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7. Juni 2021
Gemäss Art. 53 des Kotierungsreglements ("KR") der SIX Swiss Exchange ("SIX") informiert der Emittent den Markt über kursrelevante Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind, sofern nicht im Einzelfall ein Bekanntgabeaufschub nach Art. 54 KR in Anspruch genommen werden kann. Weitere Vorgaben zur Ad hoc-Publizität sind in der entsprechenden SIX-Richtlinie betr. Ad hoc-Publizität ("RLAhP") geregelt. Die Vorschriften über die Ad hoc-Publizität sind für Emittenten mit an der SIX kotierten Beteiligungs- wie Forderungsrechten sowie in der täglichen Beratungspraxis sehr relevant, ist deren Einhaltung doch eine der Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Kotierung.
Per 1. Juli 2021 tritt eine Revision der Ad hoc-Regularien in Kraft. Generelles Ziel ist die Angleichung an das Insiderrecht und an internationale Standards und die Kodifizierung bereits bestehender Praxis. SIX-kotierte Emittenten sind gut beraten, sich zeitnah mit den wesentlichen Änderungen vertraut zu machen und bei Bedarf entsprechend zu reagieren.
Im Folgenden werden die wichtigsten und in der Praxis relevantesten Änderungen der SIX-Ad hoc-Publizität per 1. Juli 2021 vorgestellt. Dazu gehören:
Nicht näher beleuchtet hierin werden sonstige, weitgehend terminologische Anpassungen, wie die Präzisierung des Begriffs der Kursrelevanz. Bislang gelten Tatsachen als "potentiell" kursrelevant, die "geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung der Kurse zu führen". Neu gelten Tatsachen als kursrelevant, "deren Bekanntwerden geeignet ist, den Kurs erheblich zu beeinflussen". Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Eine Kursänderung gilt weiterhin als erheblich, wenn sie das übliche Mass der Kursschwankungen des jeweiligen Emittenten deutlich übersteigt, ohne dass dabei feste Grenzwerte oder Prozentzahlen existieren. Die Beurteilung der Kursrelevanz durch Abwägung des Emittenten im Einzelfall erfolgt nach wie vor ex ante, was nunmehr explizit festgehalten wird. Anstelle der Perspektive des "durchschnittlichen" Marktteilnehmers wird künftig auf die Sicht des "verständigen" Marktteilnehmers (reasonable investor) abgestellt; ebenfalls eine terminologische Anpassung, die allenfalls den rational handelnden privaten, nicht professionellen Anleger besser zu erfassen vermag, aber nicht zu entscheidenden Auswirkungen in der täglichen Praxis führen wird. Unverändert sind auch die wesentlichen inhaltlichen Anforderungen an die Ad hoc-Mitteilung (wahr, klar und vollständig).
Unter den bislang geltenden Ad hoc-Regeln qualifiziert die SIX bestimmte Tatsachen immer und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls als potentiell kursrelevant, zumal ohne jegliche Möglichkeit eines Bekanntgabeaufschubs. Dies betrifft vor allem jegliche Wechsel im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung des Emittenten. So musste stets unmittelbar das (überwiegend wahrscheinliche) Ausscheiden einer solchen Person kommuniziert werden, auch bevor ein allfälliger Nachfolger gefunden wurde (dessen Ernennung eine erneute umgehende Publikationspflicht auslöste). Die effektive Kursrelevanz durfte in einigen Fällen von Personalmutationen hingegen durchaus bezweifelt werden. Dementsprechend wurde die "per se"-Praxis der SIX mitunter kritisiert.
Die Revision stellt nunmehr klar, dass es ab 1. Juli 2021 keine solchen "per se"-Tatbestände mehr gibt. Davon ausgenommen sind lediglich noch Jahres- und Zwischen-(mithin Halbjahres- und allfällige Quartals-)Berichte. Diese sind weiterhin stets ad hoc-konform zu publizieren.
Künftig ist somit in jedem Einzelfall (auch bei Personalmutationen) zu prüfen, ob die Kursrelevanz gegeben ist. Die Abschaffung der "per se"-Tatsachen bedeutet jedoch nicht, dass diese gar keine Kursrelevanz aufweisen können. Vielmehr ist bei diesen Ereignissen nun – wie bei allen anderen Tatbeständen auch – eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Neuregelung zu wesentlichen Änderungen der Praxis führen wird, z.B. ob künftig nur noch die wichtigsten Wechsel im Verwaltungsrat (Präsident, Independent Lead Director, ggf. Vizepräsident) und der Geschäftsleitung (CEO, CFO, und – je nach Technologielastigkeit – allenfalls CTO und Forschungschef) per Ad hoc-Mitteilung publiziert werden, oder ob vorsichtige Emittenten eher an der bisherigen – immerhin klaren – Praxis festhalten werden.
