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18. Oktober 2022

Neues Aktienrecht: Statutarische Schiedsklausel (Nr. 16)

Das neue Aktienrecht, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bringt viele Neuerungen. In unserer aktuellen Blog-Serie stellen wir diese im Einzelnen vor.

Unter dem bislang geltenden Recht war es in Lehre und Praxis umstritten, ob statutarische Schiedsklauseln überhaupt zulässig sind und wie weit allenfalls ihre Bindungswirkung reicht. Das neue Aktienrecht beendet diese Rechtsunsicherheit. Neu können die Statuten eine Schiedsklausel enthalten (Art. 697n revOR). Schiedsgerichte bieten den Vorteil der besonders fach- oder branchenkundigen Richter, was besonders in Kantonen ohne Handelsgericht ein Vorteil sein kann. Die Schiedsklausel bietet auch den Vorteil, dass das entsprechende Schiedsurteil im Ausland unter Umständen einfacher vollstreckt werden kann, insbesondere wenn der Vollstreckungsstaat nicht Mitglied eines entsprechenden internationalen Übereinkommens ist (wie z.B. des Lugano-Übereinkommens) und das lokale Recht keinen Entscheid eines Schweizer (staatlichen) Gerichts anerkennt. Die Möglichkeiten, die Öffentlichkeit des Verfahrens im Rahmen des rechtlich Zulässigen einzuschränken und das Verfahren auf die Bedürfnisse der Parteien auszurichten, stellen weitere Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit dar.

Die in den Statuten enthaltene Schiedsklausel kommt unmittelbar zur Anwendung. Es braucht keine Zustimmungs- oder Beitrittserklärung z.B. des Käufers der Aktien der Gesellschaft. Die Einführung der Schiedsklausel bedarf jedoch eines qualifizierten Mehrs der Generalversammlung (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 14 revOR). Im Handelsregister muss zudem ein Hinweis auf die Statuten eingetragen werden, wenn diese eine Schiedsklausel enthalten (Art. 45 Abs. 1 lit. u. revHRegV).

Die Statuten dürfen jedoch nur ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz vorsehen (Art. 697n Abs. 1 revOR). Die Statuten können dabei auf eine bestimmte Verfahrensordnung einer Schiedsinstitution verweisen (Art. 697n Abs. 3 revOR). Ergänzend kommen zwingend die Regeln über die Binnenschiedsgerichtsbarkeit zur Anwendung (Art. 697n Abs. 2 revOR), womit im Gegensatz zu internationalen Schiedsverfahren kein Verzicht auf Rechtsmittel zulässig ist. Ein Schiedsurteil kann nur wegen schwerwiegenden prozessualen Fehlern und Willkür vor dem staatlichen Gericht angefochten werden.

Sofern die Statuten die objektive Reichweite der Schiedsklausel nicht einschränken, findet diese auf sämtliche gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten Anwendung (Art. 697n Abs. 1 revOR). Als gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten schiedsfähig sind damit insbesondere die Anfechtungs- und die Nichtigkeitsklage (Art. 706 und 706b OR), die Auflösungsklage (Art. 736 Abs. 1 Ziff. 4 revOR), die Klage auf (Nach-)Liberierung des Aktienkapitals (Art. 634b revOR), die Rückerstattungsklage (Art. 678 revOR) sowie Haftungs- und Verantwortlichkeitsklagen (Art. 752 ff. OR), aber auch z.B. die Klage auf Anordnung einer Sonderuntersuchung (Art. 697d revOR). Vgl. zur Sonderuntersuchung unseren Blog Post vom 14. Oktober 2022.

Auch die Frage der subjektiven Reichweite der Schiedsklausel richtet sich in erster Linie nach den Statuten. Diese können bestimmen, wer durch die Schiedsklausel gebunden sein soll. Die Statuten können also beispielsweise auch nur für Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und einzelnen Organen Schiedsgerichtsbarkeit vorsehen, sodass diese etwa für die Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen zur Verfügung steht. Wenn die Statuten die Geltung der Schiedsklausel nicht anders festlegen, bindet die Schiedsklausel die Gesellschaft, ihre Organe und deren Mitglieder sowie alle Aktionärinnen und Aktionäre (Art. 697n Abs. 1 Satz 2 revOR). Es liegt im Interesse der Rechtssicherheit und im Interesse einer möglichst einheitlichen Streitbeilegung, dass eine Schiedsklausel, die keine Einschränkungen enthält, nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch deren Organe bindet, also die Generalversammlung, den Verwaltungsrat, die Revisionsstelle sowie deren Mitglieder (insbesondere die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung). Von der statutarischen Schiedsklausel nicht erfasst sind jedoch Streitigkeiten unter den Aktionären, insbesondere aus Aktienkauf- oder Aktionärsbindungsverträgen. Diese können aber ihrerseits eine Schiedsklausel enthalten. Auch in den GmbH-Statuten kann eine Schiedsklausel künftig (rechtssicher) eingeführt werden (Art. 797a OR).

Gerne steht Ihnen Ihr VISCHER-Team bei Fragen zur Verfügung.

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Autoren: Thomas Steiner-KrizajPeter KühnLukas Züst

 

 

 

Kategorien: Gesellschafts - und Handelsrecht, Notariat

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