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9. Mai 2023 Die globale Mindestbesteuerung kommt

Ab 1. Januar 2024 gelten die Vorschriften der zu der globalen Mindestbesteuerung wohl auch für Schweizer Unternehmen

Die beabsichtigte Umsetzung der Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Marktstaaten (Pillar One) und der globalen Mindeststeuer (Pillar Two) machte im Jahr 2022 grosse Fortschritte. Während der Zeitpunkt der Einführung von Pillar One ebenso wie die Frage, ob es überhaupt zu einer Einführung kommt, noch unsicher ist, wird Pillar Two mit grosser Wahrscheinlichkeit ab dem 1. Januar 2024 in der EU, der Schweiz und anderen Staaten in Kraft treten. Ende 2022 veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) insbesondere sogenannte "Safe Harbour Rules", welche in gewissen Fällen für Konzerne wesentliche Erleichterungen vorsehen. Im Februar 2023 veröffentlichte die OECD die "Administrative Guidance", welche den Unternehmen und Steuerbehörden weitere Klarstellungen zur Umsetzung der Mindeststeuer brachte. Daneben hat das Schweizer Parlament das vom Bundesrat vorgeschlagene Vorgehen zur Umsetzung von Pillar Two gutgeheissen.

Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten und globale Mindestbesteuerung

142 Staaten der OECD und der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20), das sogenannte "Inclusive Framework" – darunter die Schweiz –, haben einer umfassenden globalen Steuerreform zugestimmt. Mit der globalen Steuerreform sollen eine weltweite Umverteilung der Gewinne multinationaler Konzerne mit einem Umsatz von über 20 Milliarden Euro (Pillar One) und eine globale Mindestbesteuerung von 15 % für multinationale Konzerne mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro (Pillar Two) eingeführt werden. Die Umsetzung der Reform wird die Unternehmen, aber auch die Staaten vor grosse Herausforderungen stellen.

Folgende Key-Take-Aways können aus den Entwicklungen im Jahr 2022 bis Ende April 2023 gezogen werden:

  • Einführung der globalen Mindeststeuer per 1. Januar 2024
    Die Staaten der europäischen Union und wohl auch die meisten übrigen OECD Staaten werden die globale Mindeststeuer per 1. Januar 2024 einführen. In der Schweiz erfordert die Einführung und Umsetzung der globalen Mindeststeuer eine Verfassungsänderung, über die das Schweizer Volk am 18. Juni 2023 abstimmen wird. Bei einer Annahme wird die Schweiz die globale Mindeststeuer voraussichtlich ebenfalls zum 1. Januar 2024 einführen.
  • Transitional Safe Harbour Rules
    Für Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen, soll gemäss OECD eine vereinfachte Abklärung, ob eine Pflicht zur Zahlung einer zusätzlichen Steuer besteht, möglich sein. Dazu wird auf Daten aus dem Country by Country Reporting abgestützt. Diese Transitional Safe Harbour Rules sind eine willkommene Erleichterung, allerdings nur, wenn bereits im Vorfeld mit grosser Wahrscheinlichkeit klar ist, dass der Konzern in einem Staat einen der drei vorgesehenen Tests erfüllt. Ist dies unsicher, müssen die zur Berechnung der globalen Mindeststeuer notwendigen Daten trotzdem bereitgestellt werden, um gegebenenfalls eine detaillierte Berechnung der globalen Mindeststeuer zu ermöglichen.
  • GloBE Information Return
    Im Dezember 2022 hat die OECD eine Steuererklärung (GloBE Information Return) veröffentlicht, mittels welcher die Konzerne den nationalen Steuerbehörden, die für die Erhebung der globalen Mindeststeuer notwendigen Information mitteilen sollen. Der systematische Aufbau der Steuererklärung hilft, die praktische Berechnung der globalen Mindeststeuer und die dafür notwendigen Informationen zu verstehen.
  • Administrative Guidance
    Die von der OECD im Februar 2023 veröffentlichte Administrative Guidance stellt unter anderem klar, dass die US-Mindeststeuer (Global Intangible Low Taxed Income [GILTI]) nicht als gleichwertig zu der globalen Mindeststeuer angesehen wird. Für Konzerne mit Sitz in den USA kann dies unter Umständen zu Doppelbesteuerungen ihrer Gewinne führen. Für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist die in der Administrative Guidance veröffentlichte "Equity Investment Inclusion Election" erfreulich, welche das System des Beteiligungsabzugs mit der OECD Mindeststeuer kompatibel macht. Die Administrative Guidance enthalten weiter hilfreiche Klarstellungen zu möglichen Umsetzungsfragen.

Nachfolgend wird auf die Entwicklungen im Bereich von Pillar One und Pillar Two seit Beginn des Jahres 2022 bis Ende April 2023 im Detail eingegangen.

1. Pillar One

Pillar One wird dazu führen, dass Unternehmen auch dann in einem Staat steuerpflichtig werden, wenn sie in diesem Staat über keine physischen Einrichtungen wie Büros, Fabriken oder andere Räumlichkeiten verfügen. Sie soll somit eine «gerechte» Besteuerung von Umsätzen aus digitalen Dienstleistungen, wie z. B. Netflix oder Amazon sicherstellen. Pillar One betrifft aber nicht nur die Gewinne aus solch digitalen Umsätzen. Grosse Konzerne werden nämlich ganz generell einen von der OECD definierten Übergewinn in den Markstaaten versteuern müssen – Ausnahmen sind nur für Unternehmen in den Branchen des Rohstoffabbaus und der regulierten Finanzindustrie vorgesehen. Mindestens 25 % des Gewinnes, welcher 10 % des Umsatzes übersteigt, der Betrag A, soll unabhängig vom Vorhandensein einer physischen Präsenz in den Staaten besteuert werden, in welchen die Umsätze erzielt werden.[1] Daneben enthält Pillar One auch noch einen sogenannten "Betrag B", welcher einen vereinfachten Fremdvergleichsgrundsatz vorsieht, um die lokal vom Unternehmen erbrachten Routine-Marketing und Vertriebstätigkeiten abzugelten und um die Unternehmen vom heute noch notwendigen Nachweis des Fremdvergleichs zu entlasten. Dieser Betrag B wird voraussichtlich als Prozentsatz vom im Markt erzielten Umsatz festgelegt werden (sogenannte "Transactional Net Margin Method").[2] Daneben wird Pillar One auch einen Streitbeilegungs- und Präventionsmechanismus für den Betrag A enthalten, so dass eine Doppelbesteuerung des gleichen Gewinns durch zwei oder mehr Staaten verhindert werden soll. Staaten, welche Pillar One einführen wollen, werden sich voraussichtlich verpflichten müssen, bereits eingeführte (Umsatz-)Steuern auf digitalen Umsätzen aufzuheben.[3]

