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Kategorie: Data & Privacy
Nebst Sorgen betreffend Daten- und Geheimnisschutz ist die Furcht einer Verletzung von Urheberrechten für viele das zweite grosse Hindernis beim Einsatz von künstlicher Intelligenz. In der Praxis ist das Risiko jedenfalls für jene, die auf bereits vorgefertigte KI-Modelle zurückgreifen jedoch nicht sehr hoch – wenn einige Regeln berücksichtigt werden. Darauf gehen wir in diesem Teil Nr. 14 unserer KI-Blog-Serie ein.
Zunächst einmal ein kurzer Überblick, wo sich in Bezug auf Rechte Dritter an Inhalten überhaupt ein Problem stellt, wenn insbesondere generative künstliche Intelligenz benutzt wird. Dabei geht es nicht nur um das Urheberrecht, sondern auch das Lauterkeitsrecht und Spezialgesetze sind hier zu beachten. Es kann je nach Rechtsordnung zum Beispiel die Übernahme von marktreifen Arbeitsergebnissen anderer ohne angemessenen eigenen Aufwand (Art. 5 des Schweizer Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb) oder die Übernahme ganzer fremder Datenbanken oder grosser Teile davon untersagen, selbst wenn sie nicht urheberrechtlich geschützt sind (EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken). In Teil Nr. 10 unserer KI-Blog-Serie haben wir dabei eingehend die Verantwortlichkeit von KI-Anbietern und -Nutzern erörtert, wenn es um Drittrechte an Inhalten geht.
Geht es um das Urheberrecht und vergleichbare Themen, stellen sich für den Anwender von KI-Systemen mit vorgefertigten KI-Modellen Herausforderungen in drei Bereichen:
Hier die sieben Herausforderungen in einer grafischen Übersicht:
Diese Darstellung der Herausforderungen berücksichtigt noch nicht, dass selbst dort, wo keine Erlaubnis des Rechteinhabers zur Verwendung eines Inhalts vorliegt, eine solche Verwendung vom Gesetzgeber erlaubt sein kann (z.B. Zitatrecht, betrieblicher Eigengebrauch, Verwendung für Wissenschaft und Forschung). Ob eine solche "Schrankenbestimmung" greift, ist im Einzelfall zu prüfen. Diese Fälle werden in diesem Beitrag nicht näher erläutert. Auf das Training bzw. den Aufbau von KI-Modellen gehen wir an dieser Stelle nicht ein. Auf einige Fragen hierzu werden wir in einem separaten Beitrag eingehen. Ebenso gehen wir hier nicht auf Patent- und Markenrechte ein, die natürlich ebenfalls verletzt sein können.
Um all diese sieben Herausforderungen muss sich ein Anwender kümmern, um generative KI ohne Sorge vor Urheber- und gewerblichen Schutzrechten Dritter nutzen zu können. Bevor wir auf die Massnahmen eingehen, die zu diesem Zweck in der Praxis getroffen werden können, machen wir einige Vorbemerkungen, die uns zum rechtlichen Verständnis unserer Empfehlungen wichtig erscheinen. Sie geben die persönliche Auffassung des Autors wieder, sind nicht unumstritten, hängen vom jeweiligen nationalen Recht ab und richten sich in erster Linie an jene Leserinnen und Leser, die sich für das Thema insbesondere des Urheberrechtsschutzes bei der Verwendung von generativer KI vertiefter interessieren (wer das nicht tut, sollte direkt zum Titel "Empfehlungen für die Praxis" springen):
Die verschiedenen Fallkonstellationen des Urheberrechts in der Praxis haben wir auf dieser Übersicht zusammengestellt (nur auf Englisch):
Dass wir an dieser Stelle nicht auf das Training von KI-Modellen eingehen, hat nicht nur damit zu tun, dass nicht sehr viele Unternehmen ein solches selbst erstellen, sondern auch, dass der Verwender eines KI-Modells für Urheberrechtsverletzungen beim Training eines solchen Modells, sofern er es nicht in Auftrag gegeben hat oder daran beteiligt war, nach unserer Auffassung normalerweise nicht verantwortlich gemacht werden kann. Wer eine Suchmaschine wie Google oder eine Plattform wie YouTube benutzt, kann nicht oder wird in der Praxis jedenfalls nicht für etwaige Verstösse des Betreibers eines solchen Services belangt.
Die Verantwortung des Anwenders liegt in der Art und Weise, wie er den Service benutzt, wofür und womit, d.h. welchen Input er liefert und was er mit dem Output tut. Verletzt dieser Output etwaige Drittrechte unwissentlich, schützt ihn das allerdings ebenfalls nicht, da es im Urheberrecht grundsätzlich keinen Schutz des guten Glaubens gibt; es bleibt eine Rechtsverletzung, auch wenn der Anwender nichts dafür kann. Lediglich bei Themen wie Schadenersatz oder Strafbarkeit (eine Urheberrechtsverletzung kann beides mit sich bringen) werden solche Umstände relevant.