Veröffentlicht der Emittent ab 1. Juli 2021 eine kursrelevante Tatsache, muss die Mitteilung explizit als "Ad hoc-Mitteilung gemäss Art. 53 KR" bezeichnet werden (flagging). Dies ist bereits bei einigen Emittenten routinemässig der Fall, die anderen werden ihre Publikationen entsprechend anzupassen haben.
Alle anderen (nicht kursrelevanten) Mitteilungen (etwa rein zu Werbe- oder Marketingzwecken) dürfen künftig nicht mehr als "Ad hoc-Mitteilungen" bezeichnet werden. Um allfällige Bussen zu vermeiden, sind die Emittenten hier einmal mehr zu einer informierten, nachvollziehbaren Einschätzung und pflichtgemässen Ermessensausübung aufgerufen.
Zudem sind Ad hoc-Mitteilungen auf der Website des Emittenten in einem leicht auffindbaren Verzeichnis (z.B. "Ad hoc-Mitteilungen gemäss Art. 53 KR") chronologisch unter Angabe des Publikationsdatums während mindestens drei (statt bisher zwei) Jahren öffentlich zugänglich zu machen.
Ab dem 1. Oktober 2021 müssen Emittenten primärkotierter Beteiligungsrechte ihre Ad-hoc Mitteilungen ausschliesslich über die elektronische Emittentenplattform-Plattform "Connexor Reporting" an die SIX übermitteln. Emittenten anderer kotierter Effekten dürfen weiterhin E-Mail benutzen.
Der Emittent kann die Bekanntgabe einer kursrelevanten Tatsache aufschieben, wenn die Tatsache auf einem Plan oder Entschluss des Emittenten beruht, und deren Verbreitung geeignet ist, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen (z.B. eine beabsichtigte M&A-Transaktion). Der Emittent muss dabei gewährleisten (und zwar neu explizit mit angemessenen und nachvollziehbaren internen Regelungen oder Prozessen), dass die Vertraulichkeit der kursrelevanten Tatsache während der gesamten Dauer des Bekanntgabeaufschubs gewährleistet ist. Der Emittent hat neu explizit auch organisatorische Massnahmen zu ergreifen, damit vertrauliche Tatsachen nur an Personen weitergegeben werden, die diese zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben benötigen (need to know).
Nachdem bereits das Insiderrecht und die dazu entwickelte best practice ähnliche Anforderungen stellen, so etwa auch die Festlegung technischer Schutzvorrichtungen (ggf. Zugangsbeschränkungen, Chinese Walls, Passwörter), das Einholen von Vertraulichkeitserklärungen eingeweihter Personen (intern wie extern) und das Führen von Insiderlisten, dürfte diese Änderung der SIX-Regularien nicht zu grösserem Anpassungsbedarf bei den bereits jetzt gut organisierten Emittenten führen, andere sollten jetzt umso mehr nachbessern.
Künftig sind im Corporate Governance-Bericht (Teil des jährlichen Geschäftsberichts) die allenfalls vom Emittenten festgelegten generellen Handelsperrzeiten (general blackout periods, trading ban, closed periods) unter Angabe von Fristen, Adressaten, Umfang und allfälligen Ausnahmen der Handelssperre, aufzunehmen. Dabei gilt der übliche Grundsatz von "comply or explain".
Allfällige in Einzelfällen angeordnete Sperrzeiten müssen hingegen weiterhin nicht veröffentlicht werden.
Im Hinblick auf die bevorstehende Revision per 1. Juli 2021 haben die betroffenen Emittenten insbesondere darauf zu achten, dass in Zukunft – mit der Abschaffung der per se-Tatbestände – stets eine Beurteilung der Kursrelevanz vorgenommen werden muss, abgesehen von Jahres- und Zwischenberichten. Zudem sind "Ad hoc-Mitteilungen gemäss Art. 53 KR" künftig explizit als solche zu kennzeichnen und von Werbematerial abzugrenzen. Auf der Website ist ein Verzeichnis über Ad hoc-Mitteilungen zu erstellen (ggf. per Filterfunktion), die Vorhaltefrist beträgt neu drei Jahre. Generelle Handelssperren sind im Corporate Governance-Bericht festzuhalten. Ab 1. Oktober 2021 ist Connexor Reporting auch für die Übermittlung von Ad hoc-Mitteilungen an die SIX zu benutzen. Betreffend die Neuerungen in Bezug auf den Bekanntgabeaufschub ist die frühzeitige Implementierung von Regelungen und Prozessen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit empfehlenswert, sofern noch nicht erfolgt.
Gerne stehen Ihnen unsere VISCHER-Teams für Bank- und Finanzmarktrecht und Kotierte Unternehmen bei sämtlichen Fragen zur Ad hoc-Publizität, Kotierung und dem Schweizer Kapitalmarktrecht zur Verfügung.
Autoren: Luljeta Morina, Peter Kühn
Kategorien: Banken- und Finanzmarktrecht, Blog
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