Im Jahr 2022 hat die OECD mehrere öffentliche Konsultationen bei ihren Mitgliedsstaaten und anderen Stakeholdern zu den geplanten Mustervorschriften durchgeführt, mittels welchen Pillar One implementiert werden soll.

Diese öffentlichen Konsultationen betrafen die Mustervorschriften zu (i) der Bestimmung der steuerlichen Anknüpfung und geographischen Herkunft der Erträge (Nexus and Sourcing), (ii) der Ermittlung der Bemessungsgrundlage (Tax Base Determination), (iii) dem Umfang der Besteuerung (Scope), (iv) der Definition einer Ausnahme von Pillar One für Unternehmen, welche direkt im Bereich Rohstoffabbau (Bergbau, Öl- und Gas) tätig sind (Extractive Exclusion), (v) der Definition einer Ausnahme für die Finanzindustrie (Regulated Financial Services Exclusion), (vi) den Regelungen zur Verhinderung von Doppelbesteuerungen (Tax Certainty Aspects), (vii), der Bestimmung des Betrags B und (viii) einem für Mitte 2023 geplanten multilateralen Übereinkommen, mittels welchem sich die Staaten zur Einführung der Pillar One unter gemeinsamen Regeln verpflichten sollen. Ausserdem wurden 2022 im Juli und im Oktober jeweils Zwischenberichte über den aktuellen Stand zu der Bestimmung des Betrags A veröffentlicht.

Einführung von Pillar One unsicher

Die OECD hofft, dass sich genügend Staaten des Inclusive Frameworks im Rahmen einer multilateralen Übereinkunft Mitte 2023 auf die Einführung von Pillar One und die vorgenannten Mustervorschriften einigen werden, so dass Pillar One per 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Ob dieser ehrgeizige Zeitplan eingehalten werden kann, ist derzeit schwer zu beurteilen – eventuell verschiebt sich die Einführung auf 1. Januar 2025 oder Pillar One kommt gar nicht. Klar ist, dass je länger sich die Einführung von Pillar One hinzieht, desto mehr werden die Staaten unilateral Steuern auf Umsätzen aus digitalen Dienstleistungen einführen. Die Staaten benötigen laufend höhere Mittel für staatliche Beihilfen für Covid-19, Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation und andere Ausgaben. Falls die Staaten jedoch unilateral wieder eigene Steuern auf digitalen Umsätzen einführen, birgt dies für die Unternehmen die Gefahr von Doppelbesteuerungen. Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass insbesondere die USA auf die Einführung solcher Steuern mit Gegenmassnahmen reagiert. Ohne eine koordinierte Einführung von Pillar One sind daher zukünftig vermehrt Handelskonflikte zu erwarten.

2. Pillar Two

Pillar Two wird eine globale Mindeststeuer von 15 % einführen. Dieser Mindeststeuersatz wird auf Stufe der jeweiligen Staaten und nicht auf Stufe der einzelnen Unternehmen berechnet (jurisdictional blending). Für die Berechnung des effektiven Steuersatzes (Global Anti Base Erosion Effective Tax Rate [GloBE ETR]) werden dabei vereinfacht die von den Konzerngesellschaften und Betriebsstätten im jeweiligen Staat bezahlten und von der OECD anerkannten Steuern (Covered Taxes) ins Verhältnis zu den von diesen Unternehmen im jeweiligen Staat erzielten Gewinnen gesetzt (GloBE-Income). Um der vorhandenen Substanz des Konzerns vor Ort Rechnung zu tragen, soll ein Teil des Gewinns, je 5 % auf dem Buchwert der Sachanlagen und auf dem Personalaufwand ausschliesslich dem Sitzstaat zugewiesen werden (Substance-based Carve Outs). Zudem werden für die Berechnung der globalen Mindeststeuer der steuerbare Gewinn und das steuerbare Nettoeinkommen nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard, z. B. IFRS, US GAAP oder Swiss GAAP FER, und nicht der Gewinn nach der lokalen Gesetzgebung, wie z. B. das Schweizerische Handelsrecht, massgeblich sein. Beträgt der so berechnete effektive Steuersatz weniger als 15 %, so sorgt ein ausgefeiltes Regelwerk dafür, dass die Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Mindeststeuersatz, die Ergänzungssteuer (Top-up Tax), schliesslich trotzdem erhoben wird:

  • Falls der Sitzstaat dieser Unternehmen selbst eine nationale Ergänzungssteuer eingeführt hat (Qualified Domestic Minimum Top-up Tax bzw. QDMTT), hat der Sitzstaat das Recht, die Ergänzungssteuer selbst zu erheben;
  • Hat der Sitzstaat keine nationale Ergänzungssteuer eingeführt, so hat der Sitzstaat der obersten Muttergesellschaft (Ultimate Parent Entity bzw. UPE) das Recht, eine internationale Ergänzungssteuer zu erheben, bis die Mindeststeuer bezogen auf diese Unternehmen erreicht wird (Income Inclusion Rule bzw. IIR);
  • Erhebt der Sitzstaat der obersten Muttergesellschaft keine internationale Ergänzungssteuer, so haben die Staaten in welcher sich die darunterliegenden Muttergesellschaften (Sub-Holdings) befinden aufgrund der IIR das Recht, diese Unternehmen zu besteuern, falls diese Staaten die globale Mindeststeuer eingeführt haben;
  • Ist keine IIR anwendbar, weil z.B. weder der Staat der obersten Muttergesellschaft noch die Staaten der darunterliegenden Zwischengesellschaften eine IIR erheben, so kann die Differenz zu der Mindeststeuer von sämtlichen Staaten erhoben werden, in welchen sich Unternehmen des Konzerns befinden und welche die sogenannten "Under taxed Payment Rule" (UTPR) eingeführt haben. Falls mehrere Staaten die UTPR erheben, so wird diese anhand der in diesen Staaten vorhandenen Substanz – Personalaufwand und Sachanlagen – verteilt.

