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14. März 2019 Reform der Verrechnungssteuer – Zahlstellensteuer?

Bericht der vom EFD eingesetzten Expertengruppe liegt vor

Die jahrelangen Arbeiten an einer Reform der Verrechnungssteuer haben einen weiteren Zwischenschritt erreicht. Nach dem Rückzug der Volksinitiative "Ja zum Schutz der Privatsphäre" im Januar 2018 hat die vom Eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzte Expertengruppe die Arbeiten intensiviert und im Dezember 2018 abgeschlossen. Im Anschluss an die Information des Bundesrates wurde der Bericht der Expertengruppe am 8. März veröffentlicht.

In der hochkarätigen Expertengruppe unter Leitung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) waren die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg), economiesuisse, SwissHoldings, der Schweizerische Versicherungsverband (SVV), die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK), das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), sowie das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) vertreten. Wie der Bundesrat hält auch die Expertengruppe den Handlungsbedarf, den Kapitalmarkt Schweiz und gleichzeitig auch den Sicherungszweck der Verrechnungssteuer zu stärken, für dringlich.

Was sind die Ziele der Reform? Wie sehen die Vorschläge aus? Welche Positionen haben die Stakeholder?

1. Zwecke der Verrechnungssteuer

Die Verrechnungssteuer wird als Quellensteuer beim Schuldner der Leistung sowohl auf Dividenden als auch auf Zinsen erhoben. Die Steuer dient zwei Zwecken:

  • Für inländische Steuerpflichtige soll die Verrechnungssteuer die vollständige Deklaration der Einkünfte sicherstellen, sie hat mithin einen Sicherungszweck. Die Steuer wird vollständig zurückerstattet und hat daher hier keinen Fiskalzweck.
  • Für ausländische Steuerpflichtige hat die Verrechnungssteuer sowohl einen Sicherungs- als auch einen Fiskalzweck. Da die Verrechnungssteuer, insbesondere für Dividenden, an ausländische Steuerpflichtige aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen zumeist nur teilweise zurückerstattet wird, verbleibt die sog. Sockelsteuer als Einnahme beim Schweizer Fiskus.

2. Heutige Situation

Mit der Einführung des Automatischen Informationsaustausches in Steuersachen ist für die meisten Staaten der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer obsolet geworden. Diese erhalten von der Schweiz Informationen mit denen sie die korrekte Deklaration der Vermögenswerte und –erträge ihrer Bürger kontrollieren können.

Der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer für Schweizer Steuerpflichtige war von jeher lückenhaft, da ausschliesslich Erträge aus Schweizer Quellen erfasst werden. Ausländische Erträge unterliegen nicht der Verrechnungssteuer.

Die Steuereinnahmen aus der Verrechnungssteuer lassen sich nicht zweifelsfrei den Erträgen oder den Empfängern zuordnen. Grundsätzlich steht allen Anlegern in der Schweiz die vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer offen. Daher sollten hier – korrekte Deklaration vorausgesetzt – nach der Rückerstattung keine Steuereinnahmen verbleiben.

Die ausländischen Anleger dürften jedoch erheblich zu den jährlich zwischen 4 bis 8 Milliarden Franken, welche nach der Rückerstattung verbleiben, beitragen. Ausländische Anleger erhalten für Zinsen – gestützt auf Doppelbesteuerungsabkommen - zumeist die vollständige Rückerstattung. Bei Dividenden gewähren die meisten Abkommen jedoch für Portfolioinvestoren nur eine Rückerstattung bis zu einem Sockelsteuersatz von 15 %. Diese Endbelastung bedeutet substanzielle Steuereinnahmen für die Schweiz, auf welche im Rahmen der Reform nicht verzichtet werden soll.

Probleme im Bereich der Fremdfinanzierung
Während Schweizer Aktien keine internationalen Akzeptanz-Probleme haben, sind ausländische Anleger gegenüber Anleihen von Schweizer Emittenten zurückhaltend. Ein wesentlicher Grund für diese Zurückhaltung dürfte die Verrechnungssteuer auf Zinsen bzw. der aufwendige Rückforderungsprozess sein.

Zinspapiere können leicht mit vergleichbaren Papieren ausländischer Emittenten ohne Quellensteuer ersetzt werden. Deshalb sind Schweizer Konzerne gezwungen, ihre Anleihen im Ausland herauszugeben und die konzerninternen Finanzierungsaktivitäten ebenfalls dort anzusiedeln. Damit sind auch die verbundene Wertschöpfung und die Arbeitsplätze im Ausland. Der ausführliche Bericht des Beirats Zukunft Finanzplatz zum Entwicklungsstand des Kapitalmarktes vom April 2018 gibt einen ausgezeichneten Überblick.

