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9. März 2017

Neuerungen im schweizerischen Offenlegungsrecht

Die FINMA hat die Meldepflicht für Dritte, die zur Ausübung von Stimmrechten an Beteiligungspapieren nach freiem Ermessen ermächtigt sind, angepasst. Marktteilnehmer erhalten neu die Möglichkeit, zwischen zwei Alternativen für die Erfüllung der Meldepflicht zu wählen. Nach bisherigem Recht erstattete Meldungen sind bis Ende August nochmals gemäss der neuen Regelung vorzunehmen.

Worum es geht - die Meldepflicht bei Stimmrechtsausübung nach freiem Ermessen
Mit dem per 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) wurde eine Meldepflicht für Dritte eingeführt, die zur Ausübung von Stimmrechten an meldepflichtigen Beteiligungspapieren nach freiem Ermessen ermächtigt sind, ohne an den Beteiligungspapieren wirtschaftlich berechtigt zu sein. Diese Meldepflicht gilt seither zusätzlich zur etablierten Meldepflicht des an den Beteiligungspapieren wirtschaftlich Berechtigten. Sie soll verhindern, dass jemand Stimmrechte mehrerer untereinander unabhängiger wirtschaftlich Berechtigter sammelt, ohne dass die kumulierte Beteiligung offengelegt werden muss. VISCHER hat über diese Neuerung mit einem News Alert informiert.

Die Meldepflicht des zur Stimmrechtsausübung ermächtigten Dritten wurde per 1. März 2017 angepasst. Die Grundzüge der Regelung gemäss FinfraG blieben dabei unangetastet. Was sich geändert hat, ist die Definition der meldepflichtigen Person in der Finanzmarktinfrastrukturverordnung der FINMA (FinfraV-FINMA).

Was sich geändert hat - die Person des meldepflichtigen Dritten
Grundsatz: Die Meldepflicht wird neu derjenigen Person zugewiesen, welche über die Ausübung der Stimmrechte tatsächlich entscheidet (die "originär meldepflichtige Person"). Das kann, muss aber nicht, die Person sein, auf welche die Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte formell lautet. Massgeblich ist, wer tatsächlich bestimmt, wie die Stimmrechte ausgeübt werden. Es kann sich dabei um eine natürliche oder juristische Person handeln. Die FINMA hatte klargestellt, dass bei einer Delegation der Stimmrechtsausübung an eine juristische Person grundsätzlich diese meldepflichtig ist, und nicht die natürliche Person, welche (zum Beispiel als Organ) die Stimmrechte ausübt.

Alternative Möglichkeit zur konsolidierten Meldung: Wenn die originär meldepflichtige Person direkt oder indirekt beherrscht wird, kann die Meldepflicht alternativ durch die beherrschende Person erfüllt werden, und zwar auf konsolidierter Basis. Wenn beispielsweise verschiedene Tochtergesellschaften eigenständig über die an sie delegierte Ausübung von Stimmrechten entscheiden (und damit originär meldepflichtig sind), kann die Meldung statt durch die einzelnen Tochtergesellschaften durch die Person erfolgen, welche den Konzern beherrscht (z.B. der Mehrheitsaktionär). In diesem Fall müssen alle Stimmrechte, welche die Tochtergesellschaften nach freiem Ermessen ausüben können, konsolidiert gemeldet werden. Das kann dazu führen, dass bei einer Meldung auf konsolidierter Basis übertragene Stimmrechte offengelegt werden, die auf nicht-konsolidierter Basis nicht meldepflichtig wären, weil auf Ebene der individuellen Tochtergesellschaften keine Meldeschwelle erreicht wird. Wenn die Tochtergesellschaften oder die beherrschende Person zusätzlich auch selbst relevante Beteiligungspapiere oder Beteiligungsderivate halten, müssen auch diese Positionen konsolidiert offengelegt werden.

Sofern die originär meldepflichtige Person beherrscht wird, kann zwischen den beiden Varianten frei gewählt werden, das heisst es besteht kein Zwang zur konsolidierten Meldung. Wenn konsolidiert gemeldet wird, muss in der Meldung aber auf diesen Umstand hingewiesen werden. Die originär meldepflichtige Person ist von der Meldepflicht befreit, wenn die beherrschende Person auf konsolidierter Basis meldet.

Das Bestehen einer Wahlmöglichkeit ist ein entscheidender Unterschied zur vorherigen Regelung: bisher war bei juristischen Personen generell die beherrschende Person meldepflichtig. Dies hat in der Praxis zu Umsetzungsproblemen geführt, auf welche die FINMA mit der vorliegenden Änderung reagiert hat. Insbesondere haben Marktteilnehmer die FINMA auf den bedeutenden Aufwand für von natürlichen Personen kontrollierte Finanzgruppen, deren beherrschende Aktionäre keine operative Tätigkeit ausüben, hingewiesen.

Was zu tun ist – die Übergangsregelung
Für die am 1. März 2017 in Kraft getretene Regelung gilt eine Übergangsfrist von sechs Monaten. Die neu gefasste Meldepflicht ist somit bis am 31. August 2017 zu erfüllen. Das bedeutet folgendes:

  • Ermächtigungen zur Stimmrechtsausübung nach freiem Ermessen, die gemäss bisherigem Recht gemeldet wurden, sind bis zum Ablauf der Übergangsfrist nochmals nach neuem Recht zu melden. Meldungen, die gemäss bisherigem Recht erstattet wurden, bleiben also nicht gültig.
     
  • Wenn während der Übergangsfrist eine meldepflichtige Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung nach freiem Ermessen erteilt wird, kann die Meldung entweder nach altem oder neuem Recht erstattet werden. Ermächtigungen, die nach altem Recht gemeldet werden, sind dann vor Ablauf der Übergangsfrist nochmals nach neuem Recht zu melden.

Weiterführende Informationen
Der Wortlaut der neuen Bestimmungen und der Anhörungsbericht sind auf der Website der FINMA abrufbar.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise stehen die Autoren gerne zur Verfügung.

Foto: Urheberrecht bei SIX Group AG

Autoren: Gian-Andrea Caprez, David Weber

Kategorien: Banken- und Finanzmarktrecht, Blog

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