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16. November 2016 Die elektronische Unterschrift

Digital Business Law Bites #1

Mit der Reihe "Digital Business Law Bites" geben wir einen kleinen Einblick in die Fülle unserer Erfahrungen und Klientenprojekte rund um digitale Geschäftsprozesse.


Die elektronische Unterschrift entspricht einem stetig wachsenden Bedürfnis in der Praxis. Es geht insbesondere darum, zweiseitige Verträge auf elektronischem Wege gültig abschliessen zu können. Aber auch bei einseitigen Rechtsgeschäften (wie z. B. Kündigungen oder Anträgen bei Behörden und Gerichten) stellt sich immer wieder die Frage nach der Möglichkeit oder der Formgültigkeit elektronisch abgegebener Erklärungen.

Eigenhändige Unterschrift als Regelfall der Schriftlichkeit

Nach dem Grundsatz der Formfreiheit unter ­Schweizer Recht bedürfen Verträge und Erklärungen grundsätzlich keiner besonderen Form und können daher auch elektronisch (z. B. per E-Mail) erfolgen. Anderes gilt, wenn ein Formerfordernis von den Parteien vereinbart wurde oder gesetzlich an­geordnet ist (siehe nur z. B. im Bereich des ­Arbeitsrechts: Personalverleihverträge, Leih­arbeits- und Einsatzverträge, entgeltliche Arbeitsvermittlungsverträge mit Stellensuchenden, Lehrverträge, Handelsreisendenverträge etc.). Häufigstes Form­erfordernis in der Praxis ist die Schriftform. Ist Schriftlichkeit einzuhalten, erfordert dies grundsätzlich eigenhändige Unterschriften.

Schriftlicher Vertragsschluss per E-Mail?

Es wäre nach überwiegender Auffassung formunwirksam, einen Vertrag mit Schriftformerfordernis rein per E-Mail abzuschliessen oder eine schriftliche Kündigung nur per E-Mail zu versenden. Allerdings geschieht dies in der Praxis immer wieder. Konsequenz ist die (Form-)Unwirksamkeit, auch wenn dies den Beteiligten mitunter nicht bewusst ist. Komplexe Fragen nach einer möglichen Heilung, nachträglichen Genehmigung, allfälligen ­Novation oder auch bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung können sich dann stellen.

Zulässig dürfte es hingegen sein, wenn die – eigenhändig unterzeichneten – Willensäusserungen in einem eingescannten PDF verkörpert und der ­E-Mail angehängt sind. Dann ist von einer ausreichenden Perpetuierung und Unveränderbarkeit der Erklärungen auszugehen, was dem Schriftformerfordernis in der Regel genügt (wenngleich insbesondere verschiedene Behörden, wie z. B. die ­FINMA, insoweit teilweise strengere Anforderungen stellen).

Die qualifizierte ­elektronische Signatur als echte digitale ­Alternative

Eine Alternative zur eigenhändigen Unterschrift bietet die sogenannte qualifizierte elektronische Signatur. Diese kann erhebliche Vereinfachungen in der Handhabung und Dokumentenverwaltung gerade bei Massenverträgen mit Schriftformerfordernis mit sich bringen.

Es ist im Übrigen nicht zwingend erforderlich, dass die Unterschriften sämtlicher Vertragspartner entweder alle eigenhändig oder alle elektronisch erfolgen. Es wäre daher möglich, dass nur eine Partei elektronisch unterzeichnet und der oder die anderen Vertragspartner eigenhändig.
Rechtsgrundlage der elektronischen Unterschrift ist Art. 14 Abs. 2bis des Schweizerischen Obligationenrechts (OR): Danach ist die qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt, wenn sie auf einem qualifizierten Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten im Sinne des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES und der entsprechenden Ausführungsverordnung VZertES) beruht.

Wichtig zu wissen ist, dass nur Zertifikate von in der Schweiz akkreditierten Anbietern für die elektronische Unterschrift zulässig sind. Die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS) veröffentlicht die Liste der anerkannten Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten. Derzeit sind lediglich vier Stellen erfasst:

  • Swisscom (Schweiz) AG,
  • QuoVadis Trustlink Schweiz AG,
  • SwissSign AG und
  • das Bundesamt für Informatik und ­Telekommunikation.

