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22. Dezember 2016 Growth Hacking: So funktioniert das Marketing der Zukunft

Digital Business Law Bites # 10

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.

Haben Sie jemals Werbung für Uber, Dropbox oder Airbnb gesehen? Und trotzdem kennen und nutzen viele Konsumenten diese Dienstleistungen. Es ist interessant sich zu überlegen, woher man diese modernen Produkte kennt und weshalb man sie nutzt. Viele erfahren über ihre Freunde von diesen Services, lesen in Online-Medien darüber oder sehen auf Facebook und Co. Beiträge von begeisterten Kunden. Diese Marken wurden nie auf Werbeformaten in Online-, TV- oder Printmedien angepriesen: Die Vermarktung funktioniert anders und «Growth Hacking» spielt dabei eine wichtige Rolle.

Ein überzeugendes Produkt verkauft sich fast selber

Die Kunden von Uber und Co. haben oft ein überraschendes oder gar begeisterndes Kundenerlebnis, wenn sie die Dienstleistung das erste Mal nutzen. Davon berichten sie den Kolleginnen und tragen so die Botschaft weiter. Die Kunden agieren als Botschafter; so funktioniert das virale Marketing. Sie sprechen darüber, weil das Produkt- und Kundenerlebnis einzigartig ist. Der sog. «Product/Market fit» (PMF) ist optimal. Sean Ellis – VC Investor, Berater und CEO von Growthhackers.com, der die Begriffe Growth Hacking und Product/Market fit seit 2013 wesentlich geprägt und allgemein bekannt gemacht hat –  definiert den Begriff so: «PMF ist die Voraussetzung dafür, um Marketing effektiv skalieren zu können.»

Growth Hacking beginnt mit diesem Product/Market fit und beschäftigt sich iterativ damit. Ein erfolgreiches Produkt oder Kundenerlebnis ist nicht statisch, es soll sich entlang der dynamischen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Kunden laufend verbessern. Zu Beginn wurde die Uber-Rechnung durch einen einzigen Kunden bezahlt. Heute kann eine Fahrt unter Freunden einfach über die App aufgeteilt werden. Das ist praktisch und fördert die Viralität.

Die Viralität einer Dienstleistung kann durch ein enges Verzahnen von Produktmerkmalen und Marketingfunktionen gefördert werden. Konkret: Wenn ich einen neuen Dropbox-Kunden vermittle, bekommen wir beide ein Guthaben für gratis Speicherplatz. Uber vergibt Gutscheine für Freifahrten. Selbst Tesla nutzt diese Incentivierung der Kunden für den Verkauf von Neuwagen und investiert kein Geld für konventionelle Werbung. Die Kunden berichten als Evangelisten auf den sozialen Medien über ihre positiven Erlebnisse und bewerben das Produkt.  

Der Growth Hacker ist ein interdisziplinärer Macher

Growth Hacker sind unternehmerisch denkende Product Manager/Online Marketeers/Verkäufer. Sie nutzen die verschiedenen digitalen Möglichkeiten zur laufenden Verbesserung und Inszenierung der Produkte. Sie erstellen Inhalte, sind Spezialisten in Suchmaschinenoptimierung und -marketing (SEO, SEM) und fördern die Viralität auch über Social ­Media Marketing (Facebook Ads etc.). Die Arbeitsmethodik im Growth Hacking ist agil und Entscheide werden nach A/B-Tests faktenbasiert getroffen. Mit diesen Tests werden Varianten von E-Mails, Webpages oder digitalen Werbemitteln laufend miteinander verglichen. In der digitalen Welt ist alles messbar.

