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17. Juli 2019 Die OECD steigert die Anforderungen an die Bewertung von Immaterialgüterrechten

Immer mehr Vorschriften im internationalen Steuerrecht

Unternehmen sind mit stetig steigenden Anforderungen im Bereich der Transparenz und der Dokumentation von Verrechnungspreisen konfrontiert. Zusätzlich zu diesen Transparenzvorschriften müssen internationale Konzerne zunehmend auch Vorschriften beachten, welche einen direkten Einfluss auf ihre Besteuerung haben. Neben den Massnahmen der EU und OECD gegen "aggressive Steuerplanung" (Anti Tax Avoidance Directive, kurz ATAD) betrifft dies vor allem die Anpassung der OECD Verrechnungspreisrichtlinie zur Bewertung von schwer bewertbaren Immaterialgütern bzw. Immaterialgüterrechten (Hard to Value Intangibles – HTVI), welche letztes Jahr veröffentlicht wurde. Auch für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz wird die Anpassung dieser Richtlinie beträchtliche Konsequenzen haben.

Drei Merkmale von Hard to Value Intangibles

Das Grundproblem liegt darin, dass Steuerpflichtige die Erfolgsaussichten und damit den Marktwert eines selbstentwickelten Immaterialguts bzw. Immaterialgüterrechts (kurz IP) besser kennen als die Steuerverwaltung. Bei HTVI ist dieser Wissensvorsprung besonders ausgeprägt. Dabei handelt es sich um IP, welche im Zeitpunkt eines Verkaufs an eine nahestehende Partei

  • erst teilweise entwickelt sind;
  • erst nach einigen Jahren kommerziell genutzt werden können; oder
  • zur Entwicklung anderer HTVI notwendig sind.

Um was geht es bei der Anpassung der Richtlinie zur Bewertung von HTVI?

Der wahre Wert einer Erfindung, eines Patentes oder einem anderen IP ist für die Steuerverwaltungen teilweise erst Jahre nach dessen Verkauf erkennbar. Ziel der Richtlinie ist daher der Abbau der Informationsasymmetrie zwischen den Steuerpflichtigen und den Steuerverwaltungen. Die Steuerverwaltungen sollen in der Lage sein, den wahren Wert dieser Erfindungen, Patente, Marken etc. zu ermitteln und zu besteuern.

Die OECD schlägt vor, dass Steuerverwaltungen den Wert von diesen IP im Zeitpunkt des Verkaufs im Nachhinein nochmals überprüfen und allenfalls die Bewertung anpassen dürfen. Das kann dann dazu führen, dass eine Steuerverwaltung mehrere Jahre nach dem Verkauf eines IP eine Gewinnaufrechnung vornehmen darf, falls sich aufgrund in der Zwischenzeit eingetretener Ereignisse herausstellt, dass das Unternehmen im Zeitpunkt des Verkaufs dafür einen zu tiefen Verkaufspreis angesetzt hatte.

Dabei muss die Steuerverwaltung allerdings berücksichtigen, dass im Verkaufszeitpunkt der zukünftige Erfolg eines neu entwickelten Immaterialgüterrechts grundsätzlich nicht bekannt ist – auch nicht dem Unternehmen. Die Steuerverwaltung hat dem mittels einer risiko-adjustierten Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalles Rechnung zu tragen.

Immerhin in gewissen Fällen, z.B. falls die Steuerpflichtigen die korrekte Bewertung zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalles klar nachweisen können oder wenn ein steuerlicher Vorabbescheid zur Bewertung vorliegt, soll eine solche ex-post Bewertung ausgeschlossen sein.

Wieso ist diese Richtlinie für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz relevant?

Wie viele andere Staaten stützen sich auch die Schweizer Behörden bei der Festsetzung ihrer Steuerpraxis auf die Leitlinien der OECD. Mit der nun publizierten Leitlinie zur Bewertung von schwierig zu bewertenden IP werden sich auch die Steuerverwaltungen in der Schweiz bei der Bewertung von Immaterialgütern und Immaterialgüterrechten vermehrt auf die tatsächlich nach einer Transaktion erzielten Ergebnisse abstützen. Um nachträgliche steuerliche Korrekturen zu verhindern, empfehlen wir daher dringend, dass Unternehmen bei wichtigen Transaktionen mit HTVI ihre Überlegungen zur Bewertung umfassend dokumentieren oder soweit möglich einen steuerlichen Vorabbescheid zur Bewertung einholen.

Ob die Steuerveranlagungen offengelassen werden müssen, damit eine derartige Korrektur später möglich ist, lässt die Richtlinie offen. Für die Schweiz gehen wir grundsätzlich davon aus, dass Transaktionen, welche den Schweizer Steuerbehörden vollständig und korrekt offengelegt und von diesen im Rahmen der jährlichen Steuerveranlagungen definitiv veranlagt wurden, nicht mehr im Nachhinein in Frage gestellt werden können, weil in diesem Fall keine neue Tatsache vorliegt.

Weitere Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, insbesondere die erwähnten Massnahmen der EU und der OECD gegen "aggressive Steuerplanung", können unserer Broschüre "Steuer Update 2019" entnommen werden.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das Steuerteam gerne zur Verfügung.

Autor: Adrian Briner

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