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Wer in der Schweiz während der FIFA WM 2022 in Katar ein Public Viewing veranstaltet, benötigt hierfür unter bestimmten Voraussetzungen eine Lizenz und allenfalls auch eine polizeirechtliche Bewilligung. Stammt der Feed nicht von der FIFA selbst, hat diese auch heute noch das Nachsehen.
Dies ist eine aktualisierte Version des ursprünglich im Vorfeld zur FIFA WM 2018 erschienenen Artikels desselben Autors.
Während umstritten ist, ob die Live-Sendung einer Sportveranstaltung überhaupt ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellt, haben die Sendeunternehmen jedenfalls gemäss Art. 37 des Urheberrechtsgesetzes (URG) ein sog. verwandtes Schutzrecht an der Sendung selbst.
Die Sendeunternehmen haben u.a. das ausschliessliche Recht, ihre Sendungen "wahrnehmbar zu machen" (Art. 37 lit. b URG). Wer Dritten ermöglicht, Spiele der Fussball-WM auf einem Grossbildschirm bzw. einer Projektionsfläche live zu verfolgen, greift in dieses Recht ein. Weil das Wahrnehmbarmachen einer Sendung der sog. Kollektivverwertung unterliegt (Art. 38 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 URG), erfolgt die Rechteverwertung ausschliesslich durch die dafür zuständige Kollektivverwertungsgesellschaft, die Schweizer Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik (SUISA).
Einer separaten Lizenz der SUISA für ein Public Viewing in der Schweiz bedarf es bei Vorliegen folgender kumulativer Voraussetzungen:
Die Höhe der an die SUISA zu entrichtenden Lizenzgebühr ist dabei gemäss dem Gemeinsamen Tarif 3c (GT 3c) der Kollektivverwertungsgesellschaften für die Jahre 2019-2023 abhängig von
Die Lizenzgebühr beläuft sich pro Tag pauschal auf zwischen CHF 62.40 (ohne Eintritt und bis zu 5 Metern Bilddiagonale) und CHF 499.20 (mit Eintritt und ab 12 Metern Bilddiagonale), je zzgl. MwSt.
Erfolgt das Public Viewing gleichzeitig auf mehreren Grossbildschirmen bzw. Projektionsflächen, schuldet die Veranstalterin einzig die Lizenzgebühr für den grössten Bildschirm bzw. die grösste Projektionsfläche.
Die für den Empfang von Fernsehsendungen in der Schweiz geschuldete Gebühr richtet sich nach dem aktuellen Gemeinsamen Tarif 3a (GT 3a) der Kollektivverwertungsgesellschaften. Bezahlt die Veranstalterin eines Public Viewings in der Schweiz bereits gestützt auf den GT 3a eine Gebühr an die für das Inkasso zuständige Serafe AG, rechnet die SUISA diese auf die Public Viewing-Lizenzgebühr an.
Beträgt die Bilddiagonale weniger als 3 Meter, schuldet die Veranstalterin ausschliesslich eine Gebühr gemäss GT 3a.
Anlässlich der Fussball-EM 2008 in der Schweiz und Österreich hatten die Turnierorganisatorin Union des Associations Européennes de Football (UEFA) sowie die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) geltend gemacht, sie seien Inhaberinnen der entsprechenden Senderechte (insb. Rechte an der Übertragung von Fussballspielen). Ein Public Viewing in der Schweiz setze deshalb eine kostenpflichtige Lizenz der UEFA bzw. SRG voraus. Entsprechend fochten sie den GT 3c für die Jahre 2008 bis 2010 beim Schweizer Bundesverwaltungsgericht an.
Mit Urteil vom 21. Februar 2011 (B-2346/2009) hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht diese Sicht der Dinge verworfen. Ihre dagegen eingereichte Beschwerde hat die UEFA später zurückgezogen. Das Gericht entschied, ein Public Viewing sei urheberrechtlich als "Wahrnehmbarmachung" einer Sendung i.S.v. Art. 10 Abs. 2 lit. f URG zu qualifizieren und nicht als "öffentliche Vorführung" i.S.v. Art. 10 Abs. 2 lit. c URG. Weil die Wahrnehmbarmachung – anders als die öffentliche Vorführung – der Kollektivverwertung unterliege, sei die Lizenzerteilung den zuständigen Kollektivverwertungsgesellschaften vorbehalten. Dritte wie die UEFA oder die SRG dürften folglich keine Lizenzen für ein Public Viewing in der Schweiz erteilen.
Mit Urteil vom 29. Mai 2012 (B-2099/2011) hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsprechung betreffend den für die Jahre 2011 bis 2014 geltenden GT 3c bestätigt.
Obwohl die UEFA den Rechtsstreit ausgefochten hatte, gilt das Resultat bis heute auch für die Fédération Internationale de Football Association (FIFA), die Organisatorin der Fussball-WM. Für ein Public Viewing anlässlich der Fussball-WM 2022 in Katar bedarf es in der Schweiz also keiner Lizenz der FIFA.
Einer Lizenz der FIFA bedürfte eine Veranstalterin eines Public Viewing nur dann, wenn sie den Feed nicht (linear) über ein Sendeunternehmen, sondern direkt von der FIFA beziehen würde. Gemäss aktuellem Lizenzmodell der FIFA (vgl. hier) wird die Verbreitung der Fussballspiele in der Schweiz allerdings über das schweizerische öffentlich-rechtliche Sendeunternehmen SRG erfolgen; die FIFA wird also keinen direkten Feed an die Veranstalterinnen von Public Viewings liefern.
Je nachdem, wo das Public Viewing stattfinden soll, bedarf die Veranstalterin allenfalls noch einer polizeirechtlichen Bewilligung der zuständigen Gemeinde/Stadt.
Zu vermeiden haben Veranstalterinnen eines Public Viewing schliesslich unlauteres Ambush Marketing, also das Schaffen einer unlauteren Verbindung zur FIFA bzw. zur FIFA WM 2022, ohne über entsprechende Vermarktungsrechte zu verfügen. Welche Spielregeln dabei zu beachten sind, erfahren Sie hier.
Wir empfehlen Veranstalterinnen von Public Viewings in der Schweiz, sich mit der Lizenzsituation vertraut zu machen und die allenfalls erforderliche Lizenz und Bewilligung rechtzeitig einzuholen.
Weitere Informationen:
Autor: Jonas D. Gassmann
Rechtsanwalt
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