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19. Februar 2018 Die ärztliche Aufklärungspflicht als Hotspot in Arzthaftpflichtfällen?

Eine kurze Bestandesaufnahme

Die Schadenersatzforderungen gegen Ärzte und Spitäler wegen behaupteter Behandlungsfehler nehmen zu. Eines haben diese Fälle gemeinsam: Es gibt kaum eine Anspruchserhebung, in der der Patient nicht eine ungenügende Aufklärung behauptet. Dies hat damit zu tun, dass die Beweislast für die erfolgte Aufklärung bei den Ärzten und Spitälern liegt. Sie müssen beweisen, dass der Patient vor einer Behandlung im gebotenen Umfang aufgeklärt wurde. Anders ist die Beweislastverteilung bei einer behaupteten Fehlbehandlung. Hier obliegt die Beweislast dem Patienten. Für ihn ist es somit einfacher, eine ungenügende Aufklärung zu behaupten.

Warum ist eine umfassende ärztliche Aufklärung erforderlich?
Aus rechtlicher Sicht ist jeder Eingriff am menschlichen Körper eine Verletzung der körperlichen Integrität. Körperverletzungen werden sowohl in strafrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht als Delikt qualifiziert, d.h. als strafbare Handlung (z.B. Körperverletzung gemäss Art. 123 StGB) oder als Handlung, die Schadenersatz nach sich zieht (Schlechterfüllung eines Vertrages gemäss Art. 99 OR). Auch ein erfolgreicher Eingriff ist somit, wenn er mit einer Körperverletzung (Schnitt, Stich etc.) verbunden ist, grundsätzlich ein rechtswidriges Verhalten. Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der Patient in den Eingriff einwilligt.

 

Die Einwilligung des Patienten bedingt eine vorgängige Aufklärung
Eine rechtsgenügende Einwilligung des Patienten bedingt, dass er vorgängig den Umständen angemessen aufgeklärt worden ist. Fehlt es an einer solchen Aufklärung, haften Arzt und Spital beim Eintritt einer bekannten Komplikation auch ohne Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Eine ungenügende Aufklärung führt somit zu einer Erfolgsgarantie des Arztes und des Spitals. Arzt und Spital tun deshalb gut daran, den Patienten in einem mündlichen Gespräch umfassend aufzuklären. Es ist zwingend geboten, die erfolgte Aufklärung schriftlich zu dokumentieren. Am besten verwendet man hiefür Aufklärungsformulare, die für spezifische Eingriffe standardisiert sind. Solche Formulare werden für viele Eingriffe von den betreffenden Fachverbänden, Ärztegesellschaften etc. herausgegeben. Aufgeklärt werden muss über den Inhalt und Ablauf des Eingriffs, über die Erfolgsaussichten des Eingriffs und die mit dem Eingriff verbundenen Risiken. Ebenfalls ist darüber aufzuklären, was die Folgen sind, wenn auf den Eingriff verzichtet wird. Das Aufklärungsformular sowie gegebenenfalls die sonstigen schriftlichen Aufzeichnungen sind vom Patienten zum Zeichen der Einwilligung zu unterschreiben.

Die Aufklärung hat frühzeitig zu erfolgen
Die Aufklärung hat gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung frühzeitig zu erfolgen. Der Patient muss zeitlich so früh über den Eingriff aufgeklärt werden, dass ihm eine angemessene Bedenkzeit bleibt. Je schwerer und risikoreicher der Eingriff, desto länger muss die Bedenkzeit sein. Bei risikoreichen Eingriffen müssen gemäss Bundesgericht zwischen Aufklärung und Spitaleintritt mindestens drei Tage liegen, bei risikoarmen Routineeingriffen mindestens ein Tag.

Erleichterungen der Aufklärungspflicht
Bei Eingriffen mit geringen Komplikationsrisiken kann die Aufklärung kurz und knapp erfolgen. Das Gleiche gilt, wenn es zum geplanten Eingriff keine Alternative gibt. Ganz verzichtet werden kann auf die Aufklärung in Notfallsituationen, wenn sofortiges Handeln erforderlich ist. Ist der Patient hingegen ansprechbar und urteilsfähig, ist den Umständen entsprechend über die vorgesehenen Massnahmen summarisch zu informieren.

Das Bundesgericht hat in der jüngeren Vergangenheit die Folgen einer unterlassenen Aufklärung zugunsten der Ärzte und Spitäler etwas gelockert: Hat ein Arzt nicht umfassend aufgeklärt und tritt eine Komplikation ein, trifft den Patienten im Gerichtsverfahren insofern eine Mitwirkungspflicht, als dass er dartun muss, dass er bei einer erfolgten Aufklärung in den Eingriff bzw. in die Behandlung nicht eingewilligt hätte. Es genügt somit nicht, dass sich der Patient auf eine unterlassene Aufklärung beruft, ohne glaubhaft darzulegen, dass er sich im Falle einer erfolgten Aufklärung gegen die Behandlung oder den Eingriff entschieden hätte.

Fazit
Es ist somit wesentlich, dass eine umfassende Aufklärung über den bevorstehenden Eingriff oder die bevorstehende Behandlung nicht nur erfolgt, sondern dass diese schriftlich dokumentiert wird. Damit ist sichergestellt, dass im Bedarfsfall Arzt und Spital ohne Weiteres den Nachweis der erfolgten Aufklärung erbringen können.

Unser Prozessführungsteam beantwortet Ihnen gerne allfällige Fragen.

Autoren: Thomas Gelzer, Yvonne Pieles

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