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Kategorien: Berufliche Vorsorge, Sozialversicherungsrecht, Blog
Die aufgrund der Coronapandemie eingeführte Sonderregelung für Mitarbeitende im Home-Office wurde bis zum 30. Juni 2023 verlängert. Danach gilt wahrscheinlich wieder die 25 % Grenze. Was dies für Teilzeitarbeitende bedeutet, legen wir hier dar. Da während der Coronapandemie zahlreiche Mitarbeitende von Zuhause aus arbeiten mussten, wurde von den Mitgliedern der EU-Verwaltungskommission für die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit (EU VK) eine Sonderregelung eingeführt, wonach Mitarbeitende weiterhin dem schweizerischen Sozialversicherungsrecht unterliegen, auch wenn nun ein wesentlicher Teil der Arbeit im Wohnsitzstaat (Ausland) ausgeübt wird. Umgekehrt wurde das Gleiche festgehalten. Schweizer, die normalerweise im Ausland arbeiten und nun im Home-Office bleiben mussten, blieben dem ausländischen Sozialversicherungsrecht unterstellt. Dies gilt innerhalb der EU/EFTA und in der Schweiz gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen mit der EU, den EU Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 987/2009 und das EFTA-Übereinkommen.
Ohne diese Sonderregelung wäre es bei den meisten Grenzgängern zu einem Wechsel der Versicherungsunterstellung in den Wohnstaat der Mitarbeitenden gekommen, was einerseits mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden gewesen wäre und andererseits nach den Aufhebungen der Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu einem erneuten Wechsel geführt hätte.
1. Verlängerung der Sonderregelung Mitte November hat die EU VK beschlossen, die spezielle Lösung für Home-Office bis zum 30. Juni 2023 zu verlängern. Dies, nachdem schon eine erste Verlängerung bis Ende 2022 überraschend beschlossen worden war. Zusätzlich wird in Aussicht gestellt, dass ab dem 1. Juli 2023 die Unterstellungsregeln so angepasst werden sollen, dass sogar ein grösserer Anteil der Arbeit im Wohnsitzland als Home-Office-Arbeit ausgeführt werden darf (bisher maximal 25 %), ohne dass die Sozialversicherungsunterstellung in den Ansässigkeitsstaat der Mitarbeitenden wechselt. 2. Berechnung der «25 %-Regel» Ohne die erwähnte Sondervereinbarung käme die bekannte «25 %-Regel» zur Anwendung. Das heisst, wenn ein wesentlicher Teil (25 % oder mehr) der Arbeit im Wohnsitzstaat ausgeführt wird, sind die Mitarbeitenden für den ganzen Lohn wie auch für zusätzliche Arbeitsentgelte von anderen Arbeitgebenden ausschliesslich im Wohnstaat versicherungspflichtig. Doch wie werden die 25 % genau berechnet? Zuerst ist es wichtig zu verstehen, dass die Arbeitszeit (Pensum) und/oder das Arbeitsentgelt für die Berechnung massgebend sind. In der Regel wird zuerst nur das Pensum als Indikator dafür, ob ein wesentlicher Teil der Arbeit im Wohnsitzstaat stattfindet, angeschaut. Bei Tätigkeiten, welche nicht mit einem Pensum beziffert werden können (z. B. Verwaltungsratstätigkeit), wird der Lohn als Vergleichsgrösse genommen. Als zweites ist zu beachten, dass als 100 %-Basis für die Beurteilung der 25 %-Grenze jeweils die Summe der effektiven Anstellungsprozente bei allen Arbeitgebenden genommen wird. Die nachfolgende Tabelle zeigt zum besseren Verständnis verschiedene Szenarien:
Beispiel
Arbeitgeber
%-Anstellung
Wesentlichkeitsgrenze (25 % von der Summe aller Arbeitgeber)
1.
Firma A
100 %
ab 25 %, respektive 1.25 Arbeitstagen
2.
50 %
Ab 12.5 %, respektive 0.625 Arbeitstagen
3.