Die Zertifikate einer Vielzahl renommierter ausländischer Anbieter (z. B. Adobe Sign [vorher EchoSign], DocuSign etc.) können somit derzeit in der Schweiz nicht rechtsgültig verwendet werden.

Im Besonderen: Die SuisseID

Der für Privatpersonen und Unternehmen momentan wichtigste digitale Schweizer Standard für ­qualifizierte elektronische Signaturen (aber auch für die Online-Authentifizierung) ist die SuisseID. Anbieter sind QuoVadis einerseits und SwissSign/Schweizerische Post andererseits.

Welches konkrete Angebot den eigenen Bedürfnissen am ehesten entspricht, muss jede Person bzw. jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden. Möglich sind sowohl reine Online- als auch Hardware-basierte Lösungen mit Smartcard, USB-Stick oder Token.

Ein weiterer Vorteil der SuisseID ist die sowohl technische als auch organisatorische EU-Kompatibilität. Die SuisseID basiert auf den europäischen Telekommunikationsstandards ETSI und verwendet ebenfalls die sogenannte Security-Assertion-Markup-Language (SAML). Sie stellt daher keine proprietäre Schweizer Lösung dar und kann grundsätzlich auch in internationalen Unternehmen implementiert werden.

Einschätzung und ­Ausblick

Nach unserer Einschätzung sind gemäss ZertES gültige elektronische Signaturen in der Schweiz weitestgehend akzeptiert. Der effektive Einsatzbereich in der Praxis ist allerdings nach wie vor beschränkt. Die grosse Mehrzahl der Verträge wird auf herkömmlichem Weg (eigenhändig) unterzeichnet. Über den Bereich der Verträge hinaus findet man elektronische Unterschriften oft in den Berichten der Revisionsstelle und in Dokumenten, die zur Verbreitung an einen grösseren Personenkreis bestimmt sind (z. B. Geschäftsberichte, Einladungen zu Generalversammlungen etc.), noch vergleichsweise selten hingegen in E-Mails. Weitere stark ausbaufähige Einsatzgebiete der elektronischen Signatur bestehen im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) mit Behörden und Gerichten. Beispielsweise hat die FINMA am 16. September 2016 ihre digitale Zustellplattform lanciert: Wer dem Schriftlichkeitserfordernis unterliegende Dokumente darüber einreichen möchte, muss eine qualifizierte elektronische Signatur benutzen.

Wir gehen davon aus, dass die Digitalisierung unaufhaltsam fortschreitet und damit auch die qualifizierte elektronische Signatur bzw. SuisseID in der Schweiz künftig immer weitere Verbreitung erfahren wird. Dies auch angesichts der wachsenden Funktionalität (z. B. Video- und Online-Authentifizierung bei Bankkundenbeziehungen und Vermögensverwaltungsverträgen). Sofern nicht bereits geschehen, dürfte es sich daher zumindest lohnen, einen Blick auf die Möglichkeiten und Einsatzgebiete elektronischer Unterschriften zu werfen.

Allerdings ist die technische wie rechtliche Entwicklung derzeit stark im Fluss: Am 1. Juli 2016 ist die neue EU-Signaturverordnung (eIDAS) in Kraft getreten. Die eIDAS-Verordnung schafft einheit­liche Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Nutzung elektronischer Identifizierungsmittel und Vertrauensdienste.

Bereits haben sich verschiedene Branchengrössen wie Adobe, Bundesdruckerei/D-Trust und Intarsys Consulting aus Deutschland, SwissSign und viele andere mehr zum sogenannten Cloud Signature Consortium (CSC) zusammengeschlossen, um bis Ende 2016 einen offenen Standard für cloudbasierte digitale Signaturen und Siegel für Mobilgeräte und Online-Anwendungen zu entwickeln.

Autor: Peter Kühn

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