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19. Dezember 2016 Native Advertising: Todesstoss für Publizistik oder Rettungsring für Medien?

Digital Business Law Bites # 9

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Werbeinhalte lassen sich bei digitaler Nutzung von Medien zunehmend vermeiden: Ad Blocker unterdrücken die gängigen Werbeformate auf Websites und Smartphones. Angesichts dieser Entwicklung ist es naheliegend, dass Werbeauftraggeber ihre Botschaften am liebsten in redaktionelle Inhalte verpacken: «Native Advertising» oder «Sponsored Content» erzielen hohe Zuwachsraten und generieren damit willkommene Zusatzeinnahmen für Medienanbieter. Aus rechtlicher Sicht ist eine trans­parente Information der Nutzer erforderlich, wobei ein grosser Ermessensspielraum für die Umsetzung besteht.

Formen von Native Advertising

Immer mehr Nutzer lassen digitale Werbung mit Ad-Blocker-Software unterbinden – auch auf Smartphones und Tablets. Die Plattformbetreiber versuchen, mit technischen Massnahmen dagegenzuhalten. Doch die Anbieter von Ad-Blocker-Software blockieren Gegenmassnahmen umgehend. Auch TV-Werbung steht unter Druck: TV-Verbreiter bieten ihren Kunden bei zeitversetzter Nutzung von Programmen die Möglichkeit, Werbung zu überspringen. Davon machen immer mehr Zuschauer Gebrauch, weshalb die Reichweite der Werbeblöcke zurückgeht.
Ein weiterer Grund für das Aufkommen von Native Advertising ist die steigende mobile Nutzung von Medieninhalten aller Art. Nutzer akzeptieren Online-Werbung auf mobilen Geräten weniger als auf grösseren Bildschirmen. Viele traditionelle Online-Werbeformate wie Banner oder Skyscraper sind für mobile Bildschirme gar nicht verfügbar. Um die physikalischen Grenzen des Mobile Marketings zu überwinden, verpacken Werbeauftraggeber und ihre Agenturen Werbung so, dass sie vom Aus­sehen und der Wirkung her redaktionellen Inhalten (oder Inhalten von anderen Nutzern) gleicht.

Beispiele von Native Advertising sind:

  • Advertorials (eine Mischung aus den eng­lischen Wörtern «Advertising» und «Editorial»)
  • Gesponserte Beiträge auf Newsportalen oder in sozialen Medien
  • Endorsements (z. B. in Tweets oder Facebook-Posts von Sportlern oder Musikern)

Erlaubt ist, was nicht irreführt

Native Advertising ist unter Schweizer Recht erlaubt. Explizite gesetzliche Einschränkungen finden sich einzig für lineare TV- und Radio-Programme. Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) verlangt, dass Werbeinhalte innerhalb von klar abgegrenzten Werbeblöcken ausgestrahlt werden. Sponsoring und Product Placements sind am Anfang und am Ende einer Sendung sowie nach jeder Werbeunterbrechung zu deklarieren. Sponsoren dürfen keinen Einfluss auf den Inhalt von Sendungen nehmen, und Product Placements dürfen keinerlei Werbewirkung entfalten. Bei (interaktiven) Online-Plattformen gelten die weniger spezifischen Grundsätze des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Ausserdem haben die Selbstregulierungsorgane Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) und Presserat gewisse Grenzen und Standards gesetzt.

Das UWG bezweckt die Gewährleistung fairen Wettbewerbs. Eine Verschleierung des Werbezwecks eines Inhalts verstösst nicht in jedem Fall gegen das UWG. Unlauter ist die Verschleierung aber dann, wenn sie unterschwellig bzw. schleichend den Kaufentscheid des Konsumenten beeinflusst oder zur Täuschung Anlass gibt.

Die Grundsätze der SLK erlauben die Integration von bezahlten Inhalten wie Publireportagen und anderen gesponserten Beiträgen, solange die ­bezahlten Inhalte mit geeigneten Hinweisen vom Redaktionsteil abgegrenzt werden. Auch gemäss dem von der SLK angewandten ICC Code of Advertising and Marketing Communication Practices (ICC Code) gilt, dass Werbung und andere Formen kommerzieller Kommunikation klar als solche erkennbar sein müssen.

Die Erklärung der Pflichten und Rechte der Jour­nalistinnen und Journalisten schreibt vor, bezahlte Inhalte erkennbar von redaktionellen Inhalten abzugrenzen. Zudem untersagen die Grundsätze der SLK und des Presserats sogenannte Koppelungsgeschäfte: Die Akquisition von Werbung darf nicht mit der Verpflichtung des Journalisten oder Herausgebers verbunden werden, ein bestimmtes Thema zu wählen oder positiv über das Produkt oder die Dienstleistung eines Werbeauftraggebers zu schreiben.

Transparenzhinweise als Lösung

Es liegt in der Natur von Native Advertising, die Grenzen zwischen Werbung und redaktionellem ­Inhalt zu vermischen. Umso wichtiger sind die Herstellung von Transparenz und die Abgrenzung vom eigentlichen Redaktionsteil. Gemäss den allgemeinen Grundsätzen des UWG müssen Transparenzhinweise wahr und klar sein. Es gibt keine besonderen Vorschriften hinsichtlich der Wortwahl oder der Grösse und Darstellung der Hinweise. Wichtig ist jedoch, dass Konsumenten die Transparenzhinweise unabhängig vom verwendeten Gerät erkennen, lesen und verstehen können.

Webseiten werden auf mobilen Geräten anders dargestellt als auf Laptops oder Desktops. «Responsive» gestaltete Online-Plattformen müssen auf kleinen Bildschirmen mit sehr wenig Text auskommen. Nutzer sollten nicht bis zum Ende eines Beitrags scrollen müssen, um die Transparenzhinweise zu sehen. Sie erwarten, dass bei gesponserten Beiträgen bzw. Advertorials Hinweise wie «gesponsert» oder «Werbung» unmittelbar über oder unter dem Beitrag angezeigt sind.

Social Media mit eigenen Regeln

Kreativere Lösungen sind bei Endorsements gefragt. Sportler, Musiker oder Schauspieler mit Endorser-Funktion werden zu Werbebotschaftern der jeweiligen Markenhersteller. Twittert oder postet ein Sportler z. B., dass er gerade im Testcenter der Firma X ist, um sein neues Rennrad zu testen, kann ein Transparenzhinweis notwendig sein. Dies gilt zumindest dann, wenn der Sportler in seiner Funktion als Endorser postet und seine positive Beschreibung des getesteten Rennrads der Verkaufsförderung dienen soll. Auf seine Endorser-Funktion kann der Sportler z. B. mit dem Zusatz «#XBotschafter» hinweisen.

Allerdings löschen Social-Media-Plattformen Werbeinhalte umgehend, wenn sie nicht im Rahmen eines der vom Betreiber der Plattform zur Verfügung gestellten Formate verbreitet werden. Die grossen Social-Media-Plattformen wie Facebook und Youtube stellen dabei ihre eigenen Regeln auf und sind auch in der Lage, innerhalb ihres Auftritts Werbeblocker auszuschalten. Auch haben sie ihre eigenen Sanktionsmöglichkeiten, wenn Werbeauftraggeber die Regeln nicht einhalten: oftmals droht nicht nur die Unterdrückung der Werbeinhalte, sondern gar die Löschung des gesamten Accounts.

Autor: Rolf Auf der Maur

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