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7. November 2019 Online Verletzung von Immaterialgüterrechten in der EU und der Schweiz (Nr. 4)

Immaterialgüterrechte werden zunehmend Ziel von Fälschungen und Piraterie übers Internet. Online Rechtsverletzungen stellen Rechteinhaber sowie Behörden vor neue Herausforderungen bei der Bekämpfung widerrechtlicher Angebote. Auch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) versuchen, den Rechten am geistigen Eigentum im Internet zur Durchsetzung zu verhelfen.

Lukrative online Verletzung von Schutzrechten

Anreize für Fälschungen und Piraterie liegen in den potentiell hohen Gewinnen aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität der Branchen mit hoher Schutzrechtsdichte, wie z.B. die Pharma-, Verarbeitungs- oder Technologieindustrie. Nach Studien des EUIPO und des European Patent Office (EPO), machten Branchen mit hoher Schutzrechtsdichte in den Jahren 2014 bis 2016 durchschnittlich knapp 45% des Bruttoinlandprodukts (v.a. durch Sektoren mit hoher Markendichte) und über einen Viertel der Beschäftigung (v.a. patentintensive Branchen) in der EU aus (vgl. Industry-Level Analysis Report des European Patent Office und des EUIPO). In der Schweiz war der Beschäftigungsanteil in schutzrechtsintensiven Wirtschaftszweigen mit 30,7% gar über dem europäischen Schnitt (vgl. Industry-Level Analysis Report des European Patent Office und des EUIPO, siehe auch die Gegenüberstellung Schweiz-EU). Die Löhne in diesen Branchen sind in der EU im Schnitt über 45% höher und gerade KMU, welche Rechte an geistigem Eigentum besitzen, sind in der Regel grösser und erzielen fast 30% mehr Umsatz (pro Mitarbeitenden), als Unternehmen ohne solche Rechte (vgl. dazu Status Report on IPR Infringement).

Verletzungen von Rechten an geistigem Eigentum finden online insbesondere durch den Verkauf von gefälschten Produkten und das Anbieten urheberrechtlich geschützter Inhalte (v.a. Filme, Musik oder Games) statt. Der weltweite Handel mit gefälschten Produkten nimmt zu: In der EU macht der Anteil an Fälschungen bereits 6,8% aller Importe aus (Status Report on IPR Infringement). Bei diesen Fälschungen handelt es sich in erster Linie um Luxus- und Modeprodukte wie Handtaschen, Uhren, Schmuck, Parfüme und Kosmetika (vgl. die Fälschungen am Schweizer Zoll). Illegal angebotene, urheberrechtlich geschützte Inhalte sind meist Software, Filme, Musik, E-Books und Spiele.

Negative Folgen für Rechteinhaber, Staaten und Konsumenten

Die (online) Verletzungen von Rechten an geistigem Eigentum führen bei den betroffenen Rechteinhabern zu erheblichen Verlusten. Die Verkaufszahlen der betroffenen Branchen in der EU sanken alleine zwischen 2012 und 2016 aufgrund solcher Verletzungen um durchschnittlich 7,4%, was einer Verkaufseinbusse von 56 Milliarden Euro pro Jahr entspricht (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO). Nebst den Verlusten beim Rechteinhaber selbst entgehen alleine den EU-Mitgliedstaaten jährlich über EUR 16 Milliarden an Steuern und Sozialabgaben (Status Report on IPR Infringement des EUIPO). Doch auch für die Endkunden ist der Kauf von gefälschten Produkten mit Risiken verbunden: Da sich das Angebot von Fälschungen in den letzten Jahren auch auf Produkte des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise Kosmetika, Medikamente oder Batterien ausgeweitet hat, bestehen Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher bei der Verwendung gefälschter Waren.

Schwierige Verfolgung von online Rechtsverletzungen

Die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Immaterialgüterrechte wiederspiegelt sich nicht im rechtlichen Schutz: Immaterialgüterrechtsverletzungen sind im Vergleich zu anderen widerrechtlichen Geschäften, wie bspw. Drogenhandel, tendenziell milder bestraft (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO).

