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11. Dezember 2024 Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO): Erleichterte Verfahrenskoordination

Die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) enthält verschiedene Instrumente zur Koordination von Verfahren. Beispielsweise sieht Art. 90 ZPO die sogenannte Klagenhäufung vor. Dadurch kann ein Kläger mehrere Ansprüche gegen den Beklagten in derselben Klage vereinen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Als weiteres Instrument, das der Vereinfachung von Verfahren dient, sieht die ZPO die Widerklage vor. Wird eine Partei eingeklagt, so kann sie sich unter Umständen nicht nur auf die Bestreitung der klägerischen Forderung beschränken, sondern mittels einer Widerklage zum Gegenangriff übergehen und im selben Verfahren eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend machen.

Die Instrumente zur Verfahrenskoordination, darunter auch die erwähnte Klagenhäufung und Widerklage, sollen mit Inkrafttreten der revidierten ZPO am 1. Januar 2025 optimiert werden, um vermehrt eine gemeinsame und koordinierte Beurteilung mehrerer Streitgegenstände zu ermöglichen.

1. Objektive Klagenhäufung (Art. 90 Abs. 2 nZPO)

Art. 90 Abs. 2 nZPO kodifiziert die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach der Kläger in einer einzigen Klage mehrere Ansprüche geltend machen kann, selbst wenn für diese Ansprüche grundsätzlich eine unterschiedliche sachliche Zuständigkeit oder Verfahrensart besteht, wenn diese unterschiedliche Zuständigkeit oder Vefahrensart einzig auf die Höhe des Streitwerts zurückzuführen ist.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer möchte sowohl die noch offene Lohnforderung (CHF 35'000) als auch eine Entschädigung aufgrund einer missbräuchlichen Kündigung (CHF 18'000) gegen seinen Arbeitgeber gerichtlich durchsetzen. Dabei besteht nun die Problematik, dass diese Ansprüche unterschiedlichen Verfahrensarten unterstehen. Das vereinfachte Verfahren (Art. 243 ff. ZPO) zeichnet sich durch eine rasche und effiziente Erledigung aus und findet bei Streitwerten von bis zu CHF 30'000 sowie in den vom Gesetz genannten Fällen (Art. 243 Abs. 2 ZPO) Anwendung. Das ordentliche Verfahren greift hingegen grundsätzlich bei Streitwerten über CHF 30'000. Die Lohnforderung müsste folglich im ordentlichen Verfahren, die Entschädigungsforderung hingegen im vereinfachten Verfahren beurteilt werden, weshalb eine objektive Klagenhäufung und damit eine gemeinsame Beurteilung im selben Verfahren ausgeschlossen wäre. Art. 90 Abs. 2 nZPO sieht nun aber vor, dass Ansprüche, auf welche nur aufgrund des Streitwerts unterschiedliche Verfahrensarten anwendbar sind, gemeinsam beurteilt werden können. Die Lohnforderung und die Schadenersatzforderung können folglich fortan zusammen in einem einzigen Zivilprozess im ordentlichen Verfahren (Art. 90 Abs. 2 Satz 2 nZPO) beurteilt werden.

2. Widerklage (Art. 224 Abs. 1bis nZPO)

Die Widerklage ist fortan ebenfalls zulässig und zusammen mit der Hauptklage im ordentlichen Verfahren zu beurteilen, wenn

  • "der geltend gemachte Anspruch lediglich aufgrund des Streitwerts im vereinfachten Verfahren, die Hauptklage aber im ordentlichen Verfahren zu beurteilen ist" (Art. 224 Abs. 1bis lit. a ZPO).
  • "mit der Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts oder Rechtsverhältnisses geklagt wird, nachdem mit der Hauptklage nur ein Teil eines Anspruchs aus diesem Recht oder Rechtsverhältnis eingeklagt wurde und deshalb lediglich aufgrund des Streitwerts das vereinfachte Verfahren Anwendung findet" (Art. 224 Abs. 1bis lit. b ZPO).

Die ZPO gibt der klagenden Partei die Möglichkeit, nur einen Teil der Forderung in einem Prozess geltend zu machen (Teilklage), um damit die Gerichtskosten, welche sich in der Regel nach der Höhe des Streitwerts richten, tief und das Verfahren einfach zu halten und zu beschleunigen. Obsiegt die klagende Partei mit der Teilklage, könnte sie gestärkt aus dem Erstprozess in einem Folgeprozess noch die verbleibende Summe einklagen, wenn die beklagte Partei nach dem Erstprozess zwecks Vermeidung zusätzlicher Kosten nicht von sich aus die gesamte Forderung begleicht. Die beklagte Partei hat jedoch allenfalls im Erstprozess ein Interesse daran, von Beginn weg Klarheit über die gesamte Forderung zu erhalten. Art. 224 Abs. 1bis lit. b nZPO bietet ihr deshalb die Möglichkeit, mittels negativer Feststellungswiderklage im Erstprozess die Beurteilung der ganze Forderung zu erzwingen. Mit anderen Worten hält diese Bestimmung die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung fest, wonach die beklagte Partei eine negative Feststellungswiderklage als Abwehrmassnahme auf eine Teilklage erheben und im gleichen Verfahren beurteilen lassen kann, auch wenn die Widerklage eigentlich im ordentlichen Verfahren und die Teilklage aufgrund ihres Streitwerts im vereinfachten Verfahren zu beurteilen wäre.

Beispiel: Ein Bauunternehmer nahm Bauarbeiten am Haus des Bauherrn vor. Der Bauherr verweigert nach Abschluss der Arbeiten die Bezahlung des restlichen Werklohns (CHF 80'000), weil er der Meinung ist, dass Mängel vorliegen. Der Bauunternehmer klagt gegen den Bauherrn und verlangt dabei einen Teil seiner Forderung (CHF 30'000), ohne gleich den ganzen Restwerklohn einzufordern. Daraufhin erhebt der Bauherr widerklageweise eine negative Feststellungsklage, weil er Klarheit haben will, dass die gesamte Restforderung aufgrund der Mängel nicht mehr besteht.

3. Instrumente zur optimalen Verfahrensführung

Die ZPO sieht Instrumente vor, welche die Koordination von Verfahren erleichtern sollen. Mit der Revision der ZPO wird die Verfahrenskoordination vereinfacht und verbessert.

Das Prozessteam von VISCHER begleitet Sie gerne auf dem Weg zur Erreichung Ihrer Ziele und setzt die Instrumente der Verfahrenskoordination gezielt ein, um den Prozess zu beschleunigen und unnötige Kosten zu verhindern. Kontaktieren Sie uns und nutzen Sie unsere Expertise.

Hier finden Sie die Übersicht zur ZPO-Blogreihe.

Autor: Andreas Müller

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