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Kategorie: Immobilien
Am 1. Januar 2022 tritt die umfassend revidierte Bauarbeitenverordnung ("BauAV")(1) in Kraft. In einer medialen Grossoffensive macht die Suva auf bevorstehende Änderungen aufmerksam und versucht, die gesamte Baubranche für das Thema zu sensibilisieren. Dies mit gutem Grund: Die revidierte BauAV schafft viele neue Pflichten und verschärft bestehende Vorschriften. Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen. Es ist deshalb höchste Zeit, sich mit der revidierten BauAV auseinanderzusetzen.
Die BauAV definiert Sicherheitsregeln, welche bei jeder Art von Bauarbeiten zu beachten sind. Der Zweck der Verordnung besteht darin, die Baustellensicherheit zu erhöhen und die Gesundheit aller auf der Baustelle anwesenden Personen zu schützen.
Um Unfällen entgegenzuwirken, wurde die bisherige BauAV umfassend überarbeitet. Die bestehenden Regelungen wurden umformuliert, erheblich ergänzt und komplett neu nummeriert. Neu enthält die BauAV etwa die Pflicht, ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept zu erstellen.
Der sachliche Anwendungsbereich der BauAV reicht weit: Sobald an einem Bau etwas erstellt, instandgesetzt, geändert, unterhalten, kontrolliert, rückgebaut oder abgebrochen wird, sind die in der BauAV vorgegebenen Sicherheitspflichten zu beachten. Dies gilt explizit auch für sämtliche Vor- und Nacharbeiten.
Es ist keine Übergangsfrist vorgesehen. Die neuen Regeln gelten demnach ab dem 1. Januar 2022 sofort – und zwar auch für laufende Baustellen (2). Ab diesem Zeitpunkt muss folglich auch ein schriftliches Sicherheits- und Gesundheitskonzept für jede Baustelle vorliegen und es gelten sämtliche erhöhten Sicherheitsvorschriften auf der Baustelle. So dürfen Leitern beispielsweise nur noch sehr eingeschränkt verwendet werden, der Begriff "beschränkt durchbruchsicher" wird abgeschafft, ab bestimmten Absturzhöhen sind neu Fangnetze oder Fanggerüste zu installieren und Änderungen an Gerüsten müssen zwingend vom Gerüsthersteller bewilligt werden. Die Broschüre "Bauarbeitenverordnung 2022: Das ist neu" der Suva enthält eine gute Zusammenfassung wichtiger Neuerungen der revidierten BauAV.
Auch der persönliche Anwendungsbereich der BauAV reicht weit: Die Verordnung richtet sich an Architekten, Bauleiter und Unternehmer; also an alle Personen, die auf der Baustelle die Einhaltung der Arbeitssicherheit beeinflussen können. Sie richtet sich aber auch an die einzelnen Bauarbeiter (z.B. allgemeine Helmtragepflicht).
Innerhalb der Baustellenorganisation ist in erster Linie der einzelne Unternehmer dafür verantwortlich, die ihm übertragenen Arbeiten so zu organisieren, dass seine Arbeitnehmer ihre Aufgaben sicher erledigen können. Je grösser jedoch das Bauprojekt wird, desto mehr Unternehmer sind mit ihren Arbeitnehmern auf der Baustelle tätig. Die Gesamtkoordination (das Makromanagement der Baustelle) obliegt dem Bauherrn bzw. seinem Bauleiter, welcher im Rahmen seiner Oberaufsicht auch die Arbeitskoordination vornehmen muss. Dazu gehört auch der Aspekt der übergeordneten Arbeitssicherheit auf der Baustelle und zwar insbesondere im Schnittstellenbereich der einzelnen Arbeiten. Nur der Bauherr bzw. seine Bauleitung hat den Gesamtüberblick über die Baustelle und kann mit einem geeigneten Sicherheitsdispositiv für die Gesamtsicherheit sorgen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Pflicht zur Erstellung eines schriftlichen Sicherheits- und Gesundheitskonzepts zu sehen: Neben der Gesamtbaustellenlogistik (Zu- und Wegfahrt, Abladevorgang, Materiallagerungsbereiche etc.) muss die Bauleitung auch der Arbeitssicherheit ein besonderes Augenmerk schenken. Das Sicherheits- und Gesundheitskonzept soll in Rücksprache mit den anderen Projektbeteiligten von der Bauleitung erarbeitet, kommuniziert, immer wieder überprüft, angepasst und wieder kommuniziert werden. Es ist wichtig, dass dies zu Beweiszwecken dokumentiert wird. Schliesslich muss der Bauherr bzw. seine Bauleitung auch reagieren, wenn er entdeckt, dass Sicherheitsvorschriften gemäss BauAV oder das Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept verletzt werden.
