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18. Februar 2022

Modernisierung des Überwachungsrechts auf Verordnungsstufe (Teil 1)

Der Bundesrat hat die teilrevidierten Ausführungsverordnungen zum Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zur Vernehmlassung bis zum 23. Mai 2022 aufgelegt. Hauptanliegen der aktuellen Revision sind Anpassungen an die Möglichkeiten der 5G-Technologie. Noch nicht adressiert ist die schon länger angekündigte und mit Spannung erwartete Neudefinition der bei einer Überwachung Mitwirkungspflichtigen. 

Worum es geht – und worum (noch) nicht

Mit Inkrafttreten des totalrevidierten Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ("BÜPF") im Jahr 2018 wurde das Überwachungsrecht an die technologische Entwicklung in der Kommunikation angepasst. Das aktuelle BÜPF hat den Kreis der überwachungs- und auskunftspflichtigen Kommunikations-Dienstleisterinnen erheblich erweitert. In der Praxis kam es wiederholt zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen erfassten Anbieterinnen, v.a. der Fernmeldedienstanbieterinnen ("FDA") und der Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste ("AAKD", vgl. zu dieser Abgrenzung auch unseren Beitrag aus 2018 "BÜPF: Neue Überwachungs- und Auskunftspflichten für Kommunikations-Dienstleister").

Zuletzt hatten das Schweizerische Bundesgericht und das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht den Schweizer Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr ("Dienst ÜPF") in seinen Versuchen zurückgebunden, den Kreis der Mitwirkungspflichtigen stets noch weiter auszudehnen (vgl. unseren Beitrag zum Bundesgerichtsurteil 2C_544/2020 vom 29. April 2021 betreffend Threema, sowie unseren Beitrag zum Bundesverwaltungsgerichtsurteil A-5373/2020 vom 13. Oktober 2021 betreffend Proton).

Bereits vor diesen Urteilen war absehbar, dass die Mitwirkungspflichtigen neu zu definieren sein werden: Mit der Revision des Fernmeldegesetzes ("FMG") vom 22. März 2019 sollte der Schweizerische Bundesrat die Kategorien der Mitwirkungspflichtigen (v.a. FDA und AKKD) künftig losgelöst von der Definition im FMG umschreiben (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 revBÜPF, noch nicht in Kraft).

Die nun vom Schweizerischen Bundesrat vorgelegten Ausführungsverordnungen adressieren diese in der Praxis wichtige (Neu-)Kategorisierung allerdings noch nicht – gemäss Erläuterndem Bericht vom 16. Februar 2022 sollen insbesondere die Konsequenzen des Threema-Urteils zunächst noch gründlicher analysiert werden. Gleichzeitig erachtet der Schweizerische Bundesrat diese Bestimmungen zur Anpassung der Verordnungen an die 5G-Technologie als derart dringlich, dass sie zeitnah in Kraft treten müssen. Er trennt deshalb die Vorlagen in zwei Teilrevisionen auf: Die nun zur Vernehmlassung stehenden Ausführungsverordnungen beinhalten sämtliche Bestimmungen, die nicht die Kategorisierung der Mitwirkungspflichtigen betreffen.

Die wesentlichen Neuerungen

Das BÜPF soll durch die Verordnungsrevision an die seit 2018 erfolgten technischen Entwicklungen angepasst werden. Konkret macht die 5G-Technologie die Definition zusätzlicher Auskunfts- und Überwachungstypen notwendig, um dem Dienst ÜPF eine Überwachung nur schon auf dem bisherigen Niveau zu ermöglichen.

Zum einen sollen zwecks Abfrage längerfristiger und kurzfristiger Identifikatoren (Adressierungselemente, Gerätenummern, Teilnehmernummern etc.) (drei) neue Auskunftstypen geschaffen werden. Dazu gehören (1) die Abfrage des Zeitpunkts der letzten zugriffsrelevanten Aktivität eines E-Mail-Dienstes, um zu bestimmen, wann ein Kommunikationsvorgang abgeschlossen ist, (2) Angaben über die letzte zugriffsrelevante Aktivität eines anderen Fernmelde- oder abgeleiteten Kommunikationsdienstes und (3) Auskünfte zu benachbarten Netzen bei Telefonie- und Multimediadiensten, um Identifikationsprobleme zu lösen, die bei gefälschter oder unbekannter Telefonnummer auftreten.

Ausserdem sollen (vier) neue Überwachungstypen geschaffen werden, mit denen künftig die genaue Position eines Endgeräts einmalig oder wiederholt bestimmt werden kann (i.d.R. liess sich bisher etwa bei einer Notsuche nach einer vermissten Person oder bei einer Echtzeitüberwachung nur die ungefähre Position ermitteln).

Die Revisionsvorlage enthält darüber hinaus zahlreiche Detailbestimmungen, z.B. auch Präzisierungen bestehender Überwachungspflichten, inklusive Beginn (frühestens sechs Monate vor Empfang der Anordnung) und Ende (Empfangszeitpunkt der Anordnung) der rückwirkenden Überwachung. Weiter sollen einzelne Bestimmungen der Gebührenverordnung ("GebV-ÜPF") und der Verordnung über das Verarbeitungssystem für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ("VVS-ÜPF") sowie der Verordnung des EJPD über die Durchführung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ("VD-ÜPF") angepasst werden. Hervorzuheben ist, dass im Rahmen dieser Anpassungen auch die Fristen für die Lieferung von Auskünften in der VD-ÜPF von bisher einem Arbeitstag auf sechs Stunden bzw. von bisher zwei Arbeitstagen auf einen Arbeitstag für kleinere mitwirkungspflichtige Unternehmen gekürzt werden sollen. In der Praxis sollen sich die bisherigen Fristen für die Strafverfolgungsbehörden als zu lang erwiesen haben.

Auswirkungen auf die Mitwirkungspflichtigen

Die in den vorgelegten Ausführungsverordnungen vorgesehene höhere Dichte an zu liefernden Auskünften und die dafür zu schaffenden Ressourcen werden seitens der mitwirkungspflichtigen Unternehmen zweifellos zu Mehraufwand führen.

Kontrovers diskutiert werden dürfte aber vor allem das zweite, derzeit noch ausstehende Revisionspaket betreffend die (Neu-)Kategorisierung der gemäss BÜPF Mitwirkungspflichtigen. Insbesondere für Anbieterinnen von OTT-Diensten wird dieser zweite Teil, d.h. die neue Umschreibung der mitwirkungspflichtigen FDA und AAKD auf Verordnungsstufe von sehr weitreichender praktischer Bedeutung sein.

Die hinausgezögerte Klärung der Definition von Mitwirkungspflichtigen kann sich als problematisch erweisen, da der künftige Adressatenkreis der aktuell diskutierten Neuregelungen unklar bleibt. Für die Anbieterinnen im Grenzbereich der bisherigen Definitionen von FDA und AAKD wäre eine baldige Klärung der Anknüpfungskriterien unter dem BÜPF und den Verordnungen wünschenswert.

Weitere Informationen:

Autoren: Delia Fehr-Bosshard, Jonas D. Gassmann

Kategorien: Data & Privacy, Digital Business Law Bites, Medien und Unterhaltung

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