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Kategorien: Gesellschafts - und Handelsrecht, Mergers & Acquisitions, Notariat, Restrukturierung und Insolvenz, Steuern, Blog
Das neue Aktienrecht, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bringt viele Neuerungen. In unserer aktuellen Blog-Serie stellen wir diese im Einzelnen vor.
Der Verwaltungsrat (VR) ist von diesen Neuerungen nicht ausgenommen. Dieser Blog-Beitrag zielt daher darauf ab, einige Aspekte des neuen Aktienrechts, die den VR im Speziellen betreffen, kurz und bündig darzustellen.
Das neue Gesetz ändert nichts an den Grundsätzen betreffend die Zulässigkeit, wonach (i) nur natürliche Personen Mitglieder des VR werden können (Art. 120 Handelsregisterverordnung (HRegV)) und (ii) die Wahl und Abberufung der VR-Mitglieder eine unübertragbare Kompetenz der Generalversammlung ist (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 705 Abs. 1 Schweizerisches Obligationenrecht (OR)).
Das neue Gesetz bestätigt, dass bei börsenkotierten Gesellschaften die Verwaltungsratsmitglieder einzeln (und nicht "als Gruppe") gewählt werden müssen und dass die Amtszeit eines Verwaltungsratsmitglieds mit Abschluss der nächsten ordentlichen Generalversammlung endet (Art. 710 Abs. 1 nOR). Diese bereits geltenden Grundsätze sind in der Verfassung verankert und zwingend (Art. 95 Abs. 3 Bst. a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV)).
Das neue Gesetz dehnt den Grundsatz der Einzelwahl der Verwaltungsratsmitglieder auf nichtkotierte Gesellschaften aus, es sei denn, die Statuten sehen Abweichendes vor oder der Präsident der Generalversammlung beschliesst mit Zustimmung aller vertretenen Aktionäre Abweichendes (Art. 710 Abs. 2 Satz 2 nOR). In der Praxis wenden bereits viele nicht an der Börse kotierten Gesellschaften dieses Einzelwahlsystem an, welches als Best Practice gilt.
Die Amtsdauer der VR-Mitglieder beträgt grundsätzlich drei Jahre, kann aber durch die Statuten verkürzt oder bis auf sechs Jahre verlängert werden (Art. 710 Abs. 2 Satz 1 nOR), was nicht anders ist als das geltende Recht.
Schliesslich ist bei allen Aktiengesellschaften die Wiederwahl eines VR-Mitglieds möglich, unabhängig davon, ob börsenkotiert oder nicht (Art. 710 Abs. 3 nOR). Das Gesetz sieht keine Beschränkungen hinsichtlich der maximalen Anzahl von aufeinanderfolgender Amtszeiten oder einer Altersgrenze vor. Derartige Einschränkungen können jedoch in den Statuten vorgesehen werden.
Bei börsenkotierten Gesellschaften wählt die Generalversammlung den Präsidenten des VR aus dem Kreis der VR-Mitglieder und die Amtsdauer jedes VR-Mitglieds endet mit dem Abschluss der nächsten ordentlichen Generalversammlung (Art. 712 Abs. 1 nOR).
Bei Fehlen eines Präsidenten ernennt der VR einen neuen für die verbleibende Amtsdauer – unabhängig davon, ob die Gesellschaft an der Börse kotiert ist oder nicht. Die Statuten können andere Lösungen zur Behebung dieses vorübergehenden Organisationsmangels vorsehen (Art. 712 Abs. 4 nOR), etwa die sofortige Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung oder die Verlängerung der Amtsdauer bis zum Ende der nächsten Generalversammlung.
Das neue Gesetz bietet hinsichtlich der Entscheidungsfindung des VR einen präziseren Rahmen als das bestehende Gesetz, ermöglicht aber ausdrücklich eine grössere Flexibilität was dessen Handeln betrifft.
Der VR kann seine Beschlüsse weiterhin in einer physischen Sitzung mit einem bestimmten Sitzungsort fassen (Art. 713 Abs. 2 Bst. 1 nOR). Er kann seine Beschlüsse auch weiterhin schriftlich, auf Papier oder in elektronischer Form fassen, sofern alle VR-Mitglieder diesem Beschlussverfahren zugestimmt haben (Zirkularbeschlüsse), d.h. wenn kein Mitglied ausdrücklich die Beratung eines Traktandums verlangt hat (Art. 713 Abs. 2 Bst. 3 nOR).
Es sei darauf hingewiesen, dass das neue Gesetz ausdrücklich bestätigt, dass der VR seine Beschlüsse in elektronischer Form fassen kann – in sinngemässer Anwendung der Art. 701c bis 701e OR (Art. 713 Abs. 2 Bst. 2 nOR), was in der Praxis bereits akzeptiert gewesen ist.
Die Verwaltungsräte können ihre Stimmrechte elektronisch ausüben (Art. 701c nOR) und VR-Sitzungen in rein virtueller Form abhalten (also per Telefon- oder Videokonferenz), ohne physischem Sitzungsort (Art. 701d nOR). In diesem Fall muss der VR technische Mittel einsetzen, welche die Überprüfung der Identität der Teilnehmer ermöglichen und die gleichzeitige Übermittlung der Wortmeldungen während der Sitzung sowie die Zuverlässigkeit der Abstimmungsergebnisse (d.h. die Unverfälschbarkeit) gewährleisten (Art. 701e nOR).
