VISCHER ist eine Schweizer Anwaltskanzlei, die sich der rechtlichen Lösung von Geschäfts-, Steuer- und Regulierungsfragen widmet.
SWISS LAW AND TAX
Dienstleistungen
Immaterialgüterrecht
Life Sciences, Pharma, Biotechnologie
Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit
Lernen Sie unser Team kennen
Unser Know-how, unsere Expertise und unsere Publikationen
Alle anzeigen
Events
Blog
Wir entwickeln nicht nur juristische Lösungen für unsere Klientinnen und Klienten, wir entwickeln auch neue Formate dafür.
VISCHER Legal Innovation Lab
Red Dragon
Karriere
Kategorien: Gesellschafts - und Handelsrecht, Steuern, Blog
Am 11. Februar 2020 veröffentlichte die OECD die finale Version der Verrechnungspreisrichtlinien für Finanztransaktionen (FT-Richtlinien). Diese sollen zukünftig als neues Kapitel X den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien beigefügt werden und enthalten Richtlinien zur Festlegung von Verrechnungspreisen von konzerninternen Finanzierungstransaktionen. Damit gibt zwar die OECD erstmals Richtlinien für Finanztransaktionen vor, allerdings handelt es sich bei den veröffentlichten FT-Richtlinien vor allem um eine Bestätigung der bisher gelebten Praxis. Neben den allgemeinen Grundsätzen für Verrechnungspreise von konzerninternen Finanztransaktionen behandeln die FT-Richtlinien insbesondere auch häufige Finanztransaktionen wie Darlehen, Cash-Pools und Hedging sowie Finanzgarantien.
Wie bei allen konzerninternen Transaktionen ist auch bei Finanztransaktionen zu prüfen, ob eine Transaktion unter diesen Bedingungen auch unter unabhängigen Dritten zu Stande gekommen wäre. Der Fremdvergleich ist dabei wie immer massgebend. Damit ein Fremdvergleich angestellt werden kann, muss zuerst eine Analyse der Finanztransaktion erfolgen, also eine Analyse der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen zwischen den Beteiligten sowie der Bedingungen und der wirtschaftlich relevanten Begleitumstände; dies umfasst eine Untersuchung der Verträge über die Finanztransaktion, der ausgeübten Funktionen, der genutzten Vermögenswerte und übernommenen Risiken, der Merkmale der Finanzinstrumente, der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und des betreffenden Marktes sowie der Geschäftsstrategien der Beteiligten. [1] Die entscheidende Frage ist jedoch, ob die von den Parteien gewählte Finanzierung überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist. [2] Dies bedingt neben der Analyse der Finanztransaktion selbst auch die Abwägung realistisch verfügbarer Alternativen der Vertragsparteien. Dabei sind aus Sicht des Kapitalgebers alternative Anlagemöglichkeiten und aus Sicht des Kapitalnehmers alternative Finanzierungsmöglichkeiten oder die Notwendigkeit einer zusätzlichen Finanzierung an sich zu prüfen. [3]
Die an einer Finanztransaktion beteiligten Konzerngesellschaften müssen gegenüber den Steuerbehörden somit immer in der Lage sein, den wirtschaftlichen Sinn der Transaktion, den Fremdvergleich der Vertragsbedingungen, die Angemessenheit der Kapitalstruktur sowie der angewendeten Verrechnungspreise darzulegen. Für häufige Finanztransaktionen wie Darlehen, Cash-Pools und Hedging sowie Finanzgarantien enthalten die FT-Richtlinien dazu konkrete Empfehlungen.
In einem ersten Schritt ist zu prüfen bzw. darzulegen, ob das Darlehen aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt als Fremdkapital qualifiziert. Dabei sind wie erwähnt sowohl die Finanztransaktion an sich als auch mögliche Alternativen zu prüfen. Ein Darlehen kann als simuliert gelten bzw. in Eigenkapital umqualifiziert werden, falls der Darlehensnehmer von Anfang an auf Grundlage der Liquiditätsplanung nicht in der Lage gewesen wäre, das Darlehen in sinnvoller Zeit zurückzuführen und gleichzeitig die Darlehenszinsen zu bedienen. Es ist daher wichtig, dass bei konzerninternen Darlehen sorgfältig geprüft wird, ob es sich überhaupt um ein Darlehen handelt und ob der Darlehensnehmer solvent ist.
