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Kategorien: Digital Business Law Bites, Blog
Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.
Online-Werbung lässt sich präzis auf die Bedürfnisse der Nutzer abstimmen – sofern diese bekannt sind. Der Erhebung und Verarbeitung von Personendaten zwecks Targeting sind aber enge datenschutzrechtliche Grenzen gesetzt. Diese Grenzen könnten bald noch enger werden, wenn die Schweiz ihr Recht der ab Mai 2018 in allen EU-Staaten verbindlichen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) anpasst. Es bleibt zu hoffen, dass die Schweiz der Personalisierung von Werbung nicht unnötig grosse Steine in den Weg legt. Immerhin sind Werbeeinnahmen auch in Zukunft unabdingbare Voraussetzungen für den Erhalt der Medienvielfalt.
Der Konsum von Werbung gilt vielen Mediennutzern eher als Zwang denn als Vergnügen. Die Zunahme von Ad-Blockern bei Online-Werbung sowie die Möglichkeit, bei zeitversetzter TV-Nutzung Werbung zu überspringen, führen zu messbaren Umsatzeinbussen bei Online-Plattformen und TV-Sendern. Dies geht einher mit einer schwindenden Zahlungsbereitschaft für Medieninhalte, weil diese über zahlreiche Multiplikatoren wie etwa LinkedIn und Facebook oder über Aggregatoren wie Google News, Newsvine, Daily Beast oder Upday auch kostenlos zugänglich sind. Von den gebührenfinanzierten öffentlichrechtlichen TV-Sendern abgesehen, können diese Entwicklungen existenzbedrohende Auswirkungen annehmen und die Medienvielfalt gefährden.
Hinzu tritt, dass Online-Werbung immer weniger in einem bestimmten Umfeld platziert wird (beispielsweise in der NZZ im Vertrauen auf eine wirtschaftsaffine Leserschaft), sondern über Netzwerke, welche Konsumenten über verschiedene Plattformen hinweg identifizieren und ihnen Werbung ausliefern, die ihren vermuteten Interessen entspricht. Targeting, Auslieferung und Auswertung laufen weitgehend automatisiert ab (sog. «Programmatic Advertising»). Die Kontrolle über Werbeinventar und Preise verlagert sich immer mehr weg von den Plattformbetreibern und hin zu grossen Werbenetzwerken. Nur grosse Netzwerke können den Werbeauftraggebern eine relevante Reichweite bieten. Diese Entwicklung setzt national oder regional tätige Medien unter Druck.
Internet und Big Data haben ganz neue Dimensionen für die Erhebung und Verarbeitung von (Personen-)Daten erschlossen. Die Datenschutzgesetze europäischer Prägung stammen aus den 80er-Jahren und sind nicht für die digitale Netzgesellschaft gedacht. Stand früher der Schutz der Persönlichkeit des einzelnen vor Missbrauch seiner Daten durch den Staat im Vordergrund, geht es heute vermehrt um Themen wie Datensicherheit oder den Schutz vor automatisierten Entscheiden und vor Filtern, die Medieninhalte aussortieren. Ausserdem findet Datenaustausch über Internet meist grenzüberschreitend statt, weshalb gerade die EU die in ihrem Binnenmarkt geltenden Regeln vereinheitlichen wollte. Das Vorhaben war über Jahre heftig umstritten. Bei der im Dezember 2015 verabschiedeten Endfassung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) blieben zahlreiche Anliegen der Medien und der Werbeindustrie auf der Strecke.
Online-Plattformen müssen künftig für Portabilität der Nutzerdaten sorgen, diese aber auf Verlangen des Nutzers oder nach einer bestimmten Zeit wieder vollständig löschen («Recht auf Vergessen»). Ausserdem gelten künftig detaillierte Informationspflichten. Betroffene müssen vorab informiert werden, ob sich die Bearbeitung ihrer Daten auf Gesetz, Einwilligung oder auf ein berechtigtes Geschäftsinteresse stützt. Dabei ist bereits heute umstritten, ob Werbung als Geschäftsinteresse anerkannt sein soll. Im Zweifelsfall ist eine ausdrückliche, freiwillige und informierte Einwilligung der Betroffenen einzuholen. Datenschutzerklärungen werden infolge der strengeren Informationspflichten noch länger. Bereits heute liest diese kaum jemand. Wer es trotzdem tut und beispielsweise mit der Bearbeitung seiner Daten im Ausland nicht einverstanden ist, hat wenig Handlungsoptionen: faktisch kann er bloss auf die Inanspruchnahme des Dienstes verzichten. Die neuen Regeln sind ab dem 25. Mai 2018 in allen EU-Ländern direkt anwendbar. Für Aufmerksamkeit in den Chefetagen sorgt die dem Kartellgesetz nachempfundene Bussenregelung von bis zu 4 % des weltweiten Umsatzes.