Schliesslich müssen die Beratungen und Beschlüsse des VR stets in einem Protokoll festgehalten werden, das vom Vorsitzenden und von der zuständigen Person (nicht notwendigerweise vom Sekretär) zu unterzeichnen ist (Art. 713 Abs. 3 nOR).
Ausserdem kann der VR die weiteren Einzelheiten der Beschlussfassung im Organisationsreglement regeln (Art. 716b Abs. 3 nOR).
Bisher konnte der VR die gesamte oder Teile der Geschäftsführung an eines oder mehrere seiner Mitglieder (d.h. Delegierte des VR) oder an andere natürliche Personen (d.h. Mitglieder der Geschäftsleitung bzw. Direktoren) auf Grundlage des Organisationsreglements delegieren, sofern die Statuten dies entsprechend vorsehen (Art. 716b Abs. 1 OR). Das neue Gesetz geht nun vom umgekehrten Grundsatz aus, wonach eine Delegation der Geschäftsführung grundsätzlich möglich ist, sofern die Statuten nichts Abweichendes vorsehen (Art. 716b Abs. 1 nOR).
Die Geschäftsführung kann grundsätzlich nur an natürliche Personen delegiert werden (Art. 120 HRegV; Art. 95 Abs. 3 Bst. b BV), mit der einzigen Ausnahme der Vermögensverwaltung, die von kotierten Gesellschaften auch an eine juristische Person delegiert werden kann (Art. 716b Abs. 2 Satz 2 nOR).
Der zwingende Mindestinhalt des Organisationsreglements bleibt auch unter dem neuen Recht gleich: Das Reglement soll die Geschäftsführung der Gesellschaft ordnen, die hierfür erforderlichen Stellen bestimmen, deren Aufgaben umschreiben und insbesondere die interne Berichterstattung regeln (Art. 716b Abs. 3 nOR).
Das neue Gesetz bestätigt, dass die Geschäftsführung bei fehlender Delegation immer von allen VR-Mitgliedern gemeinsam ausgeübt wird (Art. 716b Abs. 5 nOR).
Schliesslich muss der VR die Aktionäre und die Gesellschaftsgläubiger, die ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, schriftlich oder elektronisch über die Organisation der Geschäftsführung informieren (Art. 716b Abs. 4 nOR).
Die Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten ist Teil der allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten eines jeden VR-Mitglieds (Art. 717 OR). Eine wirksame Corporate Governance ist daher unabdingbar, um derartige Situationen nach Möglichkeit zu vermeiden oder, falls erforderlich, in angemessener Weise zu bewältigen. Hier gibt das neue Gesetz einen Mindestrahmen vor, welcher es dem VR erlaubt, die Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten mit einer gewissen Flexibilität zu organisieren (Art. 717a nOR). VR-Mitglieder bzw. Mitglieder der Geschäftsleitung, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, haben den VR unverzüglich und detailliert über den Konflikt zu informieren (Art. 717a Abs. 1 nOR). Der VR hat dann die notwendigen Massnahmen zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft zu treffen (Art. 717a Abs. 2 nOR). Das betroffene Mitglied nimmt an der Entscheidung über die Massnahmen nicht teil. Der VR könnte beispielsweise beschliessen, den Konfliktgegenstand in einem zweistufigen Verfahren zu lösen: eine erste Abstimmung mit allen anwesenden VR-Mitgliedern und dann eine zweite Abstimmung ohne das betroffene VR-Mitglied, wobei ein VR-Beschluss nur dann gültig ist, wenn er durch die zweite Abstimmung positiv bestätigt wird. Dies würde das in Konflikt stehende VR-Mitglied nicht von seiner Haftung entbinden. Der Verwaltungsrat könnte auch ein Fairness-Gutachten in Auftrag geben oder eine unabhängige Beratung zu der strittigen Frage einholen oder das in Konflikt stehende Verwaltungsratsmitglied an den Diskussionen teilnehmen lassen, es aber von der Abstimmung ausschließen. Das Gesetz sieht keinen ausdrücklichen Ausschluss eines in Konflikt geratenen Verwaltungsratsmitglieds vor, aber im Falle eines dauerhaften Interessenkonflikts ist es weitgehend anerkannt, dass das in Konflikt geratene Verwaltungsratsmitglied bzw. Mitglied der Geschäftsleitung seinen Ausschluss erklären sollte.
Der VR kann die anwendbaren Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten in das Organisationsreglement aufnehmen (Art. 716b Abs. 3 nOR). Dabei kann sich der VR an bestimmten in der Praxis bereits etablierten Governance-Regeln orientieren, z.B. an den Regeln des von economiesuisse publizierten Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance. Diese Regeln, die ursprünglich für börsenkotierte Gesellschaften vorgesehen waren, können auch von Gesellschaften implementiert werden, deren Aktien nicht börsenkotiert sind.
Bei Fragen zu den in diesem Artikel angesprochenen Aspekten oder zum neuen Aktienrecht steht Ihnen Ihr VISCHER-Team gerne zur Verfügung.
Kontaktpersonen: Damien Conus (Genf), Lukas Züst, Thomas Steiner-Krizaj, Peter Kühn (Zürich)
Autor: Damien Conus
Rechtsanwalt
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