Qualifiziert das Darlehen als Fremdkapital, ist die Kreditwürdigkeit (Bonität) des Darlehensnehmers und darauf basierend der im Fremdvergleich angemessene Zinssatz zu bestimmen. Dabei kann das Rating sowohl Top-Down, also von der Gruppenbonität (Gruppenrating), oder Bottom-Up, also vom Darlehensnehmer selbst (Standalone Rating), bestimmt werden. Es findet keine automatische Anwendung des Gruppenratings auf die Konzerngesellschaften statt. Passive Gruppenzugehörigkeitsvorteile sind bei der Bestimmung der Bonität des Darlehensnehmers zu berücksichtigen. Handelt es sich beim Darlehensnehmer z.B. um eine strategisch wichtige Gruppengesellschaft oder wäre ein Zahlungsausfall des Darlehensnehmers mit einem Reputationsschaden für die gesamte Gruppe verbunden, weil es unter dem Namen der Gruppe gegen aussen auftritt, ist davon auszugehen, dass der Darlehensnehmer von einer impliziten Unterstützung der Gruppe profitiert. Diese implizite Garantie erhöht die Bonität des Darlehensnehmers. Da es sich jedoch nicht um eine explizite, spezifische Garantie handelt, soll bzw. darf dafür keine Vergütung erfolgen. [4]
Der Zinssatz für das Darlehen hat neben der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers auch die weiteren Bedingungen des Darlehens, also dessen Laufzeit, Währung, Seniorität, Absicherungen und Garantien zu berücksichtigen. Basierend darauf soll gemäss FT-Richtlinie die Höhe des Zinssatzes dann in erster Linie auf Basis der Preisvergleichsmethode und unter Berücksichtigung von im Fremdvergleich üblichen Darlehensgebühren (Administrationsgebühren, Provisionen etc.) festgelegt werden. Liegen keine vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle vor, kann der Zinssatz auch aufgrund der Geldbeschaffungskosten für den Darlehensgeber (Kapitalkostenansatz) oder mittels Anwendung ökonomischer Modelle (Modellierungsansatz) ermittelt werden. Beim Modellierungsansatz wird der Zinssatz berechnet, indem ein risikofreier Zinssatz mit Aufschlägen für verschiedene Darlehensmerkmale – z.B. Ausfallrisiko, Liquiditätsrisiko, Inflationserwartungen oder Laufzeit – kombiniert wird. Weiter sieht die FT-Richtlinie vor, dass der Spread, also die Risikoprämie, welche ein Dritter auf dem zur Verfügung gestellten Kapital fordern würde, unter gewissen Umständen anhand von Credit Default Swaps von am Markt gehandelten Finanzinstrumenten ermittelt werden kann. Klar ist jedoch, dass Auskünfte von Banken (Bankofferten), in denen die Banken angeben, zu welchem Zinssatz sie dem betreffenden Unternehmen ein vergleichbares Darlehen gewähren würden, nicht als Nachweis für einen fremdüblichen Zins anzusehen sind. Diese stellen – gemäss Meinung der OECD – kein wirkliches Darlehensangebot dar und beruhen daher nicht auf einem Vergleich tatsächlicher Geschäftsvorfälle.
Neben der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers ist weiter zu prüfen, ob der Darlehensgeber ökonomisch gesehen überhaupt in der Lage ist, die mit dem Darlehen verbundenen Risiken zu tragen und zu kontrollieren. Ist dies nicht der Fall, weil dem Darlehensgeber dazu beispielsweise die finanziellen Ressourcen fehlen, darf der Darlehensgeber nicht mehr als eine risikofreie Rendite auf dem gewährten Darlehen erhalten. [5] Der Darlehensnehmer kann weiterhin einen Zinsaufwand bis zur fremdüblichen Höhe geltend machen. Die Differenz zwischen dem im Fremdvergleich zu zahlenden Zins und der risikofreien Rendite ist dem Unternehmen zuzurechnen, das nach den FT-Richtlinien die Kontrolle über das Investitionsrisiko ausübt und trägt. [6] Nur falls der Darlehensgeber die Kontrolle über die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Finanzierungsmittel ausübt und selber trägt, kann dieser gemäss FT-Richtlinien für seine Finanzierung eine risikoangepasste Rendite erwarten.
Insgesamt sind die zu berücksichtigenden Kriterien durchaus nachvollziehbar. In der Praxis ist es freilich nicht immer einfach, diese auch konsequent anzuwenden.