Daneben enthält Pillar Two auch eine sogenannte "Subject to Tax Rule" (STTR), welche in den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen festgeschrieben werden soll. Die STTR soll gewissen wirtschaftlich schwachen Staaten erlauben, eine zusätzliche nicht rückforderbare Quellensteuer auf Lizenz-, Zins- oder ähnlichen Zahlungen zu erheben, falls diese Zahlungen im Empfängerstaat mit einem statutarischen Steuersatz von unter 9% besteuert werden.

3. Pillar Two: Entwicklungen 2022

Im Jahr 2022 nahm die Umsetzung der globalen Mindeststeuer konkrete Formen an. Noch im Dezember 2021 hat die OECD ihre Mustervorschriften zur Implementierung inkl. Berechnung der Mindeststeuer veröffentlicht (Global Anti-Base Erosion (GloBE) Rules – Pillar Two).[4] Im März 2022 wurde der Kommentar zu diesen Mustervorschriften veröffentlicht, welcher auch einzelne Beispiele zur Umsetzung und Berechnung der Mindeststeuer enthielt. Im April 2022 führte die OECD eine öffentliche Konsultationsveranstaltung über das Vorgehen zur Implementierung der Mindeststeuer durch. [5] Die bei dieser Veranstaltung besprochenen Punkte führten schliesslich im Dezember 2022 zur Veröffentlichung von drei wichtigen Dokumenten, welche die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung weiter konkretisieren: (i) Safe Harbour and Penalty Relief, (ii) Tax Certainty for the GloBE rules und (iii) GloBE Information Return.

Safe Harbour and Penalty Relief [6]

Die OECD schlägt vor, dass für einen Übergangszeitraum, für Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen, die Pflicht zur Zahlung einer Ergänzungssteuer vereinfacht abgeklärt werden kann, ohne die umfangreichen Vorschriften von Pillar Two berücksichtigen zu müssen. Die Konzerne, welche von ihrer Grösse her unter die globale Mindeststeuer fallen, müssen bei Erfüllen bestimmter Bedingungen keine Ergänzungssteuer zahlen. Die zur Prüfung dieser Bedingungen notwendigen Daten sollen vor allem dem Country-by-Country Reporting (CbCR) entnommen werden können, welche diese Konzerne bereits heute erstellen und mit den Steuerverwaltungen austauschen müssen.[7] Zur Berechnung der nachfolgenden Tests sollen diese Daten nur noch geringfügig angepasst werden. So sind z. B. Steuern, die gemäss den GloBE-Mustervorschriften nicht berücksichtigt werden dürfen, z. B. Rückstellungen für unsichere Steuerpositionen vom Steueraufwand, der im CbCR für einen Staat gemeldet wurde, abzuziehen. Latenter Steueraufwand wird jedoch berücksichtigt. Daneben sollen die Staaten aber auch das Recht erhalten, eine Berechnung auf Basis des CbCR eines Konzerns abzulehnen, falls dieses bestimmten Mindeststandards nicht genügt. Ausserdem bestehen Sonderregeln, falls sich in einem Staat Unternehmenseinheiten befinden, welche unter dem CbCR oder den GloBE-Mustervorschriften nicht berücksichtigt werden (z. B. Unternehmenseinheiten, die verkauft werden sollen [held for sale]). Während der Übergangszeit soll bei Erfüllen eines der folgenden Tests auf die Erhebung einer Ergänzungssteuer, in den Staaten in welchen einer der Tests erfüllt wurde, verzichtet werden (Transitional CbCR Safe Harbour):

De minimis test:
Der Umsatz im einzelnen Staat beträgt weniger als 10 Millionen Euro und der in diesem Staat erzielte Gewinn ist unter 1 Million Euro oder im Staat wird ein Verlust erzielt.

Simplified ETR test:
Der auf Basis des CbCR nach Vornahme der erwähnten Korrekturen ermittelte effektive Steueraufwand in einem Staat muss mindestens gleich hoch sein wie der von der OECD definierte Übergangssatz (2024: 15%, 2025: 16%, 2026: 17%).

Routine profits test:
Der in einem Staat erzielte Gewinn vor Steuern ist gleich hoch oder kleiner als der vorerwähnte Substance-based Carve Out. Der von den Konzerneinheiten im Staat erzielte Gewinn übersteigt in diesem Fall den Routine-Gewinn nicht. Wird in einem Staat insgesamt ein Verlust realisiert, so ist dieser Test ebenfalls erfüllt.

Sofern das CbCR des Konzerns von der lokalen Steuerbehörde anerkannt wird, bietet der Transitional CbCR Safe Harbour eine willkommene Erleichterung von den umfangreichen Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit der globalen Mindestbesteuerung – sofern der Konzern einen der vorgenannten Tests erfüllt. Allerdings lässt sich erst nach Abschluss eines Geschäftsjahres definitiv bestimmen, ob der Transitional CbCR Safe Harbour erfüllt wird. Wird Ende Jahr festgestellt, dass dies nicht der Fall ist oder beurteilt die lokale Steuerbehörde eines Staates das CbCR als ungenügend, so muss der Konzern trotzdem sämtliche Dokumentationspflichten der globalen Mindestbesteuerung erfüllen. Die Konzerne werden also meist nicht umhinkommen, sicherzustellen, dass die zur Erfüllung der umfangreichen Dokumentationsvorschriften notwendigen Daten erhoben werden und falls nötig Ende Jahr zur Verfügung stehen.

