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11. November 2022 Neues Aktienrecht: Der Zirkularbeschluss des Verwaltungsrats (Nr. 19)

Das neue Aktienrecht, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bringt viele Neuerungen. In unserer aktuellen Blog-Serie stellen wir diese im Einzelnen vor.

Neu können Beschlüsse des Verwaltungsrats auch in elektronischer Form gefasst werden. Die bestehenden Regeln zum schriftlichen Zirkularbeschluss wurden entsprechend ergänzt.

Wie fasst der Verwaltungsrat Beschlüsse?

Grundsätzlich sollen Beschlüsse des Verwaltungsrats im Rahmen einer Sitzung gefasst werden. Damit soll eine pflichtgemässe Prüfung und Beratung der Verhandlungsgegenstände gewährleistet werden. Normalerweise trifft den Verwaltungsrat gemäss der sogenannten Business Judgment Rule keine Haftung, wenn ein Entscheid vertretbar ist, ihm eine angemessene Informationsbasis zugrunde liegt und der Entscheid auf einem einwandfreien Entscheidprozess beruht.

Manchmal ist es aus praktischen Gründen nicht möglich, eine Sitzung abzuhalten. Für diesen Fall lässt auch das bisherige Recht den Zirkularbeschluss zu, das heisst die schriftliche Zustimmung zu einem gestellten Antrag. Gültig ist ein solcher Beschluss nur, wenn kein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Beim Zirkularbeschluss wird der Entscheidprozess verkürzt und die Informationsbasis mangels Beratung eingeschränkt. Aufgrund der Business Judgment Rule sollte darum auf eine mündliche Beratung nur verzichtet werden, wenn eine Entscheidung eindeutig ist und eine Sitzung – physisch oder virtuell - nicht möglich ist.

Welche Form hat der Zirkularbeschluss?

Die Stimmabgabe beim Zirkularbeschluss hat schriftlich zu erfolgen. Schriftlich bedeutet unter Schweizer Recht, dass das Dokument mit dem ausformulierten Antrag von den Mitgliedern des Verwaltungsrats eigenhändig zu unterzeichnen oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist. Eine Zustimmung per E-Mail ist somit unter dem alten Aktienrecht nicht vorgesehen. Trotzdem wurden Beschlüsse zum Teil schon unter dem alten Aktienrecht rein elektronisch gefasst. Das führt jedoch zu Rechtsunsicherheit, weil deren Gültigkeit unsicher ist.

Was ändert sich unter dem neuen Aktienrecht?

Neu ist die Schriftform für Zirkularbeschlüsse nicht mehr zwingend. Der Verwaltungsrat darf ab dem 1. Januar 2023 Beschlüsse auch auf elektronischem Weg fassen. Eine Unterschrift ist für solche Beschlüsse ausdrücklich nicht mehr erforderlich. Vorbehalten bleibt eine anderslautende, schriftliche Festlegung des Verwaltungsrats (beispielsweise im Organisationsreglement), die diese Möglichkeit einschränkt. Damit ergeben sich nun alle Arten der Beschlussfassung des Verwaltungsrat aus dem Gesetzestext, was den Handlungsspielraum vergrössert und gleichzeitig die Rechtssicherheit verbessert.

In der Praxis kann also der Verwaltungsrat ab dem 1. Januar 2023 Zirkularbeschlüsse per E-Mail, Messenger Apps wie WhatsApp oder auf anderen elektronischen Wegen fassen. Eine schriftliche Unterzeichnung ist nicht mehr erforderlich. Die neue Regelung vergrössert die Flexibilität und kann insbesondere im Falle einer dringenden Beschlussfassung von Vorteil sein.

Weiterhin ungeeignet ist die elektronische Beschlussfassung für Beschlüsse, die als Belege dem Handelsregister einzureichen sind. Solche Zirkularbeschlüsse sind weiterhin von allen Verwaltungsräten schriftlich zu unterzeichnen.

Welche Risiken hat ein elektronischer Zirkularbeschluss?

Die neue Flexibilität ist eine Chance, birgt aber auch Risiken: Elektronische Beschlüsse sind zwar gültig. Die praktische Frage ist jedoch, ob die Beschlussfassung später auch bewiesen werden kann.

  • Zum Beispiel könnten bei einer Messenger App zwischen dem Antrag und der Zustimmung im gleichen Chat noch weitere Mitteilungen versendet werden. Diese stehen vielleicht nicht im selben Zusammenhang oder modifizieren den ursprünglichen Antrag, indem sie Bedingungen beifügen oder diesen abändern. Damit kann unklar sein, ob überhaupt eine Zustimmung vorliegt oder worauf sich die Zustimmung bezieht.
  • E-Mails haben inzwischen eine relativ hohe Beweiskraft, weil sie im Geschäftsverkehr üblich sind und den Gerichten vertraut sind. Schwieriger könnte der Beweis bei anderen elektronischen Formen sein, wenn ihre Features neuartig oder unvertraut sind und es dazu keine Gerichtspraxis gibt. Oft sind andere elektronische Formen auch schlecht exportier- und archivierbar. Folglich könnte es bei gewissen elektronischen Beschlüssen im Streitfall schwierig werden, zu belegen, ob ein Zirkularbeschluss erfolgt ist.

Empfehlung

Die elektronische Beschlussfassung erleichtert Zirkularbeschlüsse. Aufgrund der praktischen Beweisfragen empfiehlt es sich, elektronische Beschlüsse grundsätzlich per E-Mail zu fassen.

Auch Anträge für Beschlüsse per E-Mail sind wie bisher sorgfältig und eindeutig zu redigieren. Namentlich sollen diese klar als Beschlüsse erkennbar sein und die notwendige Informationsbasis im Text bzw. als Beilage enthalten. Die Antwort bzw. Zustimmung zum Beschluss muss kurz und eindeutig sein und den Verzicht auf mündliche Beratung enthalten. Insbesondere sollte die Zustimmung keine Fragen oder Bedingungen zum Beschluss enthalten. Stellen sich Fragen oder besteht der Wunsch zur Modifikation, so sollte idealerweise eine mündliche Beratung erfolgen. Geht das nicht, dann müsste ein neuer modifizierter Antrag verschickt werden, dem dann ohne Vorbehalt zuzustimmen wäre.

Der Verwaltungsrat kann Einzelheiten zur Beschlussfassung im Organisationsreglement regeln. Dort kann er zum Beispiel die elektronische Beschlussfassung auf E-Mails einschränken oder auch den Zirkularbeschluss auf die traditionelle schriftliche Form beschränken.

Bei der Einreichung von Belegen betreffend Handelsregister-Anmeldungen verlangen Handelsregisterämter weiterhin die Schriftform.

Bei weiteren Fragen, ebenso wie für eine vertiefte Beratung, stehen Ihnen Ihre Ansprechpartner bei VISCHER und das Team Gesellschafts- und Handelsrecht gerne zur Verfügung.

Weitere Artikel der Serie:

Autoren: Dr. Benedict F. Christ, Dr. Carina Fröhli

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