
Ganz im Sinne der Gleichberechtigung hat sich die Schweizer Stimmbevölkerung letztes Jahr für die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs ausgesprochen, welcher per 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist.
Diese erfreuliche neue Errungenschaft soll im Folgenden aus Anlass des Vatertags näher erläutert werden.
Der Vaterschaftsurlaub
Frischgebackene Väter haben nun gestützt auf Art. 329g OR einen Anspruch auf 2 Wochen Vaterschaftsurlaub, wobei wahlweise ein wochen- oder tageweiser Bezug möglich ist.
Dabei ist der Vater zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, den Vaterschafsurlaub auch tatsächlich zu beziehen. Dieses Recht darf weder vertraglich wegbedungen noch gekürzt werden.
Entschädigung
Die Vaterschaftsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet und beträgt 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Der Anspruch besteht für höchstens 14 Taggelder (vgl. Art. 16k Abs. 2 EOG).
Der Bezug der Vaterschaftsentschädigung darf gemäss Art. 16j EOG nur während einer Rahmenfrist von 6 Monaten bezogen werden und ist somit zweckgebunden. Die Rahmenfrist beginnt mit dem Tag der Geburt des Kindes an zu laufen.
Voraussetzungen
Rechtliches Kindsverhältnis
Der Anspruch besteht, wenn der Vater zum Zeitpunkt der Geburt rechtlicher Vater des Kindes ist oder es innerhalb der folgenden sechs Monate wird (vgl. Art. 329g Abs. 1 OR).
Das rechtliche Kindsverhältnis zum Vater entsteht gemäss Art. 252 Abs. 2 OR kraft Ehe mit der Kindsmutter, durch Anerkennung des Kindes oder durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft.
Selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit
Der Vater muss zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes selbständig oder unselbständig erwerbstätig sein.
War der Vater zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes arbeitslos oder konnte er infolge Arbeitslosigkeit die erforderliche Mindesterwerbsdauer nicht erfüllen, ist er gemäss Art. 29 Abs. 2 EOV dennoch anspruchsberechtigt, sofern er bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog oder am Tag der Geburt Dienst im Sinne von Art. 1a EOG leistet und an diesem Tag die Beitragsdauer für den Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung erfüllt.
Obligatorische Versicherung während 9 Monaten
Weiter ist erforderlich, dass der Vater während neun Monaten unmittelbar vor der Geburt i.S. des AHVG obligatorisch versichert war und in dieser Zeit mind. 5 Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.
Die erforderliche Versicherungsdauer wird herabgesetzt, wenn die Geburt des Kindes vor Ablauf des 9. Schwangerschaftsmonats erfolgt.
Entschädigung bei Arbeitsunfähigkeit
Konnte der Kindsvater die erforderliche Mindesterwerbsdauer wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllen, hat er gemäss Art. 30 EOV dennoch einen Anspruch auf Entschädigung, wenn er bis zur Geburt eine Entschädigung einer Sozial- oder Privatversicherung für Erwerbsausfall bezogen hat oder im Zeitpunkt der Geburt zwar in einem Arbeitsverhältnis steht, der Anspruch auf Lohnfortzahlung jedoch vor diesem Zeitpunkt schon erschöpft war.
Verlängerung der Kündigungsfrist und unzulässige Ferienkürzung
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit, bevor der anspruchsberechtigte Vater den gesamten Vaterschaftsurlaub bezogen hat, verlängert sich die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstage (vgl. Art. 335c OR).
Der Arbeitgeber darf aufgrund des Bezugs des Vaterschaftsurlaubs auch keine Ferienkürzung vornehmen (vgl. Art. 329b Abs. 3 lit. c OR).
Das Verhältnis zum vertraglich vereinbarten Vaterschaftsurlaub
Fraglich ist wie der gesetzliche Anspruch auf Vaterschaftsurlaub im Verhältnis zu vertraglich vereinbarten Ansprüchen zu beurteilen ist. Diese Frage ist umstritten.
Teilweise wird in der Lehre und von Gewerkschaften vertreten, dass ein vertraglich (einzel- oder gesamtarbeitsvertraglich) vereinbarter Anspruch auf Vaterschaftsurlaub vom neuen gesetzlichen Anspruch unberührt bleibe, weil die Ansprüche auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen: Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub ist ein gesetzlicher Anspruch, während es sich bei Vereinbarungen betreffend freie Tage bei der Kindsgeburt um vertragliche Ansprüche handelt. Dementsprechend würden sich die vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche auf Vaterschaftsurlaub addieren.
Unseres Erachtens ist diese Meinung klar abzulehnen. Vielmehr ist bei der Auslegung von Vertragsbestimmungen grundsätzlich davon auszugehen, dass solche vertraglichen Regelungen nach dem Willen der Parteien immer auch einen allfälligen gesetzlichen Anspruch umfassen sollen. Dies insbesondere auch, wenn zur Zeit des Vertragsschlusses noch gar kein gesetzlicher Vaterschaftsurlaub existierte.
Weitere Vorstösse zur Vereinbarung von Beruf und Familie
Mit dem Vaterschaftsurlaub wurde ein wichtiger Schritt zur Förderung der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern einerseits und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie anderseits gewagt.
Doch damit nicht genug: Im Parlament sind diverse weiteren Vorstösse hängig, die sich für die Einführung einer Elternzeit von bis zu 14 Wochen einsetzen; ein Konzept, das beispielsweise in Deutschland und Schweden bereits seit Jahren bzw. Jahrzehnten gesetzlich verankert ist.
Es ist anzunehmen, dass sich auch die Schweiz früher oder später in Richtung einer modernen Elternzeit entwickeln wird. Wir bleiben dran.
Bei Fragen zum Thema steht Ihnen unser Arbeitsrechtsteam jederzeit gerne zur Verfügung.
Autoren: Marc Ph. Prinz, Luljeta Morina