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Kategorien: Gesellschafts - und Handelsrecht, Notariat, Blog
Das neue Aktienrecht, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bringt viele Neuerungen. In unserer aktuellen Blog-Serie stellen wir diese im Einzelnen vor.
Bis zur Corona-Pandemie kannte das schweizerische Aktienrecht nur eine Form der Generalversammlung: Die Präsenz-GV, zu welcher sich die Aktionäre oder deren Vertreter physisch treffen.
Mit der COVID-19-Verordnung 2 wurde den Gesellschaften die Möglichkeit eröffnet, die GV auf dem schriftlichen Weg, in elektronischer Form oder mit einem unabhängigen Stimmrechtsvertreter zu halten. Diese durch die COVID-19-Verordnung 2 eingeführte Flexibilität bei der Durchführung der GV wird von der COVID-19 Verordnung 3 weitergeführt und bleibt noch bis zum 31. Dezember 2022 erhalten.
Ab dem 1. Januar 2023 werden die durch das neue Aktienrecht eingeführten neuen Formen der GV möglich sein. In diesem Blog-Beitrag stellen wir diese neuen Formen der GV vor und erklären, welche Vorkehrungen Gesellschaften bereits im laufen Jahr treffen können, sofern sie von der grösseren Flexibilität ab dem kommenden Jahr vollumfänglich profitieren wollen.
Virtuelle GV Eine virtuelle GV wird ohne Tagungsort ausschliesslich mit elektronischen Mitteln durchgeführt. Da in physischer Hinsicht das Unmittelbarkeitsprinzip vollständig aufgehoben wird, bedarf es für die virtuelle GV einer statutarischen Grundlage. Ferner muss der Verwaltungsrat in der Einberufung zur GV einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter bezeichnen. Nicht börsenkotierte Gesellschaften können in den Statuten allerdings vorsehen, dass auf das Erfordernis des unabhängigen Stimmrechtsvertreters verzichtet werden kann.
Hybride GV Von einer hybriden GV ist die Rede, wenn die Aktionäre an einer GV mit einem physischen Tagungsort die Möglichkeit haben, ihre Rechte auch ohne physische Teilnahme unter Verwendung von elektronischen Mitteln auszuüben (direct voting). Über die Durchführung einer hybriden GV entscheidet der Verwaltungsrat. Eine statutarische Grundlage ist dazu nicht erforderlich. Von der hybriden GV zu unterscheiden ist der Einsatz elektronischer Abstimmungsgeräte anlässlich einer physischen GV (Televoters) und die blosse Übertragung einer physischen GV via Webcast ohne die Möglichkeit der Interaktion, welche nicht vom Begriff der elektronischen Mittel im Sinne des neuen Aktienrechts erfasst sein werden.
GV an mehreren Tagungsorten Der Tagungsort der GV wird vom Verwaltungsrat bestimmt (sofern die Statuten nichts anderes vorsehen). Unter dem neuen Recht kann die GV gleichzeitig an verschiedenen Orten durchgeführt werden. In einem solchen Fall müssen die Voten der Teilnehmer unmittelbar in Bild und Ton an alle Tagungsorte übertragen werden. Wesentlich ist, dass durch die Festlegung des Tagungsortes für keinen Aktionär die Ausübung seiner Rechte in unsachlicher Weise erschwert werden darf. Für die Durchführung der GV an mehreren Orten ist keine statutarische Grundlage erforderlich.
GV im Ausland Neu kann die GV auch im Ausland durchgeführt werden, sofern die Statuten dies vorsehen und der Verwaltungsrat in der Einberufung einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter bezeichnet. Auf die Bezeichnung des Stimmrechtsvertreters kann bei nicht-börsenkotierten Aktengesellschaften verzichtet werden, sofern alle Aktionäre damit einverstanden sind.
Fraglich ist, ob eine GV mit mehreren Tagungsorten in der Schweiz und im Ausland, als eine GV mit ausländischem Tagungsort zu qualifizieren ist und somit eine statutarische Grundlage erforderlich ist. Will eine Aktiengesellschaft sichergehen, dass sie eine GV mit mehreren Tagungsorten in der Schweiz und im Ausland rechtens durchführt, müsste sie die Statuten entsprechend anpassen.
Grundsätzlich hat eine Gesellschaft ihr Hauptsteuerdomizil am Ort der effektiven Verwaltung. Die Durchführung der GV im Ausland könnte unter Umständen ein Hinweis darauf sein, dass der Ort der effektiven Verwaltung nicht in der Schweiz, sondern im Ausland ist. Wir empfehlen deshalb vor der Aufnahme einer entsprechenden Klausel in die Statuten eine steuerrechtliche Beratung.
Universalversammlung Die Universalversammlung war bereits unter dem noch geltenden Aktienrecht zulässig. Sofern alle Aktionäre oder deren Vertreter an der GV teilnehmen, und kein Widerspruch eines Aktionärs oder dessen Vertreters erhoben wird, kann die GV ohne Einhaltung der für die Einberufung geltenden Vorschriften abgehalten werden. Die Universalversammlung kann physisch, hybrid oder virtuell durchgeführt werden.
GV auf dem Zirkularweg Unter dem neuen Recht ist es zulässig, GV Beschlüsse auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form zu fassen, sofern kein Aktionär eine mündliche Beratung verlangt. Die Vorschriften zur Einberufung der GV müssen nicht eingehalten werden, und eine entsprechende statutarische Grundlage ist nicht erforderlich. Es müssen jedoch alle Aktionäre mit der Art der Beschlussfassung einverstanden sein. Die Zustimmung kann entweder konkludent erfolgen, indem der Aktionär daran teilnimmt, oder ausdrücklich, selbst wenn der Aktionär an der Beschlussfassung nicht aktiv teilnimmt. Es empfiehlt sich, für die Stimmabgabe bzw. das Ersuchen um Durchführung einer mündlichen Beratung eine Frist anzusetzen.
