
Am 1. Januar 2025 ist das neue FINMA Rundschreiben 2025/2 "Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV" in Kraft getreten. Zwar gilt das Rundschreiben nur für von der FINMA oder einer Aufsichtsorganisation beaufsichtigte Institute. Faktisch wird es jedoch auch für sonstige Finanzdienstleister Wirkung entfalten. Für Teile des Rundschreibens besteht eine sechsmonatige Übergangsfrist, welche am 30. Juni 2025 ausläuft.
Warum dieses Rundschreiben?
Banken, Branchenverbände und branchennahe Organisationen hatten sich im Rahmen des Anhörungsverfahren gegen die Einführung eines Rundschreibens ausgesprochen. Die FINMA hielt jedoch an der Einführung fest, da sich im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit und insbesondere bei Vor-Ort-Kontrollen gezeigt habe, dass bei einer Mehrzahl der geprüften Institute Verbesserungsbedarf bestehe. Die FINMA sei verpflichtet, über ihre Praxis Transparenz zu schaffen. Das Rundschreiben sei jedoch bewusst schlank gehalten und adressiere in der Praxis wiederholt aufgeworfene Fragen.
Kernpunkte
Das Rundschreiben befasst sich mit den Anforderungen an die Umsetzung der Verhaltensregeln des FIDLEG und den Vorschriften zur Organisation von Finanzdienstleistern.
Neben Präzisierungen und Erläuterungen im Bereich der Informationspflichten (Art. 8-9 FIDLEG), der Durchführung von Angemessenheits- und Eignungsprüfungen (Art. 11-12 FIDLEG), dem Umgang mit Interessenkonflikten (Art. 25 FIDLEG) und Entschädigungen von Dritten (Art. 26 FIDLEG) äussert sich das Rundschreiben insbesondere zu folgenden Themen, welche in der Fachwelt teilweise kontrovers diskutiert worden sind:
Informationen zu Differenzkontrakten (Art. 8-9 FIDLEG):
Art. 8 FIDLEG führt aus, dass die Finanzdienstleister ihre Kunden über die allgemeinen mit Finanzinstrumenten verbundenen Risiken informieren müssen. Das Rundschreiben enthält Ausführungen dazu, wie eine entsprechende Risikoaufklärung bei Differenzkontrakten (Contract for Difference, CFD) zu erfolgen hat. Die Aufnahme der Thematik im Rundschreiben erfolgte, da die FINMA bei Vor-Ort-Kontrollen festgestellt hatte, dass die Risikoaufklärung bei diesen für Privatkunden besonders schwer verständlichen und riskanten Produkten vielfach unzureichend war. Differenzkontrakte weisen typischerweise ein Hebelwirkung auf, wodurch Kunden gemessen an ihrem Kapitaleinsatz überproportional an steigenden oder sinkenden Wertenwicklungen des Basiswerts teilnehmen. Es besteht dabei die Gefahr, dass die Kunden mehr Geld verlieren können, als sie investiert haben.
Die FINMA kam im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit zum Schluss, dass sich vor allem Privatkunden dieser Risiken häufig nicht bewusst sind. Sie will deshalb im Rundschreiben neu gewisse Mindeststandards vorgegeben. Der Entwurf des Rundschreibens sah noch vor, dass Finanzdienstleister ihre Kunden über den aktuellen Anteil der Kunden, die beim Finanzdienstleister mit Differenzkontrakten Geld verlieren, und die im Zusammenhang mit solchen Finanzinstrumenten Geld nachschiessen müssen, informieren müssen. Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Anhörung teilweise heftig kritisiert. Die verlangten Kennzahlen seien dynamisch und müssten regelmässig aktualisiert werden. Die Berechnung sei ausserdem für neue Marktteilnehmer, welche noch keinen Track Record haben, schwierig vorzunehmen. Dieser Kritik wurde in der finalen Fassung des Rundschreibens Rechnung getragen. Die Finanzdienstleister müssen nun quartalsweise über die prozentualen Anteile der Privatkunden informieren, die in den letzten 12 Monaten mit Differenzkontrakten Geld verloren haben, bei Schliessungen ihrer Positionen einen Totalverlust ihrer Margen erlitten haben bzw. nach Schliessung ihrer Positionen einen Negativsaldo nachzahlen mussten. Es geht also nicht nur um Geschäfte, bei denen es zu einem Margin Call kam. Aus dem Anhörungsbericht geht hervor, dass auch Execution-Only-Geschäfte in die Berechnung einfliessen müssen.
Während somit die Berechnungshäufigkeit gegenüber dem Vorentwurf an das EU-Recht angeglichen wurde, bleibt es dabei, dass der Schutz von Kleinanlegern bei Differenzkontrakten nach EU-Recht über jenen von Privatkunden nach dem FIDLEG hinausgeht. Die FINMA stellte daher im Anhörungsbericht fest, dass sich nur neue Marktteilnehmer, die noch über keinen Track Record verfügen, übergangsweise auf die Standardrisikowarnung der Mitteilung über Produktinterventionsbeschlüsse der European Securities and Markets Authority stützen können.
