
Start-ups verfügen oft nicht über die finanziellen Mittel, um Gehälter zu zahlen, die den Marktstandards entsprechen. Mindestlöhne existieren derzeit nur aufgrund kantonaler Vorschriften oder allgemein verbindlicher Tarifverträge. Laut Bundesgericht besteht bei geschäftsergebnisabhängigem Gehalt ein Anspruch auf eine minimale angemessene Vergütung. Das schuldrechtliche Existenzminimum ist wahrscheinlich das Minimum, das rechtskräftig vereinbart werden kann. In der Start-up-Phase werden Unternehmer/-innen jedoch oft nicht oder nur sehr beschränkt entlohnt. Dies mag zwar gegen das Arbeitsrecht verstossen, bleibt jedoch angesichts des Grundsatzes "wo kein Kläger, da kein Richter" irrelevant. Es kann aber dazu führen, dass die Betroffenen z.B. bei längerer Krankheit nicht ausreichend versichert sind.
Oft streben Unternehmer/-innen an, einen Teil oder alle entgangenen Einkünfte später zu erhalten. Neben der Tatsache, dass zurückgestellter Lohn die Bilanz ebenfalls bereits belastet, kann dies erhebliche steuerliche Probleme verursachen: Die Besteuerung von ausstehenden, aber noch nicht ausgezahlten Einkünften ist gesetzlich nicht klar geregelt.
Die meisten Steuersysteme verwenden die Methode der periodengerechten Rechnungslegung. Nach dieser Methode werden Einkünfte dann erfasst, wann sie entweder zufliessen oder ein einbringlicher Anspruch darauf besteht, unabhängig davon, wann sie tatsächlich gezahlt werden. Das bedeutet faktisch, dass Forderungen in dem Jahr als Einkünfte zu versteuern sind, in dem sie ausgezahlt werden können. Dies gilt auch in der Schweiz: Sobald die steuerpflichtige Person tatsächlich über Einkünfte verfügen kann und diese ihre Zahlungsfähigkeit erhöhen, gelten sie als empfangen und sind somit steuerpflichtig (ständige Praxis mindestens seit 1947 – siehe BGE 73 I 135 E. 1); Abweichungen sind in gesetzlich vorgesehen Fällen möglich (z.B. bei Mitarbeiteroptionen - siehe Art. 17b E. 1 DGB). Dabei wird fingiert, dass ein Gläubiger eine Forderung tatsächlich nutzen kann, wenn diese fällig ist (BGE 144 II 427 E. 7.2). Eine Forderung gilt als fällig, wenn sie durchsetzbar ist und klare Gewissheit über ihre Existenz und ihren Umfang besteht, wobei es ausreicht, wenn der Betrag anhand objektiver Kriterien bestimmt werden kann (BGer 2C_357/2014 / 2C_358/2014 vom 23. Mai 2016 E. 8.1). Eine ungerechtfertigte Forderung ist nicht durchsetzbar und somit steuerlich irrelevant, da der Gläubiger vor Fälligkeit keine Leistung verlangen kann und der Schuldner nicht zur Erfüllung verpflichtet ist (BGE 148 III 145 E. 4.2.1.1). Bei normalem Geschäftsgang führen somit Löhne ab Fälligkeit zu steuerpflichtigen Einkünften (BGer 2C_342/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 3.3.4). Ausnahmsweise können Forderungen sogar vor ihrer Fälligkeit als Einkünfte steuerbar sein, z.B. wenn die Bestimmung des Fälligkeitstermins im Ermessen der steuerpflichtigen Person liegt und sie dadurch den Zeitpunkt der Besteuerung bestimmen kann oder wenn die Parteien die Fälligkeit aus steuerlichen Gründen hinausgeschoben haben (BGer 9C_682/2022, vom 23. Juni 2023 E. 4.3).
Folglich erfolgt die Besteuerung in dem Zeitpunkt, in dem die steuerpflichtige Person eine fällige Forderung erhält und diese tatsächlich nutzen kann (BGE 144 II 427 E. 7.2). Der Zeitpunkt der Zahlung der Forderung ist irrelevant. Eine fällige Forderung wird nur dann nicht zum Zeitpunkt des Erwerbs besteuert, wenn die Erfüllung der Forderung als unsicher betrachtet werden muss. In diesem Fall wird die Besteuerung bis zur Erfüllung der Forderung aufgeschoben (BGE 113 Ib 23 E. 2e). Die Erfüllung einer Forderung gilt als unsicher, wenn sie von Anfang an als unwahrscheinlich erscheint ("peu probable") (BGer 2C_1035/2020 vom 12. November 2021 E. 5.1), insbesondere wenn der Schuldner zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist. In anderen Urteilen sagt das Bundesgericht, dass die Erfüllung der Forderung als "besonders" unsicher betrachtet werden muss (siehe zum Beispiel BGE 144 II 427 E. 7.2.2). Mangels weiterer Hinweise in diesen Urteilen und gemäss einem aktuellen Urteil des schweizerischen Bundesgerichts ist dies nicht als Verschärfung anzusehen (BGer 9C_682/2022, 9C_683/2022 vom 23. Juni 2023 E. 4.4).
Es stellt sich die Frage, ob ein Abzug für uneinbringliche Forderungen bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden kann, wenn sich abzeichnet, dass das Gehalt nie gezahlt wird. Im Schweizer Steuerrecht wird ein solcher Minuslohn aufgrund eines Debitorenverlusts grundsätzlich nicht anerkannt, da der Verlust als ein separater Vorgang betrachtet wird. Verluste auf dem Privatvermögen sind steuerlich irrelevant.
Basierend auf diesen Grundsätzen ist es wichtig, dass Unternehmer/-innen sorgfältige Vereinbarungen mit dem Start-up treffen, wenn eine aufgeschobene Lohnzahlung angestrebt wird. Ein möglicher Ansatz besteht darin, zukünftige Zahlungen von objektiven Meilensteinen abhängig zu machen, die von dem/der betroffenen Unternehmer/-in nicht kontrolliert werden können, wie z.B. der Abschluss einer Eigenkapitalfinanzierungsrunde mit einem festgelegten CHF-Betrag. Der Nachteil hierbei ist, dass wenn Investoren auf einem Verzicht auf diese aufgeschobene Lohnzahlung bestehen, dies als Verzicht auf Einkünfte angesehen werden kann, und bei Erreichen des Meilensteins die Besteuerung dennoch anfallen kann. Jedoch können in sehr begrenzten Fällen Gehälter auch dann nicht steuerpflichtig sein, weil das Start-up zum Zeitpunkt der Gehaltsfälligkeit nicht über genügend Barmittel verfügt. Da Unternehmer/-innen vermeiden sollten, ein Start-up in eine solch heikle Situation zu bringen, gilt diese Ausnahme nur in aussergewöhnlichen Umständen. Die Beweislast liegt zudem beim der betroffenen Person.