Der Verwaltungsrat regelt die Verwendung elektronischer Mittel, sofern die Statuten keine besonderen Vorschriften dazu enthalten. Damit die technische Innovation nicht erschwert oder verhindert wird, setzt das Gesetz lediglich die Grundvoraussetzungen der Verwendung elektronischer Mittel.
Es muss sichergestellt werden, dass jeder Aktionär sich aktiv an der Diskussion beteiligen and Anträge stellen kann, und die Voten an der GV unmittelbar übertragen werden. Sodann muss der Verwaltungsrat sicherstellen, dass die Identität der Teilnehmer feststeht und das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann. Auf ein Erfordernis der Teilnahme per Video/Bild wurde verzichtet. Ob die GV auch als Telefonkonferenz durchgeführt werden kann hängt davon ab, ob eine Möglichkeit zur Feststellung der Identität der Teilnehmer gefunden werden kann.
Treten während der GV technische Probleme auf, muss die Abstimmung oder die Wahl durch den Verwaltungsrat wiederholt werden. Können die technischen Probleme während der GV nicht behoben werden, muss die GV zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Beschlüsse, welche die GV vor dem Auftreten der technischen Probleme gefasst hat, bleiben jedoch gültig. Treten die technischen Schwierigkeiten (Hard- und Software-Probleme oder Probleme mit der Internetverbindung) beim Aktionär auf, so trägt der betroffene Aktionär das Risiko. Nicht dem Risikobereich des einzelnen Aktionärs zugeordnet werden können jedoch flächendeckende Probleme eines bedeutenden Telekommunikationsunternehmens, da davon ein wesentlicher Teil der Teilnehmer betroffen sein kann.
Zu beachten ist, dass das neue Aktienrecht zwar viele neue Formen der Durchführung der GV zulässt, der Aktionär jedoch (weiterhin) keinerlei Anspruch darauf hat, nach welcher Form und an welchem Ort die GV durchgeführt wird. Das neue Gesetz bestimmt in dieser Hinsicht nur, dass durch die Festlegung des Ortes für keinen Aktionär die Ausübung seiner Rechte im Zusammenhang mit der GV in unsachlicher Weise erschwert werden darf. Insbesondere hat der Aktionär keinen Anspruch darauf, dass er seine Stimme schriftlich oder elektronisch abgeben kann, wenn der Verwaltungsrat dies nicht vorsieht. Der Aktionär ist in solchen Fällen weiterhin darauf angewiesen, selbst an der GV teilzunehmen, einen Vertreter zu entsenden oder dem Stimmrechtsvertreter bzw. Organstimmrechtsvertreter (bei nicht börsenkotierten Gesellschaften) Weisungen betreffend Stimmabgabe zu erteilen.
Bei börsenkotierten Gesellschaften ist zwingend ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter einzusetzen. Bei nicht börsenkotierten Gesellschaften muss der Verwaltungsrat auf Verlangen eines Aktionärs einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter oder einen Organstimmrechtsvertreter bezeichnen, sofern die Statuten vorsehen, dass ein Aktionär nur durch einen anderen Aktionär in der Generalversammlung vertreten werden kann.
Bei börsenkotierten Gesellschaften können neu Aktionäre, die 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, die Einberufung einer Generalversammlung verlangen, während bei allen anderen Gesellschaften weiterhin die Schwelle von 10% gilt. Ein Traktandierungsrecht kommt neu Aktionären von börsenkotierten Gesellschaften zu, die 0.5 Prozent des Aktienkapitals bzw. der Stimmen vertreten. Bei allen anderen Gesellschaften gilt neu eine Schwelle von 10% (statt wie bisher ein Nennwert von CHF 1 Million).
Erwähnenswert ist schliesslich, dass die Statuten neu für den Fall von Stimmengleichheit vorsehen können, dass der Vorsitzende den Stichentscheid hat.
Eine Anpassung der Statuten ist dann erforderlich, wenn eine Aktiengesellschaft die GV virtuell oder im Ausland durchführen will.
Gesellschaften, die auch im Jahr 2023 nahtlos von der Möglichkeit der virtuellen GV profitieren möchten, die bis 31. Dezember 2022 aufgrund der COVID-19 Verordnung 3 ohne statutarische Grundlage zulässig ist, oder die bereits die erste GV im Jahr 2023 im Ausland durchführen möchten, müssen bereits dieses Jahr für das Jahr 2023 eine entsprechende statutarische Grundlage schaffen. Wie wir in unserem Einführungs-Blog zum neuen Aktienrecht hinwiesen, können die Statuten bereits im laufenden Jahr terminiert oder bedingt angepasst werden, sodass bereits ab dem 1. Januar 2023 die GV virtuell oder im Ausland durchgeführt werden kann.
Die erforderlichen Statutenänderungen können aber auch erst 2023 beschlossen werden. Allerdings kann die entsprechende GV dabei noch nicht virtuell oder im Ausland durchgeführt werden.
Will eine Aktiengesellschaft ab 2023 lediglich von den neuen Möglichkeiten der hybriden GV oder der GV auf dem Zirkularweg (schriftlich oder elektronisch) profitieren, muss sie die Statuten nicht anpassen.
Bei Fragen steht Ihnen unser Team, insbesondere unseres Notariats, gerne zur Verfügung.
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Autoren: Lukas Züst, Roland M. Müller, Thomas Steiner-Krizaj, Peter Kühn, Francesca Pesenti
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