Firma B
20 %
70 % Total
Ab 17.5 %, respektive 0.875 Arbeitstagen
Die Übersicht zeigt, dass es bei einem hohen Arbeitspensum von 90-100 % möglich ist, z. B. einen ganzen Tag pro Woche von Zuhause (im Ausland) aus zu arbeiten, ohne dass die Sozialversicherungspflicht ins Ausland fällt. Bei Mitarbeitenden mit geringeren Pensen ist ein ganzer Tag Home-Office hingegen nicht möglich, wenn das Recht des Arbeitsorts massgebend bleiben soll. Wir gehen davon aus, dass die Funktionsweise der Berechnung auch bei einer allfälligen Änderung der Grenze (z.B. auf 40 %) ab dem 01. Juli 2023 gleich bleiben wird. 3. Gefahren für Arbeitgebende Für Abreitgebende ist es somit nicht ausreichend, für Grenzgänger und Grenzgängerinnen ein Limit von einem Arbeitstag im Home-Office zu setzen, vielmehr muss die Beschränkung nach Pensum spezifiziert werden. Bei Teilzeit-Mitarbeitenden besteht weiter die Gefahr, dass diese im Wohnsitzstaat noch einer anderen Beschäftigung nachgehen, welche ebenfalls zu einem Wechsel der Versicherungsunterstellung führen kann, dies vielleicht ohne Wissen der Arbeitgebenden. Aufgrund dessen empfehlen wir Arbeitgebenden, der Gefahr eines unbemerkten Wechsels der Unterstellungspflicht vorzubeugen, in dem z. B. zweimal jährlich die Situation bei den Teilzeitmitarbeitenden überprüft wird. Eine zusätzlich sinnvolle Massnahme ist es, im Arbeitsvertrag eine Pflicht zur Information des Arbeitgebenden aufzunehmen für den Fall, dass eine Arbeit im Wohnsitzstaat aufgenommen wird. Die Arbeitgebenden sind in der Pflicht, alles Zumutbare zu unternehmen, um die Mitarbeitenden korrekt zu versichern. Jedoch ist es auch im Sinne des Mitarbeitenden, sozialversicherungsrechtlich korrekt unterstellt zu sein. Denn vor allem bei Invalidität oder Unfall kann eine falsche Versicherungsunterstellung verehrende Folgen für die Betroffenen haben, wenn keine der möglichen Kassen bereit ist, eine Zahlung vorzunehmen. Bei Unsicherheit (z. B., ob in einem Fall das Arbeitsentgelt oder die Arbeitszeit höher zu gewichten sind), empfiehlt es sich, dies direkt mit der zuständigen Ausgleichskasse zu klären. 4. Fazit Die Versicherungsunterstellung kann sich sehr schnell ändern, vor allem mit der Zunahme der Tätigkeiten aus dem Home-Office über die letzten Jahre. Die Sonderregelung während der Coronapandemie war notwendig und eine massive administrative Erleichterung. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass nach Auslaufen der Sonderregelung allenfalls Anpassungen an den internen Richtlinien notwendig sind – dies wahrscheinlich gegen den Wunsch der betroffenen Grenzgänger und Grenzgängerinnen. Die erneute Verlängerung der Sonderregelung ist zu begrüssen, noch wichtiger ist jedoch die in Aussicht gestellte Anpassung der Wesentlichkeitsgrenze für Home-Office-Tätigkeiten. Was jedoch bleiben wird, ist die Gefahr bei teilzeitarbeitenden Grenzgängern und Grenzgängerinnen, welche ohne Wissen der Arbeitgebenden einer zusätzlichen Arbeit im Wohnsitzstaat nachgehen. Diesem Risiko ebenso wie der besonderen Situation von Teilzeitmitarbeitenden kann durch sorgfältige vertragliche Regelungen oder interne Richtlinien Rechnung getragen werden. Ebenfalls ist die steuerliche Situation bei internationalen Konstellationen wie diesen zu beachten, welche sich nicht parallel zur Sozialversicherungslösung bewegt, jedoch wird auf deren Ausführungen im vorliegenden Blog aus Platzgründen verzichtet. Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das VISCHER Steuer- und Sozialversicherungsteam gerne zur Verfügung.