkommunikation lässt sich mit KI-gestützten Chatbots automatisieren. Kunden erhalten damit im Idealfall ein besseres Erlebnis. Unternehmen ihrerseits sparen zunächst mal Kosten. Chatbots erlauben es Unternehmen aber auch, Kunden gezielter und subtiler anzusprechen und zu einem Kauf zu bewegen als beispielsweise mit Werbebanners. Im Laufe einer Unterhaltung mit einem Chatbot kann dieser dem Kunden etwa die Eigenschaften eines bestimmten Produkts näher erläutern und weitere oder andere Produkte anzeigen, die dem Kunden ebenfalls oder gar noch besser gefallen. Das Unternehmen erhält letztlich ein noch besseres bzw. authentischeres Bild von ihren Kunden.

Wie weit darf die Kundenbeeinflussung beim Einsatz von KI im Marketing gehen bzw. wo liegt die Grenze zu unlauterem Verhalten aus Sicht des Schweizer Rechts?

Was sagt das Schweizer (Wettbewerbs-)Recht?

Das Schweizer Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt zwar den Einsatz von KI in der kommerziellen Kommunikation (noch) nicht. Wer aber meint, Marketing und Werbung mithilfe von KI sei vom Gesetz noch nicht erfasst, der irrt. Auch ohne spezifische KI-Regelung sind viele Fälle vom bestehenden Recht bereits erfasst.

Auseinandersetzungen mit den sich stellenden wettbewerbsrechtlichen Fragen fehlen momentan noch weitgehend.

Bereits intensiver diskutiert wurden und werden demgegenüber datenschutz- und immaterialgüterrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI, und diesbezüglich lässt sich innerhalb der Unternehmen auch bereits ein gewisses Sensorium feststellen. Diese Themen sind Gegenstand anderer Beiträge unserer KI-Serie (siehe Teil 2, Teil 4 sowie Teil 10 unserer KI-Serie).

Hier anklicken für die PowerPoint-Folie (nur auf Englisch verfügbar)

Fallstrick 1: KI-generierte Aussagen

Sie setzen einen Chatbot zur direkten Kundenansprache ein. Zwar können (und sollen) Sie dafür sorgen, dass der Chatbot auf einen Datensatz zurückgreift, der stets aktuell ist. Eine eigentliche Kontrolle über die von ihm generierten Aussagen haben Sie aber nicht.

Wettbewerbsrechtlich kann das insofern problematisch sein, als unlauter handelt, wer falsche oder irreführende geschäftsbezogene Angaben macht (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Dass bei einem Chatbot immer auch das Risiko einer ungenauen Aussage besteht, hat inzwischen als allgemein bekannt zu gelten und ist letztlich von den Nutzern hinzunehmen. Zur Verdeutlichung empfiehlt es sich hier, an geeigneter Stelle einen entsprechenden Disclaimer anzubringen.

Die Grenze zum unlauteren Verhalten wird aber dann überschritten sein, wenn das Unternehmen einen Chatbot nachweislich so konzipiert hat, dass er geradezu auf falsche oder irreführende Aussagen ausgelegt ist. Zu denken ist hier etwa an den Fall, dass ein Unternehmen beim Chatbot keine Schnittstelle zum eigenen System der Bestandsverwaltung einrichtet, sondern den Chatbot mit falschen oder nicht aktuellen Daten füttert, so dass dieser dann beispielsweise wahrheitswidrig angibt, von einem bestimmten Produkt sei nur noch eines vorrätig.

Um auch das Risiko zu minimieren, dass das Unternehmen an bestimmte Aussagen des Chatbots gebunden ist, sollte den Nutzern/Kunden in den Nutzungsbedingungen klargemacht werden, wozu der Chatbot dient – und wozu nicht (z.B. Chatbot als Marketinginstrument, aber nicht als Rechtsauskunft).

In der Verantwortung sind hier letztlich aber auch die Nutzer/Kunden selbst: Wer den Chatbot bewusst dazu missbraucht, ihn zu falschen, irreführenden oder anderswie problematischen Aussagen zu verleiten, wird das Unternehmen, das ihn einsetzt, für solche Aussagen nicht haftbar machen können.

Fallstrick 2: Werbender Charakter und Transparenzgebot

Wird ein Chatbot oder ein computergeneriertes Bild zu Marketingzwecken eingesetzt, muss der werbende Charakter klar erkennbar sein. Würde der Kunde über den Werbecharakter irregeführt, wäre dies eine unlautere Wettbewerbshandlung (Art. 2 UWG).

