Kapitalbezüge kurz nach Einkäufen in die Pensionskasse werden regelmässig als Steuerumgehung qualifiziert. Ausnahmen gibt es bei der Schliessung von Lücken aufgrund einer Scheidung.
Grundsätze
Einkäufe in die Pensionskasse (PK) können grundsätzlich vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Der Bezug unterliegt der Besteuerung, allerdings (zumindest aktuell noch) zu einem reduzierten Sondersteuersatz.
Um zu verhindern, dass PK-Versicherte nur aus steuerlichen Gründen einen Einkauf tätigen und den einbezahlten Betrag bereits kurze Zeit später mittels Kapitalbezug wieder beziehen, sieht das Gesetz eine dreijährige Sperrfrist vor: Das durch Einkauf eingebrachte Kapital sowie die darauf entfallenden Zinsen dürfen erst drei Jahre nach dem Einkauf als Kapitalbezug ausbezahlt werden (Art. 79b Abs. 3 BVG). Eine Auszahlung während der Sperrfrist führt dazu, dass der davor getätigte Einkauf steuerrechtlich als missbräuchlich und damit als Steuerumgehung eingestuft wird. Der Einkauf kann in diesem Fall nicht vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Wurde der Einkauf bereits in einer rechtskräftigen Veranlagung als Abzug akzeptiert, leitet die Steuerverwaltung ein Nachsteuerverfahren ein.
Von der dreijährigen Sperrfrist gibt es eine Ausnahme: Einkäufe, die aufgrund einer Scheidung entstehen, sind von der Sperrfrist ausgenommen (Art. 79b Abs. 4 BVG). Da solche Einzahlungen primär zur Schliessung einer durch die Scheidung entstandenen Lücke getätigt werden, dürfen diese Gelder bereits kurze Zeit später ohne steuerliche Nachteile bezogen werden. Allerdings gilt diese Ausnahme nicht absolut. Auch wenn eine durch Scheidung entstandene Lücke geschlossen wird, kann dieser Einkauf unter Umständen bei einem Kapitalbezug innerhalb von drei Jahren als Steuerumgehung gewertet werden. Die nachfolgenden Beispiele sollen die wesentlichen Aspekte aufzeigen.
BGer 9C_526/202 vom 29. Mai 2024
Die oben beschriebene Ausnahme führt dazu, dass die Steuerverwaltung bei PK-Einkäufen nach einer Scheidung abwägen muss, ob der Einkauf tatsächlich zur Schliessung der Lücke (man spricht von "Vorsorgecharakter") oder doch nur zur steuerlichen Optimierung getätigt wurde. Mit einer solchen Konstellation beschäftigte sich vor kurzem das Bundesgericht, welches folgenden Sachverhalt zu beurteilen hatte:
- A. wurde 2013 geschieden. Aus seiner PK wurden 600'000 CHF an seine Ex-Ehefrau überwiesen.
- Zur Schliessung der dadurch entstandenen PK-Lücke tätigte A. von 2013 bis 2020 jährliche Einkäufe von CHF 75'000.
- A. wurde per 31. Mai 2020 pensioniert und bezog kurz darauf rund CHF 1.3 Millionen aus seiner PK.
Die Steuerverwaltung verweigerte für den letzten Einkauf im Jahr 2020 (CHF 75'000) den Abzug vom steuerbaren Einkommen mit folgender Argumentation: Der Einkauf habe wegen des geplanten Kapitalbezugs keinen Vorsorgecharakter und wurde nur zwecks Steueroptimierung getätigt. Der Bezug erfolgte innerhalb der dreijährigen Sperrfrist.
Der Fall wurde bis vor Bundesgericht weitergezogen.Dieses bejahte die Abzugsfähigkeit des Einkaufs mit folgenden Argumenten:
- Der Einkauf 2020 war Teil eines langfristigen Plans. Diese Vorgehensweise sei wirtschaftlich sinnvoll und nicht ungewöhnlich.
- Das Gesetz lasse Kapitalbezüge kurz nach Einkäufen zu, wenn die Einkäufe zur Schliessung von Lücken getätigt werden, welche auf eine Scheidung zurückzuführen sind.
BGE 142 II 399
Aufgrund der Scheidung im Jahr 1999 überweis der Ehemann CHF 163'000 seines PK-Guthabens an seine Ex-Ehefrau. Im Jahr 2013 (rund 14 Jahre nach der Scheidung) tätigte der Ehemann einen Einkauf in seine PK im Umfang von CHF 81'500. Er finanzierte den Einkauf mit einem Darlehen seiner Mutter. Die Frühpensionierung und ein Kapitalbezug waren für das Jahr 2015 geplant.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass diesem Sachverhalt eine Steuerumgehung zugrunde lag und begründete seinen Entscheid wie folgt:
- Einkauf über 14 Jahre nach der Scheidung und kurz vor der Pensionierung.
- Keine erhebliche Verbesserung des Vorsorgeschutzes durch den Einkauf.
- Unübliche Finanzierung des Einkaufs mittels unbefristetem Darlehen der Mutter.
Fazit
Die beiden Bundesgerichtsentscheide zeigen auf, dass bei PK-Einkäufen nach einer Scheidung jeweils im Einzelfall geprüft werden muss, ob nicht doch die dreijährige Sperrfrist zur Anwendung kommt bzw. der Einkauf als Steuerumgehung beurteilt wird. Je nach Planmässigkeit des Vorgehens, Finanzierung, Vorgeschichte und zeitlicher Konstellation liegt ein vom Einkommen abziehbarer Einkauf oder eine Steuerumgehung vor. Auch bei Einkäufen nach einer Scheidung ist es deshalb wichtig, die Einkäufe sorgfältig zu gestalten, um das Risiko einer Beurteilung als Steuerumgehung zu minimieren.
Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das Steuer- und Sozialversicherungsteam gerne zur Verfügung.
Autoren: Lukas Henny, Nora Heuberger