3. Elemente einer Reform

Bisheriger Verlauf
Die Reform hat bereits einige Etappen hinter sich. Der Vorschlag des Bundesrates zu einer Neugestaltung der Verrechnungssteuer für sämtliche Anleihen, welche im Zusammenhang der Too-big-to-fail-Gesetzgebung im 2012 erfolgte, wurde vom Parlament zurückgewiesen. Für die TBTF-Instrumente wurde eine befristete Befreiung beschlossen, welche Ende 2021 auslaufen wird. Im 2014 erfolgte der nächste Vorschlag in Form einer Vernehmlassungsvorlage, welcher von den Banken als zu aufwändig, kostenintensiv und mit zu vielen Abwicklungsrisiken beurteilt wurde. Auch andere Vernehmlassungsteilnehmer waren nicht begeistert. Die SBVg schlug dann ein teilweises Meldesystem vor. Mit diesem Vernehmlassungsergebnis und der Initiative "Ja zum Schutz der Privatsphäre" (sog. Matter-Initiative) sistierte der Bundesrat das Projekt im Sommer 2015 zunächst. Im November 2015 veranlasste der Bundesrat die Einsetzung der Expertengruppe durch das EFD.

Nach Rückzug der Matter-Initiative im Januar 2018 wurden die Arbeiten in der Expertengruppe intensiviert und mit dem nun vorliegenden Bericht abgeschlossen.

Gegenwärtige Elemente einer möglichen Reform
Mit dieser Ausgangslage ist ein Meldesystem vom Tisch und die Reformvorschläge umfassen folgende Elemente:

  • Wegfall der Verrechnungssteuer auf Zinsen, um die Anleihen von Schweizer Unternehmen und Kantonen bzw. Gemeinden für ausländische, insbesondere institutionelle Investoren attraktiv zu machen.
  • Einführung einer umfassenden Zahlstellensteuer, welche auf sämtlichen Erträgen von inländischen Privatpersonen bei Schweizer Banken erhoben wird. Diese Steuer hat wie bisher reinen Sicherungszweck und wird vollständig zurückerstattet.
  • Einschränkung der Verrechnungssteuer gegenüber ausländischen Investoren auf Dividenden und Reduktion auf den Sockelsteuersatz von 15 %.

4. Einschätzung der Vorschläge und Auswirkungen auf die Steuerpflichtigen

Mit dem Wechsel zu einer Zahlstellensteuer wird die Bemessungsgrundlage für die Verrechnungssteuer stark ausgeweitet. Da die Verrechnungssteuer auch als Zahlstellensteuer weiterhin vollständig im Rahmen der Steuerdeklaration zurückerstattet wird, resultieren aus der Zahlstellensteuer weder definitive Steuerbelastungen für die Anleger noch unmittelbare Mehreinnahmen für den Staat.

Ob – infolge der verbesserten Sicherungswirkung – bislang unversteuerte Vermögenswerte besteuert werden können, und damit Steuermehreinnahmen resultieren, ist unbekannt. In jedem Fall ist der Liquiditäts- und Zinsverlust zwischen Abzug und Rückerstattung der Steuer für den ehrlichen Steuerpflichtigen weiterhin ein wesentlicher Nachteil.

Die Zahlstellensteuer ist ausserdem sowohl für Banken als auch für die Kunden mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Ein Meldeverfahren durch die Banken im Inland wäre grundsätzlich einfacher; es wird jedoch politisch als nicht mehrheitsfähig erachtet.

Die Reduktion der Verrechnungssteuer auf Dividenden von 35% auf einen Satz von 15% wäre nach Einschätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung mit substantiellen Mindereinnahmen verbunden. Für die SBVg ist diese Massnahme jedoch ein zwingendes Element der Reform. Der Vertreter der FDK sieht finanzpolitische Gründe gegen diese Verknüpfung und befürchtet aus dem gesamten System erhöhte Vollzugssaufwände und Risiken für die Verwaltungen. SwissHoldings und der Versicherungsverband begrüssen die Senkung der Verrechnungssteuer auf Dividenden im Interesse des Holdingstandorts Schweiz. Jedoch hat bei ihnen die unerlässliche Verbesserung für die Fremdfinanzierung klare Priorität.

5. Ausblick

Es wird noch viel Wasser den Rhein und die Limmat hinabfliessen, bis die Reform umgesetzt wird. Im November 2018 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) beschlossen, eine Subkommission einzusetzen, die einen Vorentwurf erarbeiten soll. Sobald eine grundsätzliche Einigung erzielt ist, kann es an die Detailarbeit (z.B. Erhebungsrhythmus, Freigrenze, Verzugszins etc.) gehen. Zu diesen Details enthält der Bericht bereits einen Ausblick.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das Steuerteam gerne zur Verfügung.

Autor: Marc-Antoine Bree