Die Importe gefälschter Waren kommen nach Angaben des EUIPO überwiegend aus Ländern, die von einem hohen Mass an Korruption betroffen sind und in denen die staatliche Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum Lücken aufweist. Insbesondere Freihandelszonen, Logistikanlagen sowie eine Politik der Handelserleichterung fördern tendenziell den Handel mit Fälschungen. Zu den Hauptexporteuren zählen insbesondere Länder wie China (und Hong Kong), Türkei, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO, für die Schweiz die Statistik zu Fälschung und Piraterie im Immaterialgüterrecht 2018 der Eidgenössischen Zollverwaltung).

Das Internet bietet die optimale Plattform, um Fälschungen anzubieten, teils auch unter verdeckter Identität, und gleichzeitig mittels Werbung zusätzliche Einnahmen zu generieren. Die Nachfrage nach günstigen und einfach erhältlichen Fälschungen besteht und der Kauf von gefälschten Produkten ist gesellschaftlich nicht verpönt. Bei der Durchsetzung der Schutzrechte erweisen sich insbesondere die ständige Weiterentwicklung und Veränderung von Vertriebsmethoden in einem globalen Markt als anspruchsvoll (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO).

Für die Rechteinhaber kommt erschwerend hinzu, dass die Kosten für die Bekämpfung solcher Verletzungen nach Schätzung des EUIPO pro betroffenem Unternehmen im Schnitt ca. EUR 115'000 betragen (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO). Für kleinere Unternehmen sind diese Kosten sehr belastend.

Unterstützung durch das EUIPO und das IGE

Zentral bei der Bekämpfung der online Fälschungen und Piraterie ist der "follow the money approach": Massnahmen sollen dort ansetzen, wo mit Rechtsverletzungen wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Die EU Behörden versuchen z.B., über freiwillige Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Akteuren in der Verkaufskette von gefälschten Produkten (bspw. Online-Einzelhandelsplattformen), die Lieferung an den Endverbraucher zu verhindern (vgl. Status Report on IPR Infringement des EUIPO). Dazu gehört auch der Einbezug der online Werbebranche (vgl. dazu auch die Europäische Kommission Memorandum of Understanding on online advertising and IPR, June 25, 2018).

Sowohl das IGE als auch das EUIPO unterstützen die Rechteinhaber bei der Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet: Illustrativ ist das online Portal des EUIPO, welches verschiedene Durchsetzungsinstrumente zur Bekämpfung solcher Verletzungen zusammenfasst. Es ermöglicht Rechteinhabern, eine sichere Kommunikation mit Zollbeamten und der Polizei aufzubauen und Daten über ihre Schutzrechte hochzuladen. Die Rechteinhaber werden gleichzeitig über diese Plattform über Beschlagnahmungen von Artikeln an der EU-Grenze informiert und so bei ihrem Risikomanagement unterstützt. Auch das Schweizer IGE unterstützt das Vorgehen gegen Fälschung und Piraterie im Internet, z.B. als Gründungsmitglied des als Public Private Partnership aufgebauten Vereins STOP PIRACY. Die entsprechende online Plattform soll die Öffentlichkeit für die Risiken sensibilisieren und die Kooperation von Wirtschaft und Behörden zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie im Internet fördern. Rechteinhaber finden darauf Hinweise zur Inanspruchnahme der Hilfeleistung der Zollbehörden in der Schweiz und in der EU.

Die Verletzungen von Rechten an geistigem Eigentum führen in Europa zu erheblichen wirtschaftlichen Einbussen sowie zu Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher. Die Verteidigung von Immaterialgüterrechten im Internet ist nie "abgeschlossen", Rechteinhaber müssen ihre Schutzstrategie laufend den neuen Geschäftsmodellen anpassen. Die Angebote des EUIPO und des IGE sind für Rechteinhaber eine willkommene Hilfestellung.

Unser Immaterialgüterrechtsteam unterstützt Sie gerne bei Ihrer Schutzstrategie und Durchsetzung von Rechten – on- und offline. Falls Sie mehr Informationen wünschen können Sie unsere Autorinnen Delia Fehr-Bosshard oder Lea Germann gerne kontaktieren.

Unsere Serie "Online Enforcement" thematisiert Besonderheiten bei der Durchsetzung von Rechten im Internet.

Weitere Artikel der Serie:

Autorin: Delia Fehr-Bosshard

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