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Am 1. Januar 2011 trat die erste gesamtschweizerische Zivilprozessordnung in Kraft. Seither ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Der Bundesrat verabschiedete daher schon am 2. März 2018 einen Vorentwurf für eine Teilrevision. Ihre Ziele sind die Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung.
Am 26. Februar 2020 erschien nun der definitive Revisionsentwurf mit erläuternder Botschaft des Bundesrats. Wir geben einen kurzen Überblick über die wichtigsten Änderungsvorschläge.
Wer einen Zivilprozess einleiten will, muss nach heutiger Praxis die gesamten Gerichtskosten vorschiessen. Diese Kostenschranke erschwert es Parteien, ihre Rechte durchzusetzen. Neu soll deshalb der Kostenvorschuss in der Regel nur noch die Hälfte der erwarteten Gerichtskosten betragen (Art. 98 Abs. 1 E-ZPO). Nur ausnahmsweise (bei Schlichtungsgesuchen, in bestimmten summarischen Verfahren, in Rechtsmittelverfahren und in Verfahren vor einzigen kantonalen Instanzen) sollen die Gerichte einen Vorschuss in der vollen Höhe der erwarteten Kosten verlangen können (Art. 98 Abs. 2 E-ZPO).
Wer den Prozess gewinnt, muss nach heutiger Praxis die vorgeschossenen Gerichtskosten von der Gegenpartei zurückverlangen. Die Parteien tragen somit das Inkassorisiko. Das soll sich ändern. Neu soll der Kanton für das Inkasso der Gerichtskosten verantwortlich sein (Art. 111 E-ZPO).
Der Entwurf des Bundesrats verbessert die Verfahrenskoordinierung. Die Bestimmungen zur Klagehäufung, einfachen Streitgenossenschaft, Streitverkündungsklage und Widerklage sollen angepasst werden.
Bislang war es beispielsweise nicht möglich, mehrere Klagen im gleichen Verfahren einzureichen, wenn diese unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten oder Verfahrensarten unterstanden. Neu ist die Klagehäufung zulässig, solange die unterschiedliche sachliche Zuständigkeit oder Verfahrensart nur auf den unterschiedlichen Streitwerten beruht (Art. 90 Abs. 2 E-ZPO).
Die Zulässigkeit der Widerklage wird ebenfalls erweitert. Unterlag die Hauptklage dem ordentlichen, die Widerklage dem vereinfachten Verfahren, war eine gemeinsame Beurteilung der Klagen ausgeschlossen. Neu soll die gemeinsame Beurteilung möglich sein, wenn das vereinfachte Verfahren nur wegen des geringen Streitwerts zur Anwendung käme (Art. 224 Abs. 1bis lit. a E-ZPO).
Die verfahrensartüberschreitende Widerklage im ordentlichen Verfahren ist neuerdings auch möglich, um im gleichen Prozess mit einer negativen Feststellungsklage auf eine Teilklage zu reagieren. Wenn die klagende Partei aus Kostengründen zunächst nur einen Teil ihres behaupteten Anspruchs einklagt, war es der beklagten Partei bislang verwehrt, eine Widerklage auf Feststellung des Nichtbestands des gesamten von der Gegenseite behaupteten Anspruchs einzureichen. Durch den höheren Streitwert fiel die Widerklage in eine andere Verfahrensart, was die gemeinsame Behandlung ausschloss.. Künftig ist eine Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens des Anspruchs als Reaktion auf eine Teilklage im ordentlichen Verfahren zulässig (Art 224 Abs. 1bis lit. b ZPO).
Bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten soll es der klagenden Partei neu freistehen, entweder direkt vor Gericht zu klagen oder zunächst ein Schlichtungsverfahren einzuleiten (Art. 199 Abs. 3 E-ZPO). Das fakultative Schlichtungsverfahren bietet den klagenden Parteien in diesen Fällen eine unkomplizierte Möglichkeit zur Verjährungsunterbrechung. Dies ist insbesondere bei Ansprüchen gegen Schuldner relevant, die keinen Betreibungsort in der Schweiz haben. Bisher wurde bei solchen Konstellationen oftmals eine nicht einlässlich begründete Klage bei der einzigen kantonalen Instanz eingereicht, welche unmittelbar danach wieder zurückgezogen wurde. Diese schwerfällige Praxis dürfte durch die Einführung des fakultativenSchlichtungsverfahrens obsolet werden.
Nach dem Revisionsentwurf sollen die Kantone die Möglichkeit erhalten, Englisch als Verfahrenssprache zuzulassen, sofern sämtliche involvierten Parteien dies beantragen (Art. 129 Abs. 2 E-ZPO). Auch das Verfahren vor Bundesgericht soll in englischer Sprache durchgeführt werden können, wenn bereits das vorinstanzliche Verfahren auf Englisch abgehalten wurde (Art. 42 Abs. 1bis E-BGG).
Weitere vorgesehene Änderungen betreffen die Schaffung eines Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen, Anpassungen im Familienverfahrensrecht und bundesrechtliche Grundlagen für internationale Handelsgerichte. Privatgutachten sollen nicht mehr als Parteibehauptungen ohne Beweiswert, sondern neu als Urkunden und damit als zulässige Beweismittel behandelt werden.
Der Vorentwurf vom März 2018 hatte noch Vorschläge zur Verbesserung des kollektiven Rechtsschutzes enthalten. Das Thema bleibt jedoch politisch umstritten. Es wurde daher von der Revision ausgenommen.
Für weitere Fragen steht Ihnen unser Prozessführungs-Team gerne zur Verfügung.
Autoren: Rafael Dössegger, Mladen Stojiljkovic