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Kategorien: Immaterialgüterrecht, Blog
Unsere Serie "Online Enforcement" (*) thematisiert Besonderheiten bei der Durchsetzung von Rechten im Internet.
Bei online Rechtsverletzungen hat die Beseitigung der entsprechenden Inhalte für den Rechteinhaber regelmässig Priorität. Dank Schweizer Branchenstandards bieten Hosting-Anbieter Hand zur Blockierung des Zugangs zu rechtsverletzenden Inhalte ihrer Kunden.
Beseitigung als Priorität Werbung unter fremden Marken, die unerlaubte Verwendung urheberrechtlich geschützter Texte oder Bilder sowie ehrverletzende Aussagen sind häufige Kategorien von Rechtsverletzungen im Internet. Die online Publikation hat dabei grosses Schädigungspotential, da sich die Beiträge kostengünstig und rasch verbreiten lassen. Ein damit verbundener Nachteil, z.B. Marktverwirrung und Reputationsschäden, lässt sich oft nur schwer wieder ausgleichen. Darum möchten Rechteinhaber die entsprechenden Inhalte so rasch als möglich entfernen lassen. Die schnelle Beseitigung erhält dabei oft Priorität vor der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der verantwortlichen Person.
Die Identifikation von Webseitenbetreibern oder Domainhaltern ist oft schwierig (siehe dazu unser Beitrag aus der Reihe "Online Enforcement"). Neben der veröffentlichenden Person (dem Inhaltsanbieter oder "Content-Provider") sind aber weitere Personen involviert: Access-Provider verschaffen dem Content-Provider Zugang zum Internet. "Klassische" Hosting-Anbieter bieten Softwareapplikations- oder Internetdienste an und stellen ihren Kunden z.B. Speicherplatz zur Bewirtschaftung von Webseiten zur Verfügung. Hosting- und Access-Provider stehen dem Inhalt dabei nicht so nahe wie die Content Provider. Neben der veröffentlichenden Person selbst, kann rein technisch gesehen aber in vielen Fällen gerade auch ein Hosting-Anbieter den Zugriff auf die betroffenen Inhalte (vorübergehend) sperren.
Unklare Pflichten der Hosting-Anbieter Rechtsverletzungen im Internet haben grenzüberschreitende Auswirkungen und die involvierten Akteure sind oft in unterschiedlichen Ländern ansässig. Es ist sowohl für Rechteinhaber als auch für Intermediäre wie Hosting-Anbieter unmöglich, die international unterschiedliche Ansätze und Regeln für die Haftung von Hosting-Anbietern und anderen Intermediären zu überblicken. Das Spektrum der möglicherweise haftungsbegründenden Hosting-Dienstleistungen reicht dabei vom Hosting von Webseiten mit zur Verfügung stellen von Serverplatz bis hin zum Betrieb von Plattformen (z.B. Google, Twitter, Facebook), wobei die Grenzen zwischen Content-, Hosting- und Access-Providern fliessend sein kann. Eine gute Übersicht über die nationalen Regeln bietet die Landkarte zur Haftung von Intermediären des Center for Internet and Society (CIS) der Stanford Law School in Kalifornien, USA.
In der Schweiz bestehen (noch) keine spezifische zivil- oder strafrechtliche Gesetzesbestimmungen, welche die Verantwortlichkeit der klassischen Hosting- oder Access-Provider für rechtsverletzende Inhalte ihrer Kunden festhält. Ebensowenig kennt das Schweizer Recht Immunitätsregeln zugunsten von Hosting-Anbietern (anders als z.B. die USA). Im bisher deutlichsten Urteil des Bundesgerichts (BGer 5A_792/2011) traf die Tribune de Genève eine Pflicht zur Beseitigung persönlichkeitsverletzender Blogbeiträge Dritter, welche sie auf ihrer Webseite ermöglichte. Eine eigentliche Schadenersatzpflicht gegenüber dem verletzten Dritten begründet auch dieses Urteil nicht. Für derartige Ansprüche müsste insbesondere ein eigentliches Verschulden des Hosting-Anbieters vorliegen.
Dilemma der Hosting-Anbieter Hosting-Anbieter in der Schweiz tragen vor allem Haftungsrisiken gegenüber ihren Kunden, denen gegenüber sie sich zur sorgfältigen Erbringung der vereinbarten Dienstleistungen verpflichten. Hosting-Anbieter sind darum zurückhaltend, vorschnell Inhalte zu blockieren, welche Dritten nicht genehm sind. Hosting-Anbieter haben aber auch Interesse daran, ihre Produkte und Dienste nicht für reputationsschädigende oder gar illegale Praktiken zur Verfügung stellen. In dieser Zwickmühle sind die Hosting-Anbieter nur schon aus Kapazitätsgründen regelmässig nicht in der Lage zu entscheiden, welche Partei in einer Auseinandersetzung die besseren Rechte (und Argumente) hat. Gerade die in der Schweiz ansässigen Hosting-Anbieter sind vor allem kleinere und mittlere Unternehmen. Sie verfügen kaum über eine eigene Rechts- oder Compliance-Abteilung und können keine Richterfunktion ausüben (siehe dazu auch den Bericht des Bundesrates über "Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Providern" vom 11. Dezember 2015, S. 7 f.).
