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Bisher konnte es fatale Folgen haben, wenn schweizerische Unternehmen in US-Verfahren hineingezogen wurden. Gegenanwälte und US-Behörden richteten und richten ihre ausufernden Editionsbegehren (Discovery Requests) oder behördlichen Herausgabebefehle (Subpoenas) gegen die Rechts- und Complianceabteilungen der Unternehmen, da dort häufig die entscheidenden Beweismittel zu finden sind ("the good stuff"). Während sich die amerikanischen Prozessparteien auf ein Herausgabeverweigerungsrecht stützen können, sind Schweizer Unternehmen gegen diese Begehren weitgehend schutzlos. Sie müssen die unternehmensinterne juristische Kommunikation aus der Schweiz in den USA edieren. Dies soll sich nun ändern.
Die Situation Der Ruf nach einem In-house Counsel Privilege in der Schweiz entstand durch die signifikanten prozessualen Nachteile, welchen Schweizer Unternehmen in den USA ausgesetzt sind, wenn sie mit einer US-style Discovery oder einer Subpoena konfrontiert werden. In diesen Verfahren müssen sämtliche Dokumente zusammengestellt werden, welche für den Prozess- oder Untersuchungsgegenstand in irgendeiner Weise relevant sein könnten. Dieser Vorgang nimmt tausende von Stunden in Anspruch, bindet Unmengen an Kapazität von Management und Mitarbeitern und führt nicht selten zu Rechtskosten in Millionenhöhe.
In den USA besteht ein Gegengewicht zu diesen überbordenden Discovery-Verfahren. Geschützt werden (i) die Kommunikation zwischen Anwalt und Klient (Attorney-Client Privilege), (ii) Unterlagen, die im Hinblick auf einen Prozess oder ein Verfahren erstellt wurden (Work-Product Protection) und (iii) die Kommunikation, welche unternehmensinterne juristische Beratung enthält (das hier interessierende In-house Counsel Privilege).
In der Schweiz gibt es bislang keine derart ausufernden Discovery-Verfahren. Demensprechend existiert auch kein direktes Äquivalent zu den "Privileges" des US-Systems. Der Schutz vor Mitwirkung und der Offenlegung von Dokumenten ist in der Schweiz an den Beruf des (freiberuflichen) Rechtsanwalts geknüpft. Rechtsanwälte sind strafrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Demensprechend sind die zivilprozessualen Mitwirkungsverweigerungsrechte lediglich Anwälten vorbehalten. Für Unternehmensjuristen und die von ihnen produzierten Dokumente besteht kein derartiger Berufsgeheimnisschutz. Das Problem Schweizerische Unternehmen, die in ein US-Verfahren verwickelt werden, sind bezüglich unternehensinterner juristischer Korrespondenz im Discovery-Verfahren wesentlich schlechter gestellt als US-Parteien. US-Parteien können die Herausgabe von unternehmensinterner juristischer Korrespondenz gestützt auf das In-house Counsel Privilege verweigern.
Dieses In-house Counsel Privilege wird ausländischen Unternehmen nur dann zugestanden, wenn das Unternehmen im Ausland ein analoges In-house Counsel Privilege geltend machen kann. Dabei prüfen US-Gerichte einzig, ob unter dem Recht des ausländischen Unternehmens ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht oder nicht. Standes- oder strafrechtliche Aspekte einer Geheimnisverletzung und deren Folgen interessieren die US-amerikanischen Richter wenig.
In der Schweiz besteht kein direktes Pendant zum In-house Counsel Privilege. In der grossen Mehrzahl der Fälle kamen die Richter deshalb zum Schluss, dass unternehmensinterne juristische Beratung aus der Schweiz – anders als diejenige amerikanischer Unternehmen - in den USA ediert werden muss. Für international tätige Unternehmen mit Konzernzentrale oder Europahauptquartier in der Schweiz ist dies ein zunehmend ernsthafter Standortnachteil. Die Lösung Ein erster Versuch des Bundesrats aus dem Jahr 2009, der Entwurf eines Gesetzes für Unternehmensjuristen, wurde nach den negativen Reaktionen der Kantone wegen befürchteten grossen Umsetzungsaufwands nicht weiterverfolgt. Im Jahr 2015 nahm die parlamentarische Initiative Markwalder den Ball wieder auf. Diese verlangt die Schaffung eines Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen in einem separaten Artikel der Zivilprozessordnung. Damit soll eine mit jener im Ausland vergleichbare Regelung geschaffen werden, um zukünftig prozessuale Nachteile für Unternehmensjuristen in ausländischen Verfahren zu vermeiden. Der vorgeschlagene neue Artikel 160a der Zivilprozessordnung beinhaltet Folgendes:
Zukünftig besteht für Parteien und Dritte in Bezug auf die Tätigkeit eines unternehmensinternen Rechtsdienstes und dessen Erzeugnisse im Zivilprozess keine Mitwirkungspflicht mehr. Dies bedeutet, dass das Zeugnis verweigert werden darf und entsprechende Urkunden nicht mehr herausgegeben werden müssen. Damit sich eine Partei oder Dritte auf das Mitwirkungsverweigerungsrecht berufen können, müssen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Erstens muss die betreffende Tätigkeit des unternehmensinternen Rechtsdienstes als berufsspezifisch qualifiziert werden. Es gilt derselbe Massstab wie bei einem freiberuflichen Anwalt. Dies bedeutet, dass zum Beispiel private, politische oder soziale Äusserungen des unternehmensinternen Rechtsdienstes nicht vom Mitwirkungsverweigerungsrecht profitieren. Dasselbe gilt für überwiegend kaufmännische Tätigkeiten wie zum Beispiel die Vermögensverwaltung von Geldern, soweit sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Unternehmensjuristen stehen.
Zweitens muss der Rechtsdienst von einer Person geleitet werden, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügt oder in ihrem Herkunftsstaat die fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Anwaltsberufs erfüllt. Mit dieser Voraussetzung soll eine gewisse fachliche Qualität des Rechtsdienstes gewährleistet und sichergestellt werden, dass die Berufsspezifität des Rechtsdienstes bekannt und anerkannt ist.
Der so ausgestaltete neue Artikel 160a hat gute Chancen, in die Zivilprozessordnung integriert zu werden. Es ist allerdings unklar, wann eine solche Änderung in Kraft treten würde. Die Vorlage blieb in der Legislaturplanung 2015-2019 unerwähnt.
Das Caveat Sollte der neue Artikel 160a in die Zivilprozessordnung Aufnahme finden, würde damit in der Schweiz ein Pendant zum amerikanischen In-house Counsel Privilege geschaffen. Damit soll indirekt erreicht werden, dass schweizerische Unternehmen, die in US-Verfahren verwickelt werden, die Herausgabe von unternehmensinterner juristischer Korrespondenz ebenfalls verweigern können.
Bei der Einführung des Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen darf die Schweiz jedoch nicht den Eindruck erwecken, sie erlasse ein sogenanntes "Blocking Statute". Darunter werden Gesetzgebungen verstanden, welche spezifisch zur Verhinderung des Zugriffs durch eine US-style Discovery erlassen wurden. US-Gerichte versagen solchen Blocking Statutes zuweilen die Beachtung. Es wäre deshalb angezeigt, dass das Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristen auch ins Strafgesetzbuch sowie die übrigen Verfahrensgesetze aufgenommen wird. Damit liesse sich das Risiko, dass solche Erlasse als Blocking Statutes qualifiziert werden, namhaft verringern.
Autorin: Tina B. Jäger