In der Praxis sind allerdings kaum Fälle denkbar, in denen sich dieser Charakter nicht aus den Umständen ergeben würde (so dass eine ausdrückliche Kenntlichmachung der Werbung erforderlich wäre). Ist etwa der Chatbot im E-Commerce als eine Art digitaler Verkaufsberater ausgestaltet oder steht das computergenerierte Bild im Zusammenhang mit der Präsentation eines neuen Produkts, ist der werbende Charakter ohne weiteres erkennbar.

Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob Unternehmen transparent machen müssen, dass sie KI einsetzen.

Unter Schweizer Wettbewerbsrecht gibt es derzeit noch keine solche Transparenzpflicht. Unlauter ist allerdings ein in allgemeiner Weise täuschendes oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossendes Verhalten, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst (Art. 2 UWG). Bei der Konzipierung eines Chatbots sollte jedenfalls vermieden werden, beim Nutzer den falschen Eindruck zu erwecken, er kommuniziere mit einem Menschen. Dasselbe gilt, wenn ein computergeneriertes Bild zu Werbezwecken eingesetzt wird. Man denke im letzteren Fall etwa an eine computergenerierte, traumhafte Landschaft, die in einer Werbung für ein Hotel gezeigt wird, die zwar realitätsnah gestaltet ist, von den tatsächlichen Verhältnissen rund um das Hotel aber wesentlich abweicht und das Hotel dadurch attraktiver erscheinen lässt als es wirklich ist.

Ob ein entsprechender Hinweis auf die eingesetzte KI (z.B. "Bild KI-generiert") aus wettbewerbsrechtlicher Sicht geboten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Als Faustregel kann festgehalten werden, dass es einen solchen Hinweis braucht, wenn der Einsatz der KI geeignet (oder gar dazu bestimmt) ist, sich in unlauterer Weise auf die Marktverhältnisse auszuwirken. Im erwähnten Beispiel der Hotelwerbung wäre dies gegeben, da die Werbetreibende sich mit dem computergenerierten Bild offensichtlich attraktiver darstellen will als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Im Zweifel sollte auf den Einsatz von KI hingewiesen werden.

Bereits fortgeschritten ist die Regulierung in der EU: Die sog. KI-Verordnung, die voraussichtlich noch 2024 in Kraft treten wird (siehe Gesetzgebungs-Tracker der EU hier und auch Teil 7 unserer KI-Serie), enthält bereits konkretere Transparenzvorschriften. Artikel 52 des aktuellen Entwurfs der KI-Verordnung sieht Transparenzpflichten für bestimmte KI-Systeme vor. So wird in der EU neu eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht u.a. für Chatbots bestehen (soweit nicht offensichtlich ist, dass es sich um Chatbots bzw. keine menschliche Kommunikation handelt) und auch für computergenerierte Bilder, die wirklichen Personen, Gegenständen oder Orten ähneln und einem fälschlicherweise als echt oder wahrhaftig erscheinen (sog. Deep Fakes).

Fallstrick 3: Anlehnung an Mitbewerber und Verwertung fremder Leistung

Wird KI zur Erstellung von Werbung genutzt, kann es vorkommen, dass das Publikum meint, es handle sich vom Stil und der Aufmachung her um Werbung eines bestimmten Unternehmens, wobei es sich tatsächlich aber um Werbung einer Mitbewerberin handelt.

Dabei ist denkbar, dass die Werbetreibende eine solche Nachahmung bewusst anstrebt. Es ist aber auch denkbar, dass die Nachahmung unbeabsichtigt erfolgt, nämlich dann, wenn sich das eingesetzte KI-System immer wieder aufs Neue ähnlicher oder gar denselben gestalterischen Elementen bedient, wie sie in der Werbung anderer bereits vorkommen (mit in der Folge stets ähnlicher oder gar identischer Ergebnisse). Auch eine solche unbeabsichtigte Nachahmung muss die Werbetreibende sich anrechnen lassen, zumal es zur Natur der KI gehört, dass sie von Bestehendem lernt bzw. dieses als Grundlage nimmt und sie nicht von sich aus "kreativ" ist.

