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24. Mai 2017

Die Prospektpflicht der Zukunft: Strengere Anforderungen, mehr Ausnahmen

Wenn Aktien oder Obligationen öffentlich angeboten oder an der Börse kotiert werden, muss ein Prospekt erstellt werden. Dieser als Prospektpflicht bekannte Grundsatz wird mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) revidiert und den europäischen Vorgaben angeglichen. Der Entwurf des Bundesrates (E-FIDLEG) zeigt, dass die Anforderungen an den Prospekt spürbar steigen werden. Im Gegenzug ist eine Reihe von Ausnahmefällen vorgesehen, in denen kein Prospekt erstellt werden muss. Wie grosszügig diese Ausnahmen ausfallen sollen, ist teilweise umstritten und wird dieses Jahr im Parlament diskutiert.

Der Grundsatz: Eine Prospektpflicht für alle Effekten
Wenn Effekten in der Schweiz oder von der Schweiz aus öffentlich zum Erwerb angeboten oder auf einem Handelsplatz zum Handel zugelassen werden, muss vorgängig ein Prospekt veröffentlicht werden. So lautet der Grundsatz gemäss dem E-FIDLEG. Die punktuelle Regelung im geltenden Obligationenrecht (OR) wird damit ersetzt durch eine grundsätzlich einheitliche Prospektpflicht für alle Effekten, d.h. für alle vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeigneten Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten. Erfasst sind im Prinzip also alle umlauffähigen Beteiligungs- und Forderungspapiere.

Zu jedem Grundsatz gibt es (mindestens) eine Ausnahme und das wird auch beim FIDLEG so sein. Darauf wird noch zurückgekommen.

Spürbar strengere Anforderungen an den Prospekt
Wenn die Prospektpflicht greift, zieht dies eine Reihe von Anforderungen mit sich, die im Vergleich zum geltenden Recht insgesamt merklich strenger sind. Neben dem Basisinformationsblatt für gewisse Finanzinstrumente (auf das hier nicht weiter eingegangen wird), stechen folgende Neuerungen gemäss dem Entwurf des Bundesrates besonders heraus:

  • Inhaltliche Vorgaben: Im Prospekt müssen die für einen Anlageentscheid wesentlichen Angaben zum Emittenten (sowie zu einem allfälligen Garantie- oder Sicherheitengeber), den Effekten und dem Angebot aufgeführt werden. Der Prospekt muss zudem eine verständliche Zusammenfassung enthalten. Welche Angaben wesentlich sind, welche Informationen in die Zusammenfassung gehören und wie das Format auszusehen hat, wird noch in einer Verordnung des Bundesrates zu regeln sein.
     
  • Vorgängige Prüfung: Der Prospekt muss grundsätzlich vor seiner Veröffentlichung von einer unabhängigen Prüfstelle geprüft werden. Diese untersucht in der Regel innert maximal 20 Kalendertagen, ob der Prospekt vollständig, kohärent und verständlich ist. Sie übernimmt aber keine Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit. Nicht geprüft werden müssen Prospekte inländischer kollektiver Kapitalanlagen sowie Prospekte, die in gewissen ausländischen Rechtsordnungen bereits genehmigt wurden. Die Prüfstelle wird eine Liste dieser Länder führen und veröffentlichen.
     
  • Werbung: In der Werbung für ein Finanzinstrument muss darauf hingewiesen werden, falls ein Prospekt erstellt wurde und gegebenenfalls wo dieser bezogen werden kann. Die Werbung muss selbstverständlich mit den Angaben im Prospekt übereinstimmen.


Ausgewählte Ausnahmen und Erleichterungen
Emittenten, die auf den europäischen Markt ausgerichtet sind, orientieren sich in der Praxis bereits heute an den europäischen Vorgaben, denen das FIDLEG nachgebildet ist. Besonders für kleinere Emittenten und kleinvolumige Emissionen werden die neuen Vorschriften im FIDLEG aber eine Herausforderung darstellen. Für die Vitalität des schweizerischen Emissionsmarkts erscheint es daher sinnvoll, dass die strengeren Anforderungen begleitet werden durch eine Reihe von Ausnahmen und Erleichterungen. Diesen Ansatz verfolgt auch die zuständige Kommission des Nationalrats: sie will gewisse Ausnahmen grosszügiger ausgestalten als Bundes- und Ständerat.

Der Ausnahmekatalog im E-FIDLEG ist lang und reichhaltig. Die allgemeine Stossrichtung lässt sich mit folgenden Beispielen verdeutlichen, in denen kein Prospekt veröffentlicht werden muss:

  • wenn sich das öffentliche Angebot nur an professionelle Kunden (Finanzintermediäre, Versicherungsunternehmen, Zentralbanken sowie öffentlich-rechtliche Körperschaften, Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen mit professioneller Tresorerie) richtet;
  • wenn sich das öffentliche Angebot an eine beschränkte Anzahl von Privatkunden (weniger als 150 gemäss dem E-FIDLEG, weniger als 500 gemäss der Kommission des Nationalrats) richtet;
  • wenn das öffentliche Angebot eine hohe Mindeststückelung (CHF 100'000) oder über einen Zeitraum von 12 Monaten berechnet einen tiefen Gesamtwert (CHF 100'000 gemäss dem E-FIDLEG, CHF 2.5 Millionen gemäss der Kommission des Nationalrats) aufweist;
  • bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, gewissen Umtauschangeboten und Umstrukturierungen, sofern bestimmte Informationen anderweitig vorliegen; und
  • bei Kassenobligationen, Geldmarktinstrumenten (Effekten mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr), sowie Derivaten, die nicht in Form einer Emission angeboten werden.


Bedeutung für die Praxis
Das korrekte Erstellen von Prospekten wird unter dem FIDLEG anspruchsvoller werden: die vorgeschlagene Regelung ist nicht zuletzt in den Details komplex. Die Pflicht zur vorgängigen Prüfung des Prospekts bedeutet ein Mehr an Kosten und Vorlaufzeit. Die unabhängige Prüfstelle kann aber auch Chance sein: sie kann helfen, Fehler frühzeitig zu erkennen und soll Kompetenzen erhalten, welche einen unbürokratischen Ansatz zumindest erlauben. Regelmässige Emittenten sollten die weitere Entwicklung des FIDLEG, das sich in der parlamentarischen Beratung befindet, aufmerksam verfolgen.

Autoren: David Weber, Jana Essebier

Kategorien: Banken- und Finanzmarktrecht, Blog

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