Multinationale Unternehmen greifen zur effizienteren Gestaltung ihres Liquiditätsmanagements häufig auf Cash-Pools zurück; dabei werden die Salden mehrerer Einzelbankkonten entweder physisch oder fiktiv bei einer Gesellschaft gebündelt. Mit einem Cash-Pool können die Unternehmen je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls eine effektivere Liquiditätssteuerung betreiben und den Bedarf an externem Fremdkapital verringern oder – bei Liquiditätsüberschüssen – dank der Bündelung der Guthaben höhere Renditen erzielen. [7] Bevor die innerhalb des Cash-Pools verwendeten Zinssätze und die Vergütung des Cash-Pool führenden Unternehmens bestimmt werden können, ist unter Berücksichtigung der nächstbesten Optionen zu prüfen, ob die Unternehmen aus der Teilnahme am Cash-Pool einen Vorteil erzielen. Nur in diesem Fall würden Unternehmen im Fremdvergleich am Cash-Pool teilnehmen. Neben dem Vorteil von günstigen Zinsen bestehen Vorteile von Cash-Pools zum Beispiel in einer dauerhaften Finanzierungsquelle oder Zugang zu Liquidität, welcher andernfalls nicht verfügbar wäre. Jedenfalls sollten die Cash-Pool-Teilnehmer im Vergleich zur nächstbesten Handlungsalternative mindestens nicht schlechter gestellt werden und in jedem Fall in einem angemessenen Umfang an den Vorteilen des Cash Pooling partizipieren. Die Vorteile aus dem Cash-Pool, also vor allem der Zinsvorteil, dürfen nicht nur dem Cash-Pool Führer zukommen.
Die angemessene Vergütung des Cash-Pool-Führers hängt von den ausgeübten Funktionen, genutzten Vermögenswerten und übernommenen Risiken ab. Im Allgemeinen übt ein Cash-Pool-Führer gemäss FT-Richtlinien lediglich eine Koordinations- oder Vermittlerfunktion aus und trägt kein erhöhtes Risiko. Angesichts dieses begrenzten Funktionsumfangs bleibt die Vergütung des Cash-Pool-Führers als Dienstleister in der Regel auf die Entschädigung der Kosten zuzüglich einer Gewinnmarge begrenzt. Dasjenige Unternehmen, welches innerhalb des Konzerns die Kontrolle über die Risiken des Cash-Pools ausübt und trägt, ist dafür zu entschädigen. Nur falls der Cash-Pool Führer zusätzliche Funktionen wie ein vollwertiges Treasury Center oder strategische Funktionen übernimmt bzw. die mit dem Cash-Pool zusammenhängenden Risiken, wie Kredit- und Liquiditätsrisiko, trägt und die Fähigkeit zur Kontrolle dieser Risiken hat, ist dies zusätzlich zu entschädigen. Eine zusätzliche Entschädigung bedingt, dass der Cash-Pool Führer über die dazu notwendige personelle und finanzielle Substanz verfügt.
Falls sich zeigt, dass einzelne Soll- bzw. Habenpositionen von Teilnehmern eines Cash-Pools längerfristigen Charakter haben, ist ausserdem zu prüfen, ob diese Positionen statt als kurzfristige Cash-Pool-Salden als etwas Anderes, z. B. als längerfristige Einlagen oder als Laufzeitkredite zu behandeln und auch als solche zu verzinsen sind. Sind Schweizer Unternehmen an Cash-Pools beteiligt, ist zudem immer die Thematik der Einlagerückgewähr im Auge zu halten.
Auch hier können die Mechanismen als sinnvoll bezeichnet werden; auch wenn die praktische Anwendung anspruchsvoll ist.
Beim Hedging werden Risiken innerhalb eines Konzerns übertragen. Häufig werden mittels Hedging Risiken wie Wechselkurs- oder Rohstoffpreisschwankungen abgesichert. Wird das Hedging innerhalb einer Gruppe in einer Treasury-Funktion zentralisiert, welche die Hedging-Verträge, die die operativen Gesellschaften eingehen, jeweils arrangiert, so soll dies gemäss FT-Richtlinie als Dienstleistung, also auf Basis der Kosten zuzüglich Gewinnzuschlag, vergütet werden. Auf eine Entschädigung in Abhängigkeit zur Höhe der abgesicherten Beträge ist in diesen Fällen zu verzichten. Gehen die Treasury Einheit oder andere Gruppengesellschaften jedoch die Absicherungsverträge auf ihren Namen ein, sind sie auf Basis einer Analyse der dabei übernommenen Funktionen und eingegangenen Risiken zu entschädigen.