Wettbewerbsrechtlich kann dies in dreierlei Hinsicht problematisch sein. Wer seine Werbung (ausschliesslich) mithilfe von KI generiert, riskiert erstens, dadurch eine unlautere Verwechslungsgefahr zu Mitbewerbern und deren Marktauftritt zu schaffen (Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG). Zweitens riskiert er/sie damit auch, sich unlauter mit Mitbewerbern zu vergleichen (Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG). Drittens kann der vom eingesetzten KI-System generierte Output einem marktreifen Arbeitsergebnis eines Dritten sehr nahekommen, ohne dass selbst ein angemessener Aufwand betrieben wurde. Abhängig von den konkreten Umständen könnte dies eine unlautere Verwertung einer fremden Leistung i.S.v. Art. 5 lit. c UWG darstellen. Inwiefern die Verarbeitung der Inhalte im Rahmen des Trainings als "angemessener eigener Aufwand" angesehen werden kann, wird sich in der Praxis weisen müssen.

Um das Risiko solcher Wettbewerbsverstösse zu minimieren, sollte von einer vollständig KI-generierten Werbung abgesehen werden. Damit lassen sich auch gleichzeitig weitere Risiken reduzieren: Einerseits das Risiko der Verletzung von Urheberrechten Dritter und andererseits das Risiko unangemessener (z.B. sexistischer oder rassistischer) Werbung, das bei bestimmten, zu Stereotypen neigenden KI-Systemen besteht.

Fallstrick 4: KI-gestütztes Targeting

Ein Chatbot als digitaler Verkaufsberater kann so konzipiert sein, dass er den Kunden unterschwellig dazu bringt, den Kaufentscheid nicht aufgrund der in Frage stehenden Leistung zu treffen, sondern der Kunde sich aufgrund der angewandten Verkaufsmethode zum Vertragsschluss genötigt fühlt. Zu denken ist hier an KI-gestützte Datenanalyse, mittels der das Kundenverhalten besser verstanden und antizipiert und gestützt darauf personalisierte Werbung ausgeliefert/dem Kunden angezeigt werden kann.

Ein solches Targeting kann je nach Umständen eine "besonders aggressive Verkaufsmethode" i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. h UWG darstellen, die den Kunden auf unlautere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Die vorausgesetzte besondere Aggressivität dürfte beim KI-gestützten Targeting in der Praxis allerdings nur selten gegeben sein (etwa wenn der Chatbot den Kunden durch Überraschung, Überrumpelung, Druck, Zwang oder Belästigung in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen und sich insofern eines sog. Dark Patterns bedienen würde).

Der Chatbot sollte so konzipiert werden, dass das Risiko einer solchen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Nutzer minimiert wird.

Wer haftet für Wettbewerbsverstösse und was droht?

Wird KI im Marketing eingesetzt, stellt sich die Frage, wer haftet, wenn dabei unlauterer Wettbewerb betrieben wird.

Wettbewerbsrechtlich haftet die Werbetreibende, wenn sie KI als Instrument im Marketing einsetzt. Für Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Feststellung, Berichtigung und Urteilspublikation (sog. negatorische Ansprüche) können auch einzelne Arbeitnehmende haftbar gemacht, sofern ihnen im Einzelfall ein Fehlverhalten nachweisbar ist (Art. 11 UWG e contrario).

Wer einen Wettbewerbsverstoss begeht, setzt sich zivil-, verwaltungs- oder gar strafrechtlichen Ansprüchen Dritter wie Mitbewerber, Konsumenten oder Behörden aus.

Die grösste praktische Relevanz haben hier Unterlassungs- und Beseitigungsklagen. Immer öfters bedienen sich insbesondere Mitbewerber aber auch strafrechtlicher Mittel. Hier droht bei vorsätzlicher Begehung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe, deren Höhe vom Verschulden sowie von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängig ist (maximale Höhe CHF 540'000). Die Strafbarkeit setzt grundsätzlich bei jener Person an, die für den Wettbewerbsverstoss verantwortlich ist (z.B. Head of Marketing), und nur im Ausnahmefall beim Unternehmen. Eine Verurteilung hat auch einen Eintrag im schweizerischen Strafregister zur Folge (Art. 16 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 18 Abs. 1 des Schweizer Bundesgesetzes über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA).

Beim Einsatz von KI zu Werbezwecken lauern verschiedene wettbewerbsrechtliche Fallstricke. Werbetreibende sind gut beraten, diese Fallstricke im Auge zu behalten und insbesondere eingesetzte Chatbots so zu konzipieren, dass die mit ihnen einhergehenden Risiken möglichst reduziert werden.

Autor: Jonas D. Gassmann

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Unternehmen:

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