Aus dem Entwurf unverändert in die finale Fassung des Rundschreibens übernommen wurde die Aufklärungspflicht der Finanzdienstleisters über allfällige Nachschusspflichten sowie das potenziell unbegrenzte Verlustrisiko, über den Hebeleffekt, die Funktionsweise der Marge und das Gegenpartei- und Marktrisiko (einschliesslich Slippage).
Die Änderungen, welche Kennzahlen den Kunden zur Verfügung zu stellen sind, stellen eine Verbesserung gegenüber dem Vorentwurf dar. Das Abstellen auf den "aktuellen Anteil" an Kunden, die mit Differenzkontrakten beim Finanzdienstleister Geld verlieren oder nachschiessen müssen, hätte unseres Erachtens bei dynamischen Kennzahlen zu einem falschen Bild führen können, da dies z.B. während einer guten Phase, in der entsprechend wenige Kunden Geld verlieren, den Eindruck hätte erwecken können, dass es sich bei Differenzkontrakten um risikoarme Finanzinstrumente handelt. Mit Blick auf den Kundenschutz hätte sich diese Information entsprechend kontraproduktiv auswirken können. Der Aufwand für die Finanzdienstleister, diese Berechnungen vorzunehmen, dürfte so oder anders erheblich sein. Es bleibt abzuwarten, ob sie das Risikobewusstsein von Anlegern erhöhen.
Securities Lending (Art. 19 FIDLEG):
Das FIDLEG führt aus, dass Finanzdienstleister Finanzinstrumente von Kunden nur dann als Gegenpartei borgen oder als Agent vermitteln dürfen (sog. Securities Lending), wenn die Kunden vorgängig in einer gesonderten Vereinbarung darüber informiert worden sind und dem Vorgehen ausdrücklich zugestimmt haben. Das Rundschreiben enthält eine Reihe von Informationen, die den Kunden im Rahmen der Risikoaufklärung zum Securities Lending vorgängig zugestellt werden müssen.
Die Ausführungen im Rundschreiben orientieren sich an dem mit dem Inkrafttreten des FIDLEG aufgehobenen FINMA-Rundschreiben 2010/2 "Repo/SLB". Aus Sicht der Transparenz und Rechtssicherheit ist die Konkretisierung der FINMA hinsichtlich des Weiterführens ihrer bisherigen Praxis im Bereich Securities Lending unseres Erachtens zu begrüssen.
Dienstleistungen im Bereich Corporate Finance und M&A (Art. 3 Abs. 3 Bst. b FIDLEV):
Im Rahmen der Anhörung ebenfalls höchst umstritten waren die Ausführungen der FINMA zu den Dienstleistungen im Bereich Corporate Finance und M&A. Gemäss Art. 3 Abs. 3 Bst. b FIDLEV gelten die Beratung zur Strukturierung oder Aufnahme von Kapital sowie zu Unternehmenszusammenschlüssen und zum Erwerb oder zur Veräusserung von Beteiligungen und die mit dieser Beratung zusammenhängende Dienstleistungen nicht als Finanzdienstleistung i.S. des FIDLEG. Es handelt sich um eine Ausnahme, deren Auslegung in der Praxis in der Tat immer wieder Fragen aufwirft. Der Vorschlag im Entwurf der FINMA, darauf abzustellen, ob die Dienstleistung "für Unternehmen" erbracht worden ist und ob die Unternehmen unternehmerische Zwecke verfolgen und nicht als Investoren auftreten, hätte die Anwendung der Ausnahme in der Praxis jedoch nicht vereinfacht, sondern lediglich verlagert, verfolgen doch die meisten Unternehmen verschiedene Zwecke. Die FINMA hat im Ergebnis der Anhörung festgehalten, dass die Abgrenzungsfragen komplex sind und auf Ausführungen zu den Dienstleistungen für Corporate Finance und M&A verzichtet.
Da die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung weitreichende Konsequenzen hat, inklusive Registrierungspflichten, insbesondere auch für Marktteilnehmer, die der Aufsicht der FINMA nicht unterstehen, ist der Verzicht auf diese Ausführungen zu begrüssen.
Fazit
Das neue Rundschreiben klärt ausgewählte Auslegungsfragen zum FIDLEG, wirft jedoch neue Fragen auf. Die von der FINMA bewusst gewählte schlanke Form führt dazu, dass zu verschiedenen Aspekten des Rundschreibens für das Verständnis der Anhörungsbericht beigezogen werden muss. Auch wenn das Rundschreiben für nicht der FINMA unterstellte Unternehmen nicht gilt, besteht das Risiko, dass Zivilgerichte es bei Rechtsstreitigkeiten über mangelnde Aufklärung berücksichtigen werden. Wir empfehlen daher auch sonstigen Finanzdienstleistern, sich mit diesem Rundschreiben vertraut zu machen und ihre bestehenden Prozesse zu den Informationen, die den Kunden zur Verfügung gestellt werden, und was dokumentiert wird, zu überprüfen und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
Autorinnen: Dr. Jana Essebier, Ria Gurtner