Neben dem Transitional CbCR Safe Harbour soll auch eine definitive Regelung (Permanent Safe Harbour) bzw. ein Simplified Calculations Safe Harbour eingeführt werden. Die dazu notwendigen Berechnungen sollen dabei nicht an die Daten aus dem CbCR knüpfen, sondern auf einer vereinfachten Bemessung des Gewinns, des Umsatzes und der Steuern beruhen.

Trotzdem sollen die auf diesen vereinfachten Daten basierenden Berechnungen zum selben Ergebnis wie diejenigen unter den umfangreichen Regeln der globalen Mindestbesteuerung führen. Der Simplified Calculations Safe Harbour besteht wiederum aus den vorgenannten drei Tests, von welchen wenigstens ein Test zu erfüllen ist. Der für den Simplified ETR Test zu erfüllende effektive Steuersatz wird dem globalen Mindeststeuersatz, zurzeit bei 15 %, entsprechen. Bislang hat die OECD aber erst allgemeine Grundsätze zur vereinfachten Bemessung bestimmt, ohne konkrete Vorschläge dazu abzugeben. Es ist abzuwarten, wie gross die Vereinfachungen letzten Endes sein werden. Ausserdem arbeitet das Inclusive Framework zurzeit an einem Qualified Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT) Safe Harbour, welcher es Konzernen erlauben würde, auf die Einreichung einer GloBE-Berechnung (für den jeweiligen Staat) zusätzlich zur Berechnung der nationalen Ergänzungssteuer zu verzichten. Schliesslich sollen gemäss dem Vorschlag der OECD in der Übergangsphase Sanktionen entfallen, wenn ein Konzern «angemessene Massnahmen» unternommen hat, um eine korrekte GloBE-Steuererklärung abzugeben.

Tax Certainty for the GloBE rule [8]

Pillar Two, also die globale Mindestbesteuerung, soll von den Mitgliedern des Inclusive Frameworks nach gemeinsamen Regeln, den GloBE-Mustervorschriften (Model Rules), umgesetzt, also in die Steuergesetze der teilnehmenden Staaten aufgenommen werden. Jeder Staat implementiert diese Model Rules selbständig in seine Gesetze und Verordnungen. Die konsistente Umsetzung soll in erster Linie durch die gemeinsamen Model Rules, dem Kommentar dazu und weiteren gemeinsam vereinbarten Regeln, wie z. B. die vorgenannten Transitional CbCR Safe Harbour sichergestellt werden. Es ist jedoch bereits heute klar, dass die Model Rules in den Staaten unterschiedlich interpretiert werden und dadurch Gewinne doppelt besteuert werden könnten, z. B. wenn ein Staat eine nationale Ergänzungssteuer und der andere Staat auf dem gleichen Einkommen eine internationale Ergänzungssteuer erhebt, weil er die nationale Ergänzungssteuer des anderen Staates nicht anerkennt. Die OECD möchte daher staatenübergreifende Konfliktlösungsmechanismen einführen, die solche Kontroversen möglichst vermeiden (dispute prevention mechanisms) oder im Nachhinein lösen (dispute resolution mechanisms). Zu den dazu von ihr vorgeschlagenen Instrumenten hat sie am 20. Dezember 2022 eine öffentliche Konsultation gestartet. Wichtigstes Instrument zur Vermeidung von Konflikten soll gemäss dem Vorschlag der OECD ein multilateraler Prüfprozess werden, durch welchen die Umsetzung der GloBE-Regeln, also der IIR, QDMTT und UTPR, in den Staaten geprüft und diese Staaten als konform bestätigt werden (Qualified Rule Status). Bei der Lösung von Doppelbesteuerungskonflikten wird unter anderem vorgeschlagen, ein ähnliches System wie das heute von den Doppelbesteuerungsabkommen bekannte Verständigungsverfahren einzuführen, wo der Konzern bei einem Besteuerungskonflikt seinen Fall präsentieren kann und sich die betroffenen Staaten danach auf eine gemeinsame Lösung einigen müssen. Dies ändert nichts daran, dass über Jahre Unsicherheit bestehen wird.

GloBE Information Return [9]

Zeitgleich wurde eine öffentliche Konsultation zu einer möglichen GloBE-Steuererklärung gestartet, mittels welcher die Konzerne den nationalen Steuerbehörden die für die Erhebung der globalen Mindeststeuer notwendigen Informationen mitteilen sollen. Diese GloBE-Steuererklärung ist auch bei Erfüllen der Transitional Safe Harbours einzureichen, um die gruppenweite Erfüllung der GloBE-Mindeststeuer nachzuweisen. Die GloBE-Steuererklärung besteht aus zwei allgemeinen Kapiteln (General Information und Corporate Structure) und aus zwei Kapiteln, welche sich mit den notwendigen Berechnungen befassen (ETR Computation & Top-up Tax Computation und Top-up Tax allocation & attribution). Die Steuererklärung ist systematisch aufgebaut und hilft zu verstehen, wie der effektive Steuersatz unter Pillar Two, der GloBE-ETR und die internationale Ergänzungssteuer (IIR) berechnet wird. Konzerne, welche von der globalen Mindestbesteuerung betroffen sind, können anhand der GloBE-Steuererklärung bestimmen, welche Daten sie benötigen, um die GloBE ETR zu berechnen bzw. die GloBE-Dokumentationsvorschriften zu erfüllen.

4. Pillar Two: Entwicklungen im Jahr 2023

Administrative Guidance

Am 2. Februar 2023 veröffentlichte die OECD die "Agreed Administrative Guidance on the GloBE Model Rules (Pillar Two)" (Administrative Guidance).[10] Dieses Dokument finalisiert die GloBE-Regeln. Es stellt sicher, dass die weltweiten Steuerbehörden ein gemeinsames Verständnis der Regeln haben, so dass diese auf koordinierte und administrative Weise umgesetzt werden. Die Administrative Guidance enthält insbesondere Ausführungen dazu, wie die US-Mindeststeuer (Global Intangible Low Taxed Income [GILTI]) zu berücksichtigen ist und zum Design der nationalen Ergänzungssteuer (QDMTT).