Nimmt ein Bauherr seine Pflicht zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes nicht oder nur ungenügend wahr, kann dies eine zivilrechtliche Haftung oder gar eine strafrechtliche Verantwortung nach sich ziehen. Die Bauleitung kann sich ihrer eigenen Sorgfaltspflicht jedenfalls nicht entledigen, indem sie bei einem Unfall lediglich auf die fehlbaren Unternehmer verweist.
Kontrolliert wird die Einhaltung der BauAV durch die Suva. Stellt die Suva Verstösse fest, kann sie z.B. Prämienerhöhungen der Berufsunfallversicherung oder gar einen Baustopp verfügen, was natürlich wiederum einen erheblichen Verspätungsschaden und entsprechende Haftungsfolgen für die Verantwortlichen nach sich ziehen kann.
Die Verletzung der BauAV stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung in Form einer Missachtung der Regeln der Baukunde und damit eine Vertragsverletzung dar. Wenn die schuldhafte Verletzung der Sicherheitsvorschriften kausal zu einem Schaden führt, wird die fehlbare Person (regelmässig ein oder mehrere Unternehmer sowie die Bauleitung) dafür haftbar. Bei Grobfahrlässigkeit oder Vorsatz kann es zudem sein, dass die Berufshaftpflichtversicherung die Versicherungsdeckung ablehnt. Dies kommt etwa dann in Frage, wenn elementare Sicherheitsvorkehrungen aus Kostengründen bewusst nicht umgesetzt werden. Massgebend ist in jedem Einzelfall die individuelle Versicherungspolice.
Die meisten Bundesgerichtsurteile zu Verstössen gegen Arbeitssicherheitsvorschriften finden sich im Strafrecht. Meistens wird eine Verurteilung wegen fahrlässiger einfacher oder schwerer Körperverletzung oder Tötung ausgesprochen. Dies geschieht, wenn aufgrund der Missachtung von Sicherheitsvorschriften ein Mensch an Leib und Leben verletzt wird. Am deutlichsten sind jene Fälle, in welchen die beschuldigte Person durch aktives Handeln (z.B. Entfernen von Sicherheitsvorkehrungen oder Erteilung entsprechender Weisungen) die Gefahrensituation aktiv herbeigeführt hat. Aber auch ein Unterlassen der angezeigten Handlungen zur Beseitigung einer erkannten Gefahr kann genügen (z.B. wenn ein Sicherheitsnetz vom Gerüst entfernt wird und die Bauleitung es unterlässt, den entdeckten Mangel beseitigen zu lassen).
Egal ob Sie als Bauherr, Bauleiter oder Unternehmer auf einer Baustelle tätig sind: Ab dem 1. Januar 2022 müssen Sie sich zwingend an die neuen Vorgaben der revidierten BauAV halten. Es ist daher wichtig, sich vorab mit den Neuerungen auseinanderzusetzen und auf vorbestehenden Baustellen die notwendigen Ergänzungsmassnahmen umzusetzen. Neue Pflichten wie Sicherheitsnetze an Gerüsten, Verbot von Bockleitern ab einer gewissen Grösse, Verwendung von Harnessen und viele weitere Verschärfungen werden einen direkten Einfluss auf die Baustellenorganisation haben. Eine vorausschauende Planung ist folglich unabdingbar.
Autoren: Pauline Pfirter, Raphael Butz
Fussnoten:
(1) Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten, SR 832.311.141
(2) Einzige Ausnahme (Art 123 revidierte BauAV): Gerüste oder Seitenschutz mit einer Oberkante von mindestens 95 cm über der Standfläche, die bereits in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiterhin verwendet werden.
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