Parallel dazu bleibt die sog. Cookie-Richtlinie unverändert in Kraft. Dieser Richtlinie ist es zu verdanken, dass Nutzer von in der EU betriebenen Online-Plattformen zuerst Hinweise zu Cookies zu sehen und deren Einsatz zuzustimmen haben, bevor sich der gesuchte Inhalt nutzen lässt. Alle diese Einschränkungen behindern Innovation und Schlagkraft europäischer Plattformen und stärken indirekt die grossen globalen Plattformen, die sich mit weniger formalistischen Einschränkungen auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer ausrichten können.
Die Schweiz ist auf ungehinderten Austausch von Personendaten mit den umliegenden Ländern angewiesen. Sie muss ihr Datenschutzgesetz anpassen, um die Anerkennung eines gleichwertigen Datenschutzes gegenüber der EU nicht zu verlieren. Die Vernehmlassung zu einer Totalrevision des Datenschutzgesetzes sollte bereits seit September 2016 laufen, ist aber infolge von Differenzen bei der Ämterkonsultation verspätet. Das geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1992. Es statuiert bewährte Grundsätze wie die Zweckbindung und das Verhältnismässigkeitsprinzip, ohne sich in detaillierten Regelungen zu verlieren. Solche finden sich in Spezialgesetzen mit besonderer Risikolage (Energie, Finanzwesen, Gesundheitswesen).
Es ist zu hoffen, dass der Schweizer Gesetzgeber auf detaillierte Anforderungen an eine ausdrückliche und informierte Zustimmung zu Datennutzungen verzichtet. Im Zeitalter von Big Data bleibt die informierte Zustimmung des einzelnen Nutzers eine Fiktion. Die wahren Risiken liegen bei unbeabsichtigter oder unerlaubter Offenlegung von Daten (infolge von Hacking und Data Breaches) sowie bei automatisierten Entscheiden und Filtern, die für den Einzelnen gravierende Folgen haben können. Hier weist das Gesetz aus dem Jahr 1992 Lücken auf, die durch Anforderungen an Transparenz und Offenlegung von Fehlern (insb. bei Data Breaches) zu schliessen sind.
In der Praxis werden sich viele Schweizer Unternehmen der Anwendbarkeit der DS-GVO nicht entziehen können. Denn diese greift unabhängig vom Standort eines Unternehmens immer dann, wenn Daten von EU-Bürgern verarbeitet werden oder wenn die Bearbeitung in der EU stattfindet. Diese Umstände sind bei nationalen und regionalen Schweizer Online-Medien allerdings nicht gegeben, weshalb sich zumindest für diese eine liberalere Regulierung treffen liesse. So wäre etwa in Betracht zu ziehen, im Schweizer Recht einen expliziten Rechtfertigungsgrund für die Bearbeitung von Personendaten durch Medienunternehmen zu schaffen. Dies wäre ein Beitrag zur Erhaltung der Medienvielfalt in der Schweiz.
Werbeauftraggeber und Online-Plattformbetreiber tun aber gut daran, sich nicht auf die Zurückhaltung des Gesetzgebers zu verlassen. Letztlich hängt die Wirksamkeit von Werbeformaten von der Akzeptanz beim Publikum ab. Am 15. September 2016 haben sich die wichtigen internationalen Verbände und Betreiber von Online-Plattformen zur «Coalition for better ads» zusammengeschlossen. Sie wollen in gemeinsamer Selbstregulierung dafür sorgen, dass die als besonders störend empfundenen Werbeformen (etwa Pop-ups und Layovers) von den Bildschirmen der Medienplattformen verschwinden. Noch steht der Tatbeweis aus, dass dieses Vorhaben gelingt und Werbung beim Publikum künftig vermehrt Akzeptanz findet.
Autor: Rolf Auf der Maur
Rechtsanwalt
Rolf Auf der Maur / Jonas D. Gassmann / Sven Hintermann, Advertising, Marketing & Promotion...
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