Demnach wird GILTI nicht als qualifizierende nationale Ergänzungssteuer betrachtet. Jedoch wird es in einer Übergangsphase bis zum Jahr 2027 als sogenanntes "Blended Controlled Foreign Corporation (CFC) Tax Regime" eingestuft. Bezahlt ein US-Unternehmen eine GILTI Mindeststeuer, wird diese Steuer demnach nicht dem US-Unternehmen selbst, sondern den von ihm gehaltenen Geschäftseinheiten zugeordnet und bei der Berechnung der GloBE-ETR dieser Unternehmen berücksichtigt. Sind diese Geschäftseinheiten allerdings in einem Staat ansässig, welcher eine nationale Ergänzungssteuer eingeführt hat, werden sie für die Berechnung dieser Ergänzungssteuer bzw. der Top-up Tax nicht berücksichtigt (vgl. nachfolgend).

Die Administrative Guidance streicht heraus, dass das Design der nationalen Ergänzungssteuer mit dem Design der GloBE-Regeln konsistent sein muss und zu Resultaten führen soll, welche mit den GloBE-Regeln im Einklang stehen. Die Regeln der nationalen Ergänzungssteuer dürfen aber strenger als die GloBE-Regeln ausgestaltet sein. So kann zum Beispiel die Definition der Covered Taxes enger gefasst werden oder es ist auch erlaubt, die nationale Ergänzungssteuer auf Konzerne anzuwenden, welche die Umsatzlimite für GloBE von zurzeit 750 Millionen Euro nicht überschreiten oder nicht international tätig sind. In der Administrative Guidance wird nun klargestellt, dass die nationale Ergänzungssteuer zuerst und vor allen anderen Steuern, also ohne Berücksichtigung der IIR und allfälligen CFC-Steuern, berechnet wird. Damit soll die Komplexität bei der Berechnung der nationalen Ergänzungssteuer reduziert und sichergestellt werden, dass die Anwendung der nationalen Ergänzungssteuer nicht zu einer Steuerbelastung führt, welche unter der GloBE-ETR liegt. Die OECD geht davon aus, dass eine bezahlte nationale Ergänzungssteuer stets an eine etwaig geschuldete CFC-Steuer anrechenbar sein wird und es so zu keiner Doppelbesteuerung kommen wird. Es ist zu hoffen, dass dies auch tatsächlich der Fall sein wird.

Weiter enthält die Administrative Guidance Klarstellungen zu Übergangsregelungen, der Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus verschiedener Arten von Einkommen und zur Anwendung der GloBE-Regeln auf Versicherungsunternehmen. Für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist insbesondere die nun mögliche "Equity Investment Inclusion Election" interessant. Mittels diesem Wahlrecht kann ein Unternehmen optieren, dass Beteiligungserträge, welche in dessen Sitzstaat steuerbar sind und Wertberichtigungen auf Beteiligungen, welche steuerlich zum Abzug zugelassen werden, bei der Berechnung der GloBE-ETR berücksichtigt werden. Damit wird die Berechnung einer zu tiefen (bzw. zu hohen) GloBE-ETR vermieden. Durch diese Option können in der Schweiz ansässige Unternehmen sicherstellen, dass sie bei der Berechnung der GloBE-ETR durch die Anwendung des Beteiligungsabzugs keinen Nachteil erleiden.

Die Administrative Guidance wird in einen aktualisierten Kommentar zu den Pillar Two Model Rules übernommen, welcher Ende dieses Jahres veröffentlicht werden soll.

Kommende Entwicklungen im 2023

  • Finalisierung der Subject to Tax Rule und des zu deren Implementierung notwendigen multilateralen Instruments;
  • Veröffentlichung des im GloBE Information Return erwähnten standardisierten XML-Datensatzes der OECD für den globalen Datenaustausch;
  • Implementierung der GloBE-Governance und einer GloBE-IT-Lösung sowie Berichterstattung, insbesondere bei Börsennotierung.

5. Pillar Two: Fazit der Entwicklungen im 2022 und 2023

Wie dargestellt hat die Umsetzung der GloBE-Mindeststeuer im Jahr 2022 konkrete Formen angenommen. Insbesondere die im Dezember 2022 veröffentlichte GloBE-Steuererklärung hilft Konzernen zu erkennen, welche Daten im Konzern auf Stufe der Geschäftseinheiten vorhanden sein müssen, um die GloBE-Effective Tax Rate des Konzerns pro Staat berechnen zu können. Die Transitional Safe Harbour Rules sind eine willkommene Erleichterung, allerdings nur, wenn bereits im Vorfeld mit grosser Wahrscheinlichkeit klar ist, dass der Konzern in einem Staat einen der drei Tests erfüllt. Ist dies unsicher, müssen die zur Berechnung der GloBE-ETR notwendigen Daten trotzdem bereitgestellt werden, um gegebenenfalls eine detaillierte Berechnung der GloBE-ETR sicherzustellen. Zu guter Letzt bietet die Administrative Guidance den Steuerbehörden und den Unternehmen Orientierung bei der Umsetzung der Mindeststeuer. Da nun klar ist, dass GILTI nicht als vollwertige nationale Ergänzungssteuer qualifiziert, haben Konzerne mit Sitz in den USA das Risiko, dass ein Teil ihres Gewinnes in einem anderen Staat besteuert wird, da ja die GILTI nicht dem US-Unternehmen selbst, sondern den von ihm gehaltenen Geschäftseinheiten, zugewiesen wird. Es wird daher interessant sein zu sehen, ob die USA GILTI in den nächsten Jahren so modifizieren werden, dass diese unter den GloBE-Regeln als nationale Ergänzungssteuer (QDMTT) qualifiziert.

6. Pillar Two: Umsetzung in der Europäischen Union

Am 15. Dezember 2022 hat der Europarat die EU-Direktive zur Umsetzung von Pillar Two angenommen und dabei gleichzeitig den Willen bekräftigt, Pillar One umzusetzen.[11] Dieser Beschluss wurde erst möglich, nachdem Ungarn der Umsetzung von Pillar Two zugestimmt hatte und damit die in der EU notwendige Einigkeit in Steuerfragen erreicht wurde. Die EU-Mitgliedsstaaten werden nun auf nationaler Ebene die notwendigen Gesetze erlassen, so dass die globale Mindeststeuer in der gesamten EU per 1. Januar 2024 in Kraft treten kann.

