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Kategorien: Arbeitsrecht, Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit
In unserer Praxis stellen wir eine Zunahme von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten fest. Ob dieser Trend auf einem gesellschaftlichen Wandel (sinkende Hemmung, eine Meinungsverschiedenheit gerichtlich eskalieren zu lassen) beruht oder ob er – ganz lapidar – auf den Umstand, dass immer mehr Privatpersonen über Rechtsschutzversicherungen verfügen, zurückzuführen ist, können wir nicht beurteilen.
Arbeitgeber, welche zunehmend mit Zeugnisklagen, Bonusforderungen, (angeblich) missbräuchlichen Kündigungen und anderen Klagen konfrontiert sind, fragen sich, ob es effiziente und zeitgemässe Alternativen gibt zu den als langsam, teuer und formalistisch wahrgenommenen klassischen staatlichen Gerichtsverfahren.
Wäre es möglich und sinnvoll, solche arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen in einem Schiedsverfahren zu lösen? In diesem Blog zeigen wir auf, wann Schiedsklauseln in Arbeitsverträgen zulässig sind. Anschliessend legen wir Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dar.
Eine Schiedsklausel ist eine vertragliche Bestimmung, die Parteien in einem Vertrag vereinbaren können, um im Falle von Streitigkeiten eine alternative Methode zur Konfliktlösung zu nutzen. Statt vor ordentlichen (staatlichen) Gerichten zu klagen, entscheiden sich die Parteien dafür, mögliche Auseinandersetzungen vor einem Schiedsgericht (privates Gericht) zu lösen. Der Entscheid eines Schiedsgerichts kann anerkannt und durch das Mittel der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.
Die Frage, ob ein arbeitsrechtlicher Anspruch schiedsfähig ist, also Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein kann, wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Hierbei ist von Bedeutung, ob es sich um ein nationales oder internationales Arbeitsverhältnis handelt und ob die Streitigkeit im Rahmen des individuellen (zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber) oder kollektiven (z.B. zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften) Arbeitsrechts auftritt.
Artikel 354 der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) sieht vor, dass grundsätzlich jeder Anspruch Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein kann, sofern die Parteien frei über ihn verfügen können (Kriterium der freien Verfügbarkeit). Mit der Frage, ob auch individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten frei verfügbar und damit schiedsfähig seien, musste sich das Bundesgericht in einem Leitentscheid befassen. In seinem Entscheid hielt es fest, dass auf Forderungen, die sich aus den zwingenden Bestimmungen des Arbeitsrechts ergeben, nicht verzichtet werden könne. Folglich seien arbeitsrechtliche Streitigkeiten im Binnenverhältnis bis auf wenige Ausnahmen nicht schiedsfähig. Mit dieser ablehnenden Haltung gegenüber Schiedsverfahren im Bereich des Individualarbeitsrechts wollte das Bundesgericht die Rechte der Arbeitnehmer in der Schweiz besser schützen.
In der Praxis bedeutet dies konkret, dass eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Schiedsklausel dem Arbeitnehmer nicht entgegengesetzt werden kann, wenn er beispielsweise seinen Anspruch auf Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung geltend machen möchte. In einem solchen Fall ist das entsprechende staatliche Gericht für die Beurteilung der Streitigkeit zuständig.
Eine Ausnahme tritt nur dann ein, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber erst nachträglich – frühestens einen Monat nach Ende des Arbeitsverhältnisses – eine Schiedsvereinbarung treffen. In einem solchen Szenario steht den Parteien der Gang zum Schiedsgericht offen. Jedoch gestaltet sich der Abschluss einer nachträglichen Schiedsvereinbarung in der Praxis oft als schwierig, insbesondere weil Arbeitnehmer in der Regel wenig Interesse an den tendenziell kostspieligeren Schiedsverfahren haben.
Fazit: Aufgrund der restriktiven Auslegung durch das Bundesgericht gelangt die Schiedsgerichtsbarkeit bei individualarbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen praktisch nicht zur Anwendung. Liegt ein rein schweizerisches Arbeitsverhältnis vor, dürfte die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel regelmässig unzulässig sein. Abgesehen davon sind Schiedsverfahren in der Regel teurer. Besonders bei einem Streitwert unter CHF 30'000 profitieren die Parteien von zahlreichen Vorteilen des vereinfachten Verfahrens (tiefere Kosten, zügigere Verfahrenserledigung etc.).
Im kollektiven Arbeitsrecht, das sich mit Streitigkeiten zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften befasst, gestaltet sich die Situation jedoch anders. In der Praxis sehen Gesamtarbeitsverträge regelmässig die Einsetzung von Schiedsgerichten vor. Oftmals werden auch die Grundzüge der Verfahrensbestimmungen – also vereinbarte Regeln, wie der Prozess vor dem Schiedsgericht ablaufen soll – direkt im Gesamtarbeitsvertrag festgelegt.
Neben dem hohen Mass an Vertraulichkeit profitieren die Parteien eines Gesamtarbeitsvertrags von einem Schiedsverfahren, da sie die Schiedsrichter frei wählen können. Dies ermöglicht die Gewährleistung fachlicher und persönlicher Kompetenz.
Im Gegensatz zur Binnenschiedsgerichtsbarkeit sind die Anforderungen an die Schiedsfähigkeit im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in einem entscheidenden Punkt weniger restriktiv. Während Artikel 354 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Voraussetzung der freien Verfügbarkeit über den Anspruch vorschreibt, sieht das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) in Artikel 177 Absatz 1 eine flexiblere Regelung vor. Gemäss dieser Bestimmung kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein.
Im Rahmen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sind die meisten arbeitsrechtlichen Ansprüche, einschliesslich solcher des Individualarbeitsrechts, als schiedsfähig anzusehen (z.B. ausstehende Lohnzahlungen oder Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung). Dies liegt daran, dass im Arbeitsrecht in der Regel Geldforderungen und somit vermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind. Internationale Schiedsverfahren vor spezialisierten Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz sind daher auch im Kontext des Arbeitsrechts möglich und werden in der Praxis durchaus häufig genutzt. Ein bekanntes Beispiel ist das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne, das insbesondere im internationalen Berufssport für entsprechende Schiedsverfahren zuständig ist.
Die Entscheidung für oder gegen ein Schiedsverfahren im arbeitsrechtlichen Kontext sollte gut durchdacht sein und auf den spezifischen Umständen und Präferenzen der beteiligten Parteien basieren. Sollte ein Schiedsverfahren mit arbeitsrechtlichem Gegenstand auch tatsächlich zulässig sein, dürften die folgenden Aspekte in die Überlegung einbezogen werde, ob ein Schiedsverfahren auch sinnvoll wäre:
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Es gibt also nur wenige Konstellationen, in welchen eine Schiedsklausel bzw. ein Schiedsverfahren überhaupt zulässig ist. Das ist auch der Grund, warum Schiedsverfahren bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten selten sind. Ist eine Schiedsklausel jedoch zulässig und passen die Umstände, kann ein Schiedsverfahren jedoch ohne Weiteres eine effiziente und zeitgemässe Alternative zu den staatlichen Gerichtsverfahren sein.
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