Ab 1. Juli 2018 sind Unternehmen mit Berufsgruppen, die von hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind, verpflichtet, offene Stellen zu melden. Dies ermöglicht es angemeldeten Stellensuchenden sich vor der öffentlichen Ausschreibung auf geeignete Stellen zu bewerben.
1. Hintergrund der Gesetzesrevision
In Umsetzung der "Masseneinwanderungsinitiative" hat das Parlament am 16. Dezember 2016 Gesetzesänderungen beschlossen, welche per 1. Juli 2018 in Kraft treten. Teil der neuen Gesetzesvorschriften bilden die sog. Massnahmen für stellensuchende Personen. Diese bestimmen, dass für Berufsarten, in welchen die Arbeitslosenquote einen bestimmten Schwellenwert erreicht oder überschreitet, eine Stellenmeldepflicht eingeführt wird (sog. „Inländervorrang light“), was ein Novum im schweizerischen Recht darstellt. Durch diese Pflicht soll das vorhandene Potenzial an inländischen Arbeitskräften besser genutzt werden. Die Stellenmeldepflicht beabsichtigt die Vereinfachung der Vermittlung von stellensuchenden Personen, welche bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung bzw. den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet sind.
2. Welche Berufsarten sind betroffen?
Die Stellenmeldepflicht wird für diejenigen Berufsarten eingeführt, in denen die gesamt-schweizerische Arbeitslosenquote 8% erreicht oder überschreitet. Nach heutigem Kenntnisstand wird davon vorwiegend die Baubranche betroffen sein. Aber auch Berufe wie hauswirtschaftliche Betriebsleiter, Kuriere, Schauspieler oder auch Servicepersonal könnten erfasst werden. Im 1. Quartal 2018 wird der Bundesrat eine Liste mit den der Meldepflicht unterliegenden Berufsarten als Anhang zur Arbeitsvermittlungsverordnung veröffentlichen und jährlich aktualisieren.
Per 1. Januar 2020 wird der Schwellenwert auf 5% gesenkt. Diese Übergangsphase soll den Arbeitgebern und Vollzugsorganen ermöglichen, ihre Prozesse und Ressourcen sowie die Zusammenarbeit an die neue Regelung anzupassen.
3. Neuer Ablauf des Rekrutierungsprozesses
Ein Arbeitgeber muss eine offene Stelle in einer betroffenen Berufsart beim zuständigen RAV melden. Die Meldung kann über die Internetplattform, telefonisch oder durch persönliche Vorsprache erfolgen. Die Stellenmeldepflicht hat zur Folge, dass die gemeldeten Stellen während einer Frist von fünf Arbeitstagen ausschliesslich von den beim RAV angemeldeten Stellensuchenden eingesehen werden können. Eine anderweitige Stellenausschreibung ist während dieser Frist nicht erlaubt.
Daraus resultiert für die stellensuchenden Personen ein zeitlicher Vorsprung auf MitbewerberInnen auf dem Stellenmarkt. Zusätzlich übermittelt das RAV innerhalb dreier Arbeitstage passende Dossiers an die Arbeitgeber oder teilt diesen mit, dass keine passenden Dossiers vorhanden sind. Die exklusive Bewerbungsfrist von fünf Tagen muss vom Arbeitgeber unabhängig davon eingehalten werden, ob das RAV dem Arbeitgeber passende Dossiers liefern kann. Arbeitgeber müssen geeignete Stellensuchende zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einladen und dem RAV mitteilen, ob eine Anstellung erfolgt. Arbeitgeber entscheiden allerdings selbst, also ohne Vorgaben oder Begründungspflicht, welche KandidatInnen sie anstellen. Im Übrigen bleiben Arbeitgeber in der Gestaltung ihrer Rekrutierungsprozesse für meldepflichtige Stellen weiterhin frei.
4. Ausnahmen von der Stellenmeldepflicht
Auf eine Meldung der offenen Stelle kann in Ausnahmefällen verzichtet werden, wenn:
- Stellen durch Stellensuchende besetzt werden, welche beim RAV gemeldet sind;
- Mitarbeitende (inkl. PraktikantInnen) innerhalb des Unternehmens die Stelle wechseln;
- Lernende weiterbeschäftigt werden;
- eine befristete Stelle mit einer Beschäftigungsdauer von bis zu 14 Kalendertagen besetzt wird; oder
- nahe Verwandte angestellt werden.
5. Sanktionen
Widerhandlungen gegen die Stellenmeldepflicht oder die Pflicht zur Durchführung eines Bewerbungsgesprächs oder einer Eignungsabklärung können mit einer Busse von bis zu CHF 40'000.00 bestraft werden.
Unser Arbeitsrechtteam beantwortet Ihnen gerne allfällige Fragen.
Autor: Moritz Jäggy