7. Pillar Two: Umsetzung in der Schweiz

Auch die Schweiz war im Jahr 2022 aktiv und wird die globale Mindeststeuer voraussichtlich per 1. Januar 2024 einführen können. Nachdem der Bundesrat am 12. Januar 2022 beschlossen hatte, die Mindeststeuer mit einer Verfassungsänderung umsetzen zu wollen[12], startete er am 11. März 2023 eine Vernehmlassung zum geplanten Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmen, mittels welchem die Verfassung geändert werden soll.[13] Die Verfassungsänderung gibt dem Bundesrat insbesondere das Recht, temporär auf dem Verordnungsweg die für die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung notwendigen Bestimmungen zu erlassen. Diese sollen dann bis zum Inkrafttreten der vom Bundesparlament genehmigten gesetzlichen Bestimmungen gelten. Am 23. Juni 2022 veröffentlichte der Bundesrat schliesslich seine Botschaft zum Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen.[14] Der Bundesrat schlägt vor, Pillar One und Pillar Two umzusetzen. Bei der Umsetzung der globalen Mindeststeuer will er sämtliche Regeln umsetzen, also auch eine nationale Ergänzungssteuer einführen (QDMTT) und so sicherstellen, dass das zusätzliche Steuersubtrat in der Schweiz bleibt und nicht in andere Staaten abfliesst. Das zusätzliche Steuersubtrat soll zu 75 % den jeweiligen Sitzkantonen dieser Gesellschaften und zu 25 % dem Bund zufliessen. Bereits am 17. August 2022 startete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Verordnung über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (Mindestbesteuerungsverordnung, MindStV).[15]

Konkrete Umsetzung der globalen Mindeststeuer in der Schweiz (Mindestbesteuerungsverordnung)

Die Verordnung übernimmt die vom inclusive Framework der OECD erarbeiteten Mustervorschriften mittels eines statischen Verweises auf GloBE-Model Rules vom 14. Dezember 2021. Die Verordnung sieht weiter die Einführung sämtlicher Regeln inkl. einer Schweizerischen Ergänzungssteuer (QDMTT) vor. Materiell gesehen verweist die Verordnung einzig auf die Model-Rules vom 14. Dezember 2021 und erklärt diese direkt bzw. in Bezug auf die Schweizerische Ergänzungssteuer, welche nicht in den Model-Rules geregelt ist, als sinngemäss anwendbar. Innerhalb der Schweiz wird die IIR der obersten Muttergesellschaft in der Schweiz zugerechnet. Die Schweizerische Ergänzungssteuer wird den Geschäftseinheiten in der Schweiz im Verhältnis des Ausmasses zugerechnet, in dem sie die Unterbesteuerung verursacht haben. Die Mehreinnahmen sollen also grundsätzlich den Kantonen und Gemeinwesen zu Gute kommen, in welchen die niedrig besteuerten Geschäftseinheiten ihren Sitz haben. Nur 25 % dieser Mehreinnahmen sollen dem Bund zufliessen. Mehr als die Hälfte des erläuternden Berichts befasst sich mit der Verteilung der erwarteten Mehreinahmen – wobei jedoch allgemein davon ausgegangen wird, dass es sich hauptsächlich um temporäre Mehreinnahmen handeln wird, da die Konzerne auf das gesteigerte Steuerniveau ihrerseits reagieren werden.

Wir erwarten, das für grosse Konzerne tiefe Steuern in Zukunft weniger wichtig werden, so dass andere Standortfaktoren wie die Nähe zu Kunden, das Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte oder die Verfügbarkeit staatlicher Subventionen bei der Standortwahl einen höheren Stellenwert einnehmen werden. Immerhin ist festzustellen, dass auf dem Gewinn, welcher dem Substance-based Carve Out zugewiesen wird, also auf je 5 % des Buchwerts der Sachanlagen und des Personalaufwands, keine Mindeststeuer erhoben wird und hier ein tiefer effektiver Steuersatz für grosse Konzerne immer noch attraktiv sein kann. Auch kleinere Konzerne oder Unternehmen, welche nicht unter die globale Mindeststeuer fallen, profitieren weiterhin von tiefen effektiven Steuersätzen. Ob sich allerdings die grossen Konzerne auch in Zukunft im gleichen Ausmass wie bisher in der Schweiz niederlassen oder hier ihre Gewinne anfallen lassen werden, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Gemäss Bundesbeschluss sollen die Kantone unter Aufsicht des Bundes für die Erhebung der globalen Mindeststeuer verantwortlich sein (föderalistisches System). Das Verfahrensrecht dazu wird erst im Laufe des Jahres 2023 in die Vernehmlassung gehen.

Nächste Schritte

Am 16. Dezember 2022 wurde der Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen und die darin enthaltene Aufteilung der erwarteten Mehreinnahmen (75 % Kantone, 25 % Bund) schliesslich vom National- und Ständerat angenommen.[16] Da der Bundesbeschluss eine Verfassungsänderung vorsieht, untersteht dieser dem obligatorischen Referendum. Das Schweizer Volk wird daher am 18. Juni 2023 über die Einführung der globalen Mindestbesteuerung in der Schweiz, insbesondere die Einführung einer Schweizerischen Ergänzungssteuer, abstimmen. Sofern das Volk die Verfassungsänderung annimmt, wird die Schweiz die globale Mindestbesteuerung voraussichtlich per 1. Januar 2024 einführen.[17]