«Der Growth Hacker hat das Ziel, durch analytisches Denken und Fokus auf den Kunden das Wachstum des Unternehmens zu steigern, Conversions oder Verkäufe zu erhöhen.»
Stefan Steiner, Managing Director venturelab (IFJ)

Es ist besonders interessant, wenn man klassisch organisierte Marketing-/Produkt- und Verkaufs-Teams mit dem Ansatz des Growth Hacking vergleicht. Während die meisten Firmen nach Fach­gebieten organisiert sind, agiert ein Growth-Team interdisziplinär. Klassisch erarbeitet man Konzepte, Briefings und delegiert die Umsetzung von Werbe- oder Marketingmitteln häufig an Agenturen – das alles dauert seine Zeit und kostet viel Geld. Entscheide werden aufgrund von Meinungen und persönlichen Präferenzen oder vagen Erfahrungswerten getroffen. Aussagen wie: «Das gefällt mir aber gar nicht» oder «Diese Werbeidee hat einigen Kunden gefallen» hört man oft in klassischen Marketingmeetings. Es wird selten experimentiert und mit Daten argumentiert. Ein interdisziplinär arbeitendes Growth-Team generiert Ideen, setzt diese möglichst zügig und wenn immer möglich selbstständig um und sammelt Daten. Viele Experimente misslingen und so werden diese Ideen schnell verworfen. Man konzentriert sich auf die funktionierenden Ideen und optimiert diese mit A/B-Tests laufend weiter. Man arbeitet unentwegt daran, den besten «Hack» zu finden, um das Wachstum exponentiell zu beschleunigen.

Ein Growth Hacker ist bestrebt, Produkte und das Marketing mit digitalen Mitteln zu optimieren, ineinander zu verzahnen und soweit möglich zu automatisieren. Das Ziel besteht darin, eine Wachstumsmaschine zu bauen und diese laufend zu verbessern. Die Bezeichnung «Hacker» steht für sehr gute technische Kenntnisse bis hin zum Programmieren. Der Growth Marketeer ist bestrebt, krea­tive «Hacks» zu finden, mit welchen Wachstum generiert werden kann. Das kann bedeuten, dass im Web verfügbare Daten aggregiert, ausgewertet und für die Marketing-Automatisierung genutzt werden. Dies darf natürlich nur im gesetzlichen Rahmen des Datenschutzes und der Privatsphäre passieren.

Ist Growth Hacking bloss ein Modebegriff?

Kritische Meinungen gibt es noch wenige zu diesem Thema zu lesen. Ben Harmanus – Community ­Manager des Landingpage-Tools Unbounce.com – schrieb kürzlich einen Blogartikel zum Thema und erklärt darin, dass nur die wenigsten Personen die Fähigkeiten haben, um mit guten Programmierkenntnissen, Kreativität und unternehmerischem Denken tatsächlich Growth Hacks mit explosionsartigem Wachstum zu schaffen. Die meisten sogenannten Growth Hacker sind Community-, Content- oder Online-Marketing-Manager, die sich mit diesem modischen Jobtitel schmücken. Ich bin der Ansicht, dass es beim «Growth Hacking» um die altbekannten Mechanismen des Marketings geht, gepaart mit den digitalen Werkzeugen und einer agilen Arbeitsweise, die in der Software-Entwicklung schon seit Jahren angewandt wird. Es ist also doch mehrheitlich alter Wein in neuen Schläuchen. Trotzdem ist es meiner Meinung nach angebracht, mit einem neuen, frechmutigen Namen die gewohnte Arbeitsweise infrage zu stellen und sich wieder auf die Kernidee des Marketings zu besinnen.

In den USA gibt es bereits zahlreiche Firmen, die Growth-Teams beschäftigen. Dies erkennt man an den zahlreichen Jobangeboten in diesem Bereich. Auch in der Schweiz suchen Unternehmen vermehrt Growth Hacker, allen voran Start-ups, welche kosteneffizient einen globalen Absatzmarkt adressieren und entsprechend ihrer Firmengrösse und DNA agil arbeiten möchten.

Mehr zu diesem spannenden Thema erfahren Sie mit einer Suche nach «Growth Hacking» auf ­Google oder Youtube. Growthhackers.com von Sean Ellis ist eine wertvolle Quelle für Informationen. Auf Refind.com, einem Schweizer Start-up von Gründer Dominik Grolimund, findet man laufend lesens­werte Beiträge unter den Tags «Growth», «Growth Hacking» oder «Growth Marketing».

Gastautor:  Michel Kaufmann, JobCloud AG