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19. November 2024 Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO): Verbesserung der internationalen Handelsgerichtsbarkeit

Die Schweiz gilt als herausragender Standort für die Beilegung internationaler zivilrechtlicher Streitigkeiten. Städte wie Genf und Zürich sind aufgrund ihrer stabilen Institutionen, Neutralität und umfangreichen juristischen Expertise bereits heute besonders als Schiedsorte beliebt.

Mit der Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), die am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, erhalten Unternehmen mit internationalen Handelsbeziehungen zusätzlich die Möglichkeit, die Vorteile des Schweizer Standorts auch in staatlichen Gerichtsverfahren zu nutzen.

Die Revision der Zivilprozessordnung ermöglicht es den Kantonen, ihre Handelsgerichte für internationale Streitfälle zuständig zu erklären, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 6 Abs. 4 lit. c nZPO):

  • Die Geschäftstätigkeit mindestens einer Partei ist betroffen.
  • Der Streitwert der Streitigkeit beträgt mindestens CHF 100'000.
  • Die Parteien stimmen der Zuständigkeit des Handelsgerichts zu.
  • Im Zeitpunkt der Zustimmung hat mindestens eine Partei ihren Wohnsitz oder Sitz im Ausland.

Die neu eingefügte Bestimmung ist insbesondere für Parteien relevant, die beide nicht über einen Handelsregistereintrag verfügen und deshalb unter bisherigem Recht die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts nicht in Anspruch nehmen konnten.

Ein bedeutender Aspekt in diesem Zusammenhang ist zudem die neue Möglichkeit, handelsgerichtliche Verfahren auf Englisch durchzuführen. Dies erleichtert nicht nur die Kommunikation zwischen internationalen Parteien, sondern ermöglicht auch die Abfassung von Urteilen in englischer Sprache. Selbst in einem allfälligen Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht können die Schriftsätze in Englisch eingereicht werden; das Bundesgericht erlässt sein Urteil dann aber in einer Landessprache.

Diese Regelung bietet den Kantonen die Flexibilität, ihre Handelsgerichte als internationale Gerichte zu positionieren. Im Kanton Zürich gab es bereits im Jahr 2018 einen ersten politischen Vorstoss, einen Zürich International Commercial Court zu errichten. Weil die bundesrechtlichen Anforderungen jedoch fehlten, konnte dieses Projekt damals noch nicht umgesetzt werden. Wie schnell von der nun bestehenden Möglichkeit, einen "Zurich International Commercial Court" ("ZICC") einzuführen, Gebrauch gemacht wird, wird sich zeigen.

In jedem Fall stehen die Entwicklungen in der Schweiz im Einklang mit ähnlichen Bestrebungen in anderen Ländern wie Frankreich, Singapur und den Niederlanden, die ebenfalls spezialisierte staatliche Gerichte für internationale Handelsstreitigkeiten etabliert haben.

Die Revision der ZPO stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer stärkeren Internationalisierung der Schweizer Justiz dar. Die Möglichkeit, internationale Handelsstreitigkeiten vor spezialisierten Handelsgerichten in englischer Sprache zu führen, erhöht die Attraktivität der Schweiz als Standort für Unternehmen mit globalen Handelsbeziehungen.

Die Kombination aus erprobter Infrastruktur, neutralem Gerichtsstand und der Flexibilität der Verfahrenssprache positioniert die Schweiz als führenden Standort für internationale Handelsstreitigkeiten und eröffnet neue Perspektiven für Unternehmen auf der ganzen Welt. Es bleibt zu hoffen, dass die Kantone diese vom Bundesgesetzgeber geschaffene Möglichkeit zeitnah umsetzen werden.

Das Prozessteam von VISCHER steht Ihnen für Fragen im Zusammenhang mit dieser neuen Regelung im Speziellen und zu internationalen Handelsstreitigkeiten im Allgemeinen jederzeit gerne zur Verfügung.

Hier finden Sie die Übersicht zur ZPO-Blogreihe.

Autor: Selim Keller

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