Auch keine weiteren Ausführungen machen wir an dieser Stelle schliesslich zum Thema Leistungsschutzrecht für Medien, welches in verschiedenen Rechtsordnungen existiert und in der Schweiz derzeit diskutiert wird. Es geht um die Abgeltung von Medienhäusern, wenn deren Online-Inhalte genutzt werden, und zwar teilweise auch dann, wenn sie keinen individuellen Charakter aufweisen.
Damit sich eine Organisation in der Praxis möglichst gut absichern kann im Bereich der vorgenannten Herausforderungen, empfehlen wir folgende Massnahmen zu prüfen:
Zusammengefasst kann den Endanwendern von generativer KI zum Schutz vor der Verletzung von Drittrechten somit was folgt empfohlen werden:
Machen Sie den Nutzern auch klar, dass obwohl KI die Generierung von Inhalten viel einfacher als bisher machen kann, es trotzdem (in der Regel) nicht erlaubt ist, geschützte Inhalte Dritter zu kopieren oder nachzuahmen. Kurz: Was bisher nicht erlaubt war, bleibt auch mit GenKI tabu.
Mit diesen Massnahmen kann ein Unternehmen unserer Sicht nach seine Risiken aufgrund der Verletzung von Drittrechten durch die Verwendung von generativer KI gut kontrollieren. Die grössten Risiken sehen wir bei denjenigen Inhalten, welche die Mitarbeitenden selbst zur Verarbeitung einbringen; diese lassen sich mit entsprechender Schulung, Prüfung und Überwachung aber verhältnismässig gut in den Griff bekommen.
Dasselbe gilt für die Auswahl der zugelassenen KI-Tools und Services; die Prüfung der Vertragsbestimmungen mag mühsam sein, gehört aber zur Compliance dazu. Das Risiko einer vom Benutzer ungewollten und nicht verursachten Urheberrechtsverletzung aufgrund von in einem KI-Modell enthaltenen Inhalten erachten wir hingegen als eher gering und primär als das Problem der Anbieter der betreffenden KI-Tools und Services.
Und noch ein weiterer Punkt zum Schluss, über den bei diesem Thema bisher kaum diskutiert wird: Bedacht werden sollte nicht nur das Risiko einer etwaigen Verletzung von Drittrechten und die ungewollte Preisgabe eigener geschützter Werke wegen der KI, sondern auch die Risiken einer fehlenden Schutzfähigkeit von KI-generierten Inhalten. Sie kann nämlich ein erheblicher Nachteil für ein Unternehmen darstellen, wenn es einen solchen Inhalt zum Beispiel im Marketing oder in der Werbung einsetzt und sich nicht mehr mit dem Urheberrecht gegen Nachahmer wehren kann, weil dem Werk wegen der KI-Generierung die Schutzfähigkeit aberkannt wird.
Will ein Unternehmen zum Beispiel ein neues Logo gestalten, sollte es da hinreichend auf welcher Ebene auch immer genügend kreative Handarbeit an der Schöpfung investieren, damit das Ergebnis auch wirklich urheberrechtlich geschützt bleibt. Ähnliche Beispiele finden sich auch in anderen Bereichen. Wenn Softwarecode eines Softwareherstellers zu einem grossen Teil nur noch vom Computer geschrieben wird, wird sich dieser nicht mehr ohne Weiteres auf das Urheberrecht berufen können, wenn er sich gegen die Piraterie seiner Produkte wehren will. Dies jedenfalls in Rechtsordnungen, wo Urheberrechtsschutz nur für kreative Werke von Menschen gewährt werden.
Das sollten insbesondere auch Start-ups berücksichtigen, die viel Geld zum Beispiel in KI-Modelle oder andere Entwicklungen basierend auf Machine Learning investieren, nur um später festzustellen, dass sie die Früchte ihrer Arbeit nur schlecht gegen die Übernahme durch Dritte schützen können und auch Geldgebern nur beschränkt etwas zu bieten haben, weil diese nicht nur Firmen mit Talenten wollen, sondern solche die IP-Rechte generieren. Darum wird beispielsweise auch sehr relevant sein, ob computergenerierte Patente in Zukunft rechtlich als Geistiges Eigentum geschützt werden können, weil manche Branchen nur dank Patentschutz funktionieren. So kommt dem Menschen womöglich doch an völlig unerwarteter Ecke ein Vorteil zu, den ihm die generative KI vorderhand nicht wegzunehmen vermag: Die Fähigkeit urheberrechtlich geschützten Inhalt zu generieren.
David Rosenthal
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Unternehmen:
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