Implizite Finanzgarantien, welche sich aus der Gruppenzugehörigkeit eines Unternehmens ergeben, sind gemäss der FT-Richtlinie wie erwähnt nicht zu vergüten. [8] Nur, falls ein Gruppenunternehmen eine explizite, rechtsverbindliche Garantie gewährt und diese Garantie den garantienehmenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen bietet, welcher über eine implizite Gruppengarantie hinausgeht, ist diese zu vergüten. [9] Vorteile einer solchen Garantie können der Erhalt günstigerer Darlehenszinssätze oder eine höhere zulässige Verschuldung bei einer Bank – also letztendlich die Verbesserung der Bonität des Darlehensnehmers – sein.
Wird eine explizite Garantie gewährt, ist also zu bestimmen, was der Vorteil dieser Garantie gegenüber der impliziten Gruppengarantie ist. Nur dieser zusätzliche Vorteil ist zu entschädigen. Die Höhe der Entschädigung für die Gewährung einer Garantie kann gemäss FT-Richtlinien mittels verschiedener Methoden bestimmt werden. Sofern Daten zur Entschädigung von Garantien unter unabhängige Dritten vorliegen, dürfte wiederum die Preisvergleichsmethode zu den verlässlichsten Werten führen. Allerdings lassen sich kaum öffentlich zugängliche Informationen über bonitätsverbessernde Garantien unter fremden Dritten finden. Die FT-Richtlinien nennen dabei für Fälle ohne Drittvergleich vor allem den zinsbasierten Ansatz ("Yield Approach"). Bei diesem wird der Nutzen, der dem Garantienehmer durch die Garantie entsteht, anhand der durch sie ermöglichten Zinsverringerung quantifiziert. [10] In einem ersten Schritt wird also der Zinssatz bestimmt, den ein Darlehensnehmer aufgrund seiner eigenen Merkmale unter Berücksichtigung des Effekts des impliziten Rückhalts, den er durch seine Gruppenzugehörigkeit hat, zahlen müsste. In einem zweiten Schritt wird der Zinssatz bestimmt, der mit der expliziten Garantie zu entrichten ist. Die Differenz dieser beiden Zinssätze entspricht dann der Höchstgebühr, die ein unabhängiger Dritter für die Garantie zahlen würde. Jedoch hat ein Darlehensnehmer nur dann einen Anreiz eine Gebühr für eine Garantie zu zahlen, wenn die Bankzinsen und die Garantiegebühr zusammengenommen unter den Zinsen liegen, welche er ohne Garantie an die Bank bezahlen müsste. Der Darlehensnehmer muss also einen Vorteil aus der Garantie haben. Daher wird in der Regel der Vorteil aus der Garantie, falls keine Beweise für eine ungleiche Verhandlungsmacht vorliegen, je hälftig zwischen Garantiegeber und Garantienehmer aufgeteilt. [11] Als weitere Möglichkeiten zur Bestimmung der Höhe der Garantiegebühr nennen die FT-Richtlinien kostenbasierte Ansätze ("Cost Approach") bzw. verlust- und kapitalbasierte Ansätze. Bei diesen Methoden wird das zusätzliche vom Garantiegeber getragene Risiko quantifiziert, indem die Höhe des Verlusts geschätzt wird, mit dem der Garantiegeber aufgrund der gestellten Garantie bei Ausfall des Darlehensnehmers zu rechnen hat („Loss Given Default“). Alternativ dazu könnten die zu erwartenden Kosten unter Bezugnahme auf das Kapital bestimmt werden, das zur Absicherung des vom Garantiegeber eingegangenen Risikos notwendig ist. [12]
In der Praxis wird die Bestimmung der Höhe einer adäquaten Entschädigung auch mit diesen Richtlinien schwer umzusetzen sein, da wie erwähnt oftmals die relevanten Vergleichswerte fehlen oder nur schwer zu beschaffen sind.