Effiziente und effektive Selbstregulierung Um die effiziente Beseitigung rechtsverletzender Inhalte zu ermöglichen und gleichzeitig die berechtigten Interessen der Content-Provider zu wahren, haben sich die Schweizer Hosting-Anbieter bereits 2013 einen entsprechenden Branchenstandard auferlegt in Form eines "Code of Conduct Hosting" (CoC Hosting) der simsa Swiss Internet Industry Association.
Das darin vorgesehene "Notice-and-Notice"-Verfahren erlaubt es Rechtsinhabern oder betroffenen Personen, den Hosting-Anbieter über den angeblichen Rechtsverstoss seines Kunden mittels formalisierter Mitteilung (Notice) zu informieren. Der Hosting-Anbieter leitet die Meldung an den Kunden weiter mit der Aufforderung, entweder die kritisierten Inhalte zu entfernen oder innert gesetzter Frist eine Stellungnahme (Counter Notice) zuhanden des Dritten abzugeben.
Im "Notice-and-Takedown"-Verfahren kann der Hosting-Anbieter den Zugang zur betroffenen Webseite nach eigenem Ermessen ganz oder teilweise (vorübergehend) sperren (Takedown). Der Sperrung kann die Aufforderung zur Stellungnahme vorangehen oder nicht. Der Hosting-Anbieter kann Inhalte auch (direkt) blockieren, z.B. in klaren Fällen bzw. falls mit hoher Wahrscheinlichkeit unzulässige Inhalte betroffen sind oder sich der Hosting-Anbieter selber strafrechtlich verantwortlich oder zivilrechtlich haftbar macht. Der Hosting-Anbieter informiert seinen Kunden auf jeden Fall unmittelbar vor oder nach der Sperrung. Der Hosting-Provider trifft die Entscheidung nach eigenem Ermessen und mit dem Massstab eines juristischen Laien. Dazu gehört insbesondere auch der freie Entscheid, ob der Hosting-Anbieter die zuständigen Behörden (z.B. die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität KOBIK des Bundes) informiert. Den entsprechenden Haftungsausschluss, bzw. die Befugnis, nach dem CoC Hosting Inhalte zu blockieren, lassen sich die Hosting-Anbieter von ihren Kunden vertraglich einräumen.
Die Instrumente des CoC Hosting haben sich in der Praxis bewährt. Sie versagen aber dort, wo Inhalte nicht über Server von Hosting-Anbietern, sondern über Peer-to-Peer-Netzwerke geteilt werden. Aber auch in klassischen Hosting-Situationen bietet die Schweizer Branchenlösung nur Handhabe, soweit sich der betroffene Hosting-Anbieter der Selbstregulierung unterworfen hat. Zudem orientieren sich rechtsverletzende Publikationen im Internet nicht an Landesgrenzen.
Neue Pflichten im Urheberrecht Das Problem der Internationalität von Rechtsverletzungen im Internet löst auch der aktuelle Vorschlag zur Revision des Schweizer Urheberrechts (Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Urheberrechtsgesetz, URG; siehe den Entwurf zum neuen URG) nicht. Zur effektiveren Durchsetzung von Urheberrechten bei online Rechtsverletzungen sieht der aktuelle Revisionsvorschlag aber erstmals konkrete Pflichten für Hosting-Anbieter (und Access-Provider) vor. Jeder Hosting-Anbieter, der "Urheberrechtsverletzungen zu seinem Geschäftsmodell" macht, muss nach dem Revisionsvorschlag dafür sorgen, dass einmal entfernte Inhalte auch entfernt bleiben (sog. "Staydown", vgl. Art. 39d Entwurf zum neuen URG und Botschaft des Bundesrates zur Revision URG, BBl 2018 591 600).
Neben dieser spezifischen Regelung für das Urheberrecht verzichtet die Schweiz vorläufig aber auf eine allgemeine gesetzliche Pflicht und Haftungsregeln für Hosting-Anbieter (vgl. zur zivilrechtlichen Betrachtung der Bericht des Bundesrates bereits 2015). Rechteinhaber bzw. betroffene Personen können sich in der Schweiz über das effiziente System der Selbstregulierung an den Hosting-Anbieter wenden und den Zugang zu rechtsverletzenden Material zumindest vorübergehend (bis zur Streiterledigung vor Gericht oder einer behördlichen Anordnung) sperren lassen.
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Autorin: Delia Fehr-Bosshard
Rechtsanwalt
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