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Kategorien: Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Restrukturierung und Insolvenz, Blog
Update Letter Nr. 138
Seit 1. Januar 2011 hat das Arrestgericht die Kompetenz, Vermögen des Schuldners in der ganzen Schweiz zu arrestieren (schweizweiter Arrest). Das Bundesgericht hat am 1. Februar 2022 in BGE 148 III 138 richtigerweise entschieden, dass entsprechend auch ein schweizweiter Arrestvollzug durch ein Lead Betreibungsamt via Rechtshilfe zulässig ist (vgl. arrestpraxis Update 133). So weit so gut.
Neue Fragen stellen sich, was geschieht, wenn z.B. im Betreibungskreis des Lead Betreibungsamtes keine Vermögensgegenstände des Arrestschuldners gefunden werden, wohl aber im Betreibungskreis eines Rechtshilfe-Betreibungsamtes. Kann das Lead Amt sein Amt "niederlegen"? Ähnliche Fragen kommen auf, wenn der Arrest durch die Pfändung abgelöst wird. Das Obergericht des Kantons Bern hat im Entscheid ABS 22 149 am 10. August 2022 im Rahmen einer SchKG-Beschwerde beurteilt, ob ein Arrestgläubiger eine Pfändung am Arrest-Rechtshilfeort in Bern beantragen konnte, nachdem am Ort des Lead Betreibungsamtes in Winterthur keine Vermögenswerte vom Arrest erfasst wurden.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gelten
1. Folgende Grundsätze
A) Der in der Botschaft formulierte und vom Bundesgericht in BGE 148 III 138 E. 3.4.1. zitierte Grundsatz: Die Schaffung eines einheitlichen schweizweiten Vollstreckungsraums war ein erklärtes Ziel der Anpassung des SchKG an den mit der ZPO verwirklichten schweizweiten Massnahmen- und Vollstreckungsraum. Damit sollte die Sicherung und Vollstreckung von Geldforderungen effizienter gestaltet werden. Diesem Grundsatz muss im ganzen Arrestverfahren bis zur Verwertung nachgelebt werden.
B) Weiter gilt der Grundsatz "im Zweifel für den Gläubiger". Bei einem schweizweiten Vollstreckungsraum sind Nachteile zu Lasten des Gläubigers aufgrund von negativen Kompetenzkonflikten zwischen den Betreibungsämtern in jedem Fall zu vermeiden.
2. Bei einem Arrest, der am ordentlichen Betreibungsort gemäss Art. 46 SchKG (Wohnsitz, vgl. Art. 272 Abs. 1 SchKG) beantragt und dessen Vollzug an diesem Ort durchgeführt wird, ergeben sich keine Probleme. Die Pfändung wird vom Betreibungsamt am Wohnsitz durchgeführt, Vermögenswerte in anderen Betreibungskreisen werden rechtshilfeweise arrestiert und gepfändet (selbst wenn im Betreibungskreis am Wohnsitz keine Vermögenswerte vorhanden sind).
3. Wird der Arrest am Ort, wo sich die Vermögensgegenstände befinden, beantragt (vgl. Art. 272 Abs. 1 SchKG) und durch ein Lead Betreibungsamt in anderen Betreibungskreisen rechtshilfeweise vollzogen, bleibt das Lead Betreibungsamt für das Arrest- wie auch für das anschliessende Pfändungsverfahren zuständig, selbst wenn sich nach dem Arrestvollzug ergibt, dass im Betreibungskreis des Lead Betreibungsamtes keine Vermögenswerte arrestiert werden konnten. Eine irgendwie geartete "Niederlegung" des Arrestvollzuges des Lead Betreibungsamtes, weil sich in seinem Betreibungskreis keine Vermögenswerte befinden, ist unzulässig:
A) Das (Lead) Betreibungsamt wird zum Vollzug des Arrestes durch das Arrestgericht beauftragt und kann sich von dieser Aufgabe nicht selber "entbinden".
B) Es gilt der "schweizweite Vollstreckungsraum". Solange an irgendeinem Ort in der Schweiz Vermögen des Arrestschuldners (erfolgreich) arrestiert wurde, gilt dieses Vermögen auch am Ort des Lead Betreibungsamtes gelegen. Die Frage, ob im Betreibungskreis des Lead Betreibungsamtes Vermögen arrestiert werden konnte, ist damit irrelevant. Alles andere würde bedeuten, dass im Laufe des Arrestverfahrens plötzlich wieder vom schweizweiten Vollstreckungsraum auf den territorial eingegrenzten einzelnen Betreibungskreis zurückbuchstabiert wurde.
4. Im Entscheid des Obergerichtes Bern vom 10. August 2022 wurde festgehalten, dass der Arrestgläubiger das Fortsetzungsbegehren in Bern stellen konnte, weil am Ort des Lead Betreibungsamtes in Winterthur keine Vermögenswerte arrestiert werden konnten. Dieser Entscheid ist unter Verweis auf das Gesagte richtig (im Zweifel für den Gläubiger, auch wenn eine Fortsetzung in Winterthur auch möglich gewesen wäre).
Der Entscheid des OG Bern vom 10. August 2022 kann hier abgerufen werden.
Zitiervorschlag: Felix C. Meier-Dieterle, www.arrestpraxis.ch - update 138 / 28.09.2022
Rechtsanwalt
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