Die Ausführungen zu den Verrechnungspreisen bei Finanztransaktionen sind nicht grundlegend neu, sie bestätigen die international geltende Praxis. Es ist zu erwarten, dass durch die Konkretisierung in den FT-Richtlinien die Steuerverwaltungen mehr Druck mit Bezug auf deren Anwendung bei Finanztransaktionen zwischen der Schweiz und dem Ausland ausüben werden. [13] Die Schweiz ist Mitglied der OECD und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat offiziell mitgeteilt, dass die Verrechnungspreisgrundsätze der OECD zu berücksichtigen seien, wenn es um die Bestimmung von fremdvergleichskonformen Preisen geht. [14] Die FT-Richtlinie ist somit auch aus Sicht der Schweiz in bilateralen Finanztransaktionen anzuwenden. Dabei ist zu beachten, dass die von der ESTV in ihren jährlichen Rundschreiben veröffentlichten Zinssätze für Vorschüsse oder Darlehen an Nahestehende in Schweizer Franken bzw. in Fremdwährungen sowie die im Kreisschreiben Nr. 6 vom 6. Juni 1997 "Verdecktes Eigenkapital" genannten Mindestkapitalisierungsregeln einzig die Praxis der ESTV und der Kantonalen Steuerverwaltungen abbilden und somit nur gegenüber den inländischen Steuerbehörden als "Safe Haven" gelten. Wobei aber auch gegenüber den Schweizer Steuerbehörden die Anwendung anderer Zinssätze bzw. einer anderen Finanzierung im Drittvergleich immer möglich ist. Die Anwendung bzw. Akzeptanz anderer fremdvergleichskonformer Entschädigungen wird nach Veröffentlichung der FT-Richtlinie wohl vermehrt notwendig sein. Denn die "Safe Haven" Regeln werden in bestimmten Situationen aus Sicht ausländischer Steuerverwaltungen nicht angemessen sein. So berücksichtigen die Rundschreiben zu den anerkannten Zinssätzen weder die Bonität des Darlehensnehmers, noch die Laufzeit des Darlehens. Zudem werden die darin publizierten Zinssätze auch nur einmal jährlich angepasst. Es wäre wünschenswert, wenn die ESTV bei der Festlegung der "Safe Haven" Regeln die FT-Richtlinien berücksichtigen würde.
Da sich Unternehmen bei internationalen Finanztransaktionen gegenüber den ausländischen Steuerverwaltungen nicht auf diese "Safe Haven" Regeln berufen können, wird der Drittvergleich immer wichtiger werden. Dieser Drittvergleich muss den FT-Richtlinien standhalten. Der Verrechnungspreis muss also die Charakteristika der Finanztransaktion, die Eigenschaften der beteiligten Unternehmen sowie die von den Unternehmen übernommenen Funktionen, kontrollierten Risiken und eingesetzten Vermögenswerte berücksichtigen. Diese Überlegungen sowie die ökonomischen Gründe hinter der Finanztransaktion sind zu dokumentieren. Nur so lässt sich das Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung reduzieren. Das gilt umso mehr, als die EU mit der Einführung der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken (Anti-Tax Avoidance Directive, ATAD) die Abzugsfähigkeit von Zinsen auf maximal 30 % des zu versteuernden Ergebnisses vor Zinsaufwand, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) beschränkt und die einzelnen EU-Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, die Einführung der ATAD nutzen, um zusätzliche Bedingungen für die Anerkennung von Verrechnungspreisen auf Finanztransaktionen einzuführen.
[1] Vgl. Ziff 10.17 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[2] Vgl. dazu und zu folgendem: Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, Nicolas Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, in Expert Focus 6-7/2020, S. 384 ff.
[3] Vgl. Ziff 10.19 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[4] Siehe dazu auch die Ausführungen zu den Finanzgarantien
[5] Die Risikofreie Rendite besteht in einem risikolosen Zins zuzüglich Kosten die den Darlehensgeber durch die Mittelvergabe entstehen. Der Darlehensnehmer kann dabei – vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Bedingungen – einen Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit der erhaltenen Finanzierung bis zu fremdüblicher Höhe geltend machen.
[6] Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 1.108 ff. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[7] Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.109. der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[8] Siehe dazu Ausführungen unter Darlehen weiter oben.
[9] Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.156 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[10] Vgl. dazu und zu folgendem: Ziff 10.174 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[11] Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, Nicolas Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, in Expert Focus 6-7/2020, S. 388
[12] Ziff 10.178 der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen vom 11. Februar 2020, OECD
[13] Vgl. Verrechnungspreise für Finanztransaktionen, Nicolas Bonving/Fabian Berr/Marc-Antoine Chevalley, in Expert Focus 08/2020, S. 517
[14] Vgl. Kreisschreiben Nr. 4 "Dienstleistungsgesellschaften" vom 19. März 2004 und Kreisschreiben Nr. 49 "Nachweis des geschäftsmässig begründeten Aufwandes bei Ausland-Ausland Geschäften" vom 13. Juli 2020
Autor: Adrian Briner
dipl. Wirtschaftsprüfer, dipl. Steuerexperte
Die Genedata AG („Genedata”), ein führender Anbieter von Softwarelösungen für die biopharmazeutische...
Bei einer möglichen interkantonalen Doppelbesteuerung bietet die neue Praxis des Bundesgerichts...
Memo Therapeutics AG, ein Biotech-Unternehmen im Spätstadium der Entwicklung eines klassenbesten...