Beurteilung der Umsetzung der globalen Mindeststeuer in der Schweiz

Die föderalistische Umsetzung der globalen Mindeststeuer – die Mindestbesteuerung soll von den Kantonen unter Aufsicht des Bundes erhoben werden – wurde grossmehrheitlich begrüsst.[18] Bei der Vernehmlassung zu der Mindestbesteuerungsverordnung äusserten sich jedoch unter anderem die Wirtschaftsverbände economiesuisse und EXPERTsuisse kritisch zum statischen Verweis auf die Mustervorschriften vom 14. Dezember 2021 und es wurde ein dynamischer Verweis verlangt – obwohl dies aus Sicht des Bundesrates verfassungsrechtlich problematisch ist. Nur mit einem dynamischen Verweis werde sichergestellt, dass die Umsetzung der globalen Mindeststeuer in der Schweiz von den anderen Staaten des Inclusive Frameworks anerkannt wird (vgl. oben Ausführungen zu Tax Certainty for the GloBE-Rules). Ebenfalls kritisch sehen diese beiden Verbände die Einführung der UTPR durch die Schweiz. Mittels der UTPR sollen ja Gewinne von Geschäftseinheiten, die steuerlich nicht der Schweiz zugehörig sind, in der Schweiz besteuert werden, sofern im Ausland eine Unterbesteuerung vorliegt und in keinem Ansässigkeitsstaat die oberste Muttergesellschaft oder eine darunterliegende Muttergesellschaft die Ergänzungssteuer erhebt. Die Einführung einer UTPR wird als kaum ergiebig und hoch komplex angesehen, zudem würde ein Verzicht ein Zeichen zu Gunsten eines für die internationale Wirtschaft attraktiven und wettbewerbsfähigen Standorts setzen.[19] Unklar ist dabei, ob die Schweiz bei einem Verzicht auf die Einführung der UTPR von den anderen Staaten noch als konform im Sinne der GloBE-Mustervorschriften angesehen würde. Ausserdem sei in Bezug auf die Berechnung der Schweizerischen Ergänzungssteuer (QDMTT), welche in den Model-Rules nicht geregelt wird, auch nicht klar, wie Steuern aus einem ausländischen CFC-Regime, z. B. der deutschen Zinsschranke oder der US-Mindeststeuer (GILTI), zu behandeln sind. Die Model-Rules sehen vor, dass diese Steuern an eine allfällige internationale Ergänzungssteuer anzurechnen sind. Dasselbe sollte gemäss EXPERTsuisse auch bei der Schweizer Ergänzungssteuer gelten, da ansonsten im Umfang der CFC-Steuer eine zusätzliche Steuerbelastung entstehen würde. Nach der nun im Februar 2023 veröffentlichten Administrative Guidance ist klar, dass Steuern aus einem ausländischen CFC-Regime bei der Berechnung der Schweizer Ergänzungssteuer nicht berücksichtigt werden dürfen. Es ist daher zu hoffen, dass eine bezahlte Ergänzungssteuer, wie von der OECD stipuliert, stets an eine allfällige auf dem gleichen Gewinn zu bezahlende CFC-Steuer eines anderen Staates anrechenbar sein wird. Ansonsten wird es zu einer vermehrten Doppelbesteuerung von Gewinnen kommen. Daneben wurde im Jahr 2022 auch klar, dass die Model-Rules, insbesondere diejenigen zur Berechnung des effektiven Steuersatzes, also des GloBE-ETR, teilweise nicht kompatibel mit dem Schweizer Steuersystem sind.[20]  Zumindest hier scheint die nun veröffentlichte Administrative Guidance und die damit eingeführte "Equity Investment Inclusion Election" wenigstens etwas Abhilfe zu verschaffen. Allerdings ist die Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen der globalen Mindeststeuer auf die von Schweizer Geschäftseinheiten zu zahlenden Steuern ist in vielen Fällen nicht einfach. Um zu erkennen, welche steuerlichen Auswirkungen eine Transaktion oder Buchung in einer schweizerischen Geschäftseinheit hat, wird sowohl ein Verständnis des schweizerischen Steuer- und Handelsrechts als auch der Model-Rules und der anerkannten Rechnungslegungsstandards (u. a. IFRS, US GAAP, Swiss GAAP FER) benötigt. Auch wenn ein Unternehmen in der Schweiz nicht unter die Mindestbesteuerungsvorschriften fällt, können diese z. B. bei einer Übernahme dieses Unternehmens durch ein Unternehmen, welches diesen Mindestbesteuerungsvorschriften unterliegt, einen Einfluss auf die Strukturierung der Transaktion haben.

8. Fazit

Wir gehen davon aus, dass die globale Mindeststeuer per 1. Januar 2024 in der Schweiz, den Mitgliedsstaaten der europäischen Union und weiteren Staaten eingeführt werden wird. Konzernen und Unternehmen empfehlen wir daher abzuklären, ob sie von der globalen Mindestbesteuerung betroffen sind und deren Auswirkungen zu prüfen – falls dies nicht bereits geschehen ist. Die Auswirkungen der globalen Mindestbesteuerung auf Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sind je nach individueller Situation unterschiedlich. Insbesondere die Differenzen des Schweizer Steuersystems mit dem Steuersystem, welches den Model-Rules zu Grunde liegt, sowie die Differenzen zwischen der für die Schweizer Steuern massgeblichen Rechnungslegung nach dem schweizerischen Handelsrecht und der für die globale Mindestbesteuerung massgeblichen Rechnungslegung nach einem internationalen Rechnungslegungsstandard können zu unerwarteten Steuerfolgen führen. Falls ein Unternehmen in der Schweiz über eine Patentbox verfügt, von zusätzlichen Forschungs- und Entwicklungsabzüge profitiert oder von anderen steuerlichen Instrumenten der letzten Steuerreform Vorteile zieht, ist zu beachten, dass es sich bei diesen Instrumenten aus Sicht der globalen Mindestbesteuerung um «schädliche» Instrumente handelt, da sie zu einer Reduktion des effektiven Steuersatzes führen. Falls der GloBE-ETR durch den Einsatz dieser Instrumente unter den Mindeststeuersatz von momentan 15 % sinkt, profitiert das Unternehmen unter Umständen nur noch im Rahmen des Substance-based Carve Outs von einer Besteuerung unter 15 %. Es ist daher in diesen Fällen zu prüfen, ob die erwähnten Regimes noch Sinn machen, zumal sie ebenfalls mit einem gewissen Aufwand verbunden sind. Das Ergebnis hängt in der Tat von den konkreten Umständen ab. Es ist zu erwarten, dass das Pillar One und Pillar Two Projekt der OECD nicht das letzte Projekt sein wird, mit welchem die OECD eine «gerechtere» Besteuerung durchsetzen will. Zurzeit ist noch kein Ende dieser Entwicklung abzusehen, so dass nicht auszuschliessen ist, dass in Zukunft auch eine «gerechtere» Besteuerung von vermögenden natürlichen Personen angestrebt werden könnte.

Bei Fragen und für weiterführende Hinweise steht das Steuerteam gerne zur Verfügung.

Autor: Adrian Briner


[1] Vgl. Fact Sheet Amount AG, Progress Report on Amount A of Pillar One vom 11. Juli 2022, Seite 3, online abgerufen am 18. Dezember 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/oecd-invites-public-input-on-the-progress-report-on-amount-a-of-pillar-one.htm.

[2] Vgl. Public Consultation Document: Pillar One – Amount B vom 8. Dezember 2022, Ziff. 2, online abgerufen am 18. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/oecd-invites-public-input-on-the-design-elements-of-amount-b-under-pillar- one-relating-to-the-simplification-of-transfer-pricing-rules.htm.

[3] Vgl. Public Consultation Document: Pillar One – Amount A: Draft Multilateral Convention Provisions on Digital Services Taxes and other Relevant Similar Measures, Seite 1, online abgerufen am 18. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/oecd-invites-public-input-on-the-draft-multilateral-convention-provisions-on-digital-services-taxes-and-other-relevant-similar-measures-under-amount-a-of-pillar-one.htm.

[4] Tax Challanges Risisng from the Digitalisation of the Economy – Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) vom 20. Dezember 2022, online abgerufen am 18. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.htm.

[5] Präsentation zum Public Consultation meeting on the implementation of the framework for the global minimum tax, durchgeführt am 25. April 2022, online abgerufen am 18. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-meeting-implementation-framework-global-minimum-tax-25-april-2022.htm.

[6] Vgl. Safe Harbour and Penalty Relief: Global Anti-Base Erosion Rules (Pillar Two), online abgerufen am 19. Januar 2023: https://www.oecd.org/tax/beps/further-progress-on-two-pillar-solution-oecd-releases-consultation-document-on-the-withdrawal-of-digital-service-taxes-and-other-relevant-similar-measures-under-pillar-one-and-an-implementation-package-for-pillar-two.htm.

[7] Beim CbCR handelt es sich um den automatischen Austausch länderbezogener Berichte multinationaler Unternehmen. Sie beinhalten die weltweite Verteilung der Umsätze, der bezahlten Steuern, weiterer Kennzahlen nach Ländern und Angaben über sämtliche Rechtsträger eines multinationalen Konzerns. Dies ermöglicht es den Steuerverwaltungen, Verrechnungspreise und Gewinnverschiebungen zu bewerten (vgl. Website der ESTV, Country-by-Country-Reporting CbCR, online abgerufen am 19.1.2023: https://www.estv.admin.ch/estv/en/home/international-fiscal-law/country-by-country-reporting.html

[8] Public Consultation Document: Pillar Two – Tax Certainty for the GloBE Rules, 20. Dezember 2022, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/oecd-invites-comments-on-compliance-and-tax-certainty-aspects-of-global-minimum-tax.htm.

[9] Public Consultation Document: Pillar Two – GloBE Information Return, 20. Dezember 2022, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.oecd.org/tax/beps/oecd-invites-comments-on-compliance-and-tax-certainty-aspects-of-global-minimum-tax.htm.

[10] Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy – Administrative Guidance on the Global Anti Base Erosion Model Rules (Pillar Two), online abgerufen am 20. April 2023 auf: https://www.oecd.org/tax/beps/agreed-administrative-guidance-for-the-pillar-two-globe-rules.pdf

[11] Internationale Besteuerung: Rat erzielt Einigung über Mindestbesteuerung der größten Unternehmen, Rat der EU, online abgerufen am 20. Januar 2023 auf: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/12/12/ international-taxation-council-reaches-agreement-on-a-minimum-level-of-taxation-for-largest-corporations/.

[12] Vgl. OECD Mindeststeuer: Umsetzung mit einer Verfassungsänderung, vom 13. Januar 2022, online abgerufen am 20. Januar 2022 unter: https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-86783.html.

[13] Vgl. Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Umsetzung der OECD/G20- Mindestbesteuerung, vom 11. März 2022, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-87569.html.

[14] Der Bund regelt die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz, 23. Juni 2022, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-89425.html.

[15] OECD/G20-Mindestbesteuerung: Bundesrat eröffnet Vernehmlassung, 18. August 2018, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-89967.html.

[16] Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft), Curia Vista, online abgerufen am 20. Januar 2023 unter: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220036.

[17] Der Bundesrat geht aus heutiger Sicht von einem Inkrafttreten per 1. Januar 2024 aus. Bei seinem Entscheid zur Inkraftsetzung des Regelwerks wird der Bundesrat prüfen, wie weit die Umsetzung in anderen Ländern fortgeschritten ist. Sollte sich die Umsetzung in anderen Ländern verzögern, wird der Bundesrat die Inkraftsetzung der Verordnung erneut prüfen (vgl. Erläuternder Bericht zur Mindestbesteuerungsverordnung, Ziff. 2.2).

[18] Vgl. Christoph A. Schaltegger, Andrea Opel, Föderalistische Umsetzung der OECD-Minimalsteuer (Bestmögliche Lösung durch den Bundesrat), in: Expert Focus 2022, S. 160 ff.

[19] Die Nichteinführung der UTPR würde insbesondere Unternehmen mit Sitz in Staaten zu Gute kommen, welche die globale Mindestbesteuerung nicht eingeführt haben.

[20] Vgl. dazu und zu folgendem: Daniel Gentsch, Alain Horat, Principles of Calculation of the GloBE Tax Rate (A Swiss view on the calculation principles), in: Expert